Öffentlicher Auftrag
im Sinne der Vergaberichtlinien
Öffentliche Aufträge sind Vorgänge, bei denen folgende Merkmale feststellbar sind:
- ein Beschaffungsvorgang liegt vor (es werden Güter oder Dienstleistungen eingekauft),
- einem anderen Rechtssubjekt wird ein Auftrag erteilt,
- dies erfolgt entgeltlich,
- schriftlich und
- grundsätzlich in Form eines Vertrages.
Nachstehend wurden die wesentlichen Merkmale in der Regel nach Frenz vorgestellt. Da die Dogmatik zum europäischen Vergaberecht nicht so verfestigt und konsistent ist, wie in anderen, länger etablierten Bereichen des Europarechts, werden die einzelnen Merkmale des "öffentlichen Auftrags" häufig unterschiedlich verstanden, insbesondere werden die einzelnen Problemfälle (aus der Rechtsprechung des EuGH) an unterschiedliche Tatbestandsmerkmale geknüpft. Deshalb ist die nachstehende Struktur lediglich als ein Vorschlag zu verstehen. Entscheidend für die Praxis ist nur, dass die einzelnen Problemfelder der Definition des öffentlichen Auftrags umfassend berücksichtigt werden - es ist nicht wesentlich, ob beispielsweise die Frage, ob ein in-House-Auftrag vorliegt oder nicht, als eine Frage der Entgeltlichkeit eingestuft wird oder eine Frage des Auftrags an ein anderes Rechtssubjekt. Wichtig ist nur, dass bei einem in-House-Geschäft kein öffentlicher Auftrag vorliegt, an das Vorliegen eines in-House-Geschäftes allerdings sehr strenge Anforderungen gestellt werden.
A. Auftrag an einen Auftragnehmer
Im Zusammenhang mit diesem Punkt wird in der Regel die Frage diskutiert, inwiefern ein Rechtssubjekt sich vom Auftraggeber unterscheidet, dass hier für den Auftraggeber ein Rechtsverhältnis - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - nach außen vorliegt. Dabei sind die sog. "in-House-Geschäfte" keine Aufträge nach außen, so dass in solchen Fällen kein europäisches Vergaberecht anzuwenden ist. Damit jedoch Letzteres (ein in-House-Geschäft) angenommen werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Auftrag wird an einen Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft vergeben,
- Auftraggeber übt Kontrolle aus wie über eigene Dienststellen, wobei hier das Kriterium des "verlängerten Arms" gilt (*) (*) Vgl. zu den einschränkenden Kriterien EuGH, Rs. C-458/05, Slg. 2005, S. I-8612 - Parking Brixen; Kriterium der Kontrolle ist nicht erfüllt, wenn der Auftragnehmer nicht nur den Auftragnehmer als Gesellschafter hat, sondern auch andere, insb. Private Anteilseigner, vgl. Rs. C-26/03, Slg. 2005, S. I-1 - Stadt Halle
- alle Tätigkeiten werden im Wesentlichen für die kontrollierende Körperschaft (kommunaler Eigentümer) ausgeführt,
- die Tätigkeit des Auftragnehmers ist auf den örtlichen Zuständigkeitsbereich der kontrollierenden Körperschaft (z. B. der Kommune) beschränkt (*).
B. Vertrag
Die vertragliche Handlungsform ist nicht nur dann gewahrt, wenn ein klassischer, privatrechtlicher Vertrag abgeschlossen wurde. Vielmehr lässt der EuGH auch alle anderen, von der Wirkung her gleichwertigen Arten der Auftragserteilung zu:
- privatrechtliche Verträge zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen,
- öffentlich-rechtliche Verträge (EuGH, Rs. C-399/98, Slg. 2001, S. I-5409),
- Baukonzessionen, die ausdrücklich in Art. 1 III RL 2004/18/EG dem Richtlinienregime unterstellt wurde,
- eine Leistungserbringung (entgeltlich) durch einen sog. "Beliehenen" erfolgt,
- der Verwaltungsakt allein zur Umgehung des Vergaberechts bei Beschaffung genutzt wird.
C. Sonderfälle zum öffentlichen Auftrag
Bei der Frage, inwiefern ein entgeltlicher öffentlicher Auftrag vorliegt oder nicht, können unterschiedliche Einzelfälle identifiziert werden, in denen diese Frage problematisch sein kann. Nachstehend wurden diese Fälle gesammelt:
Ein öffentlicher Auftrag im Anwendungsbereich der Richtlinien ist gegeben, wenn:
- nachträglich eine Vertragsverlängerung vereinbart wurde,
- wesentliche Änderung des im Vergabeverfahren abgeschlossenen Vertrages vorgenommen wird (es werden derart bedeutsame Vertragsbestandteile geändert, dass die Änderung einer Neuvergabe gleichzusetzen ist),
- Vertragsübernahme, sofern sie eine Umgehung des Vergaberechts zur Folge hätte; ähnlich Eigentümerwechsel beim Auftragnehmer !
- Beschaffung über Verwaltungsakt zur Umgehung des Vergaberechts,
- Beleihung eines Privaten mit hoheitlichen Befugnissen (die an sich nicht relevant sind aus vergaberechtlicher Sicht) mit denen zugleich Aufgaben entgeltlich übertragen werden (denkbares Problem hier: Berufung auf Art.62 und Art. 51 AEUV (ex- Art. 55 und 45 EGV), wonach die Ausübung öffentlicher Gewalt nicht dem EG-Recht unterliegt)
Kein öffentlicher Auftrag ist hingegen in folgenden Fällen anzunehmen:
- ein Kündigungsrecht für ein für längere Zeit laufendes Vertragsverhältnis wird nicht ausgeübt,
- eine unwesentliche Änderung des ausgeschriebenen Vertrages (vgl. auch oben, wesentliche Änderung),
- ein bereits vor Inkrafttreten der Richtlinien abgeschlossener Vertrag wird beibehalten,
- Erteilung des Auftrags durch den öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht im eigenen, sondern im fremden Namen (öffentliche Hand tritt als Vertreter eines Privaten auf);
- Amtshilfe zwischen Behörden;
- bei Dienstleistungskonzessionen, die ausdrücklich nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinien erfasst sind, Art. 17 der RL 2004/18/EG;
- bei sog. in-House-Geschäften, also bei Aufträgen, die in wirtschaftlicher Hinsicht innerhalb des Auftraggebers erfolgen.
D. Fallbeispiele
- Privatisierung des internen Dienstleisters
E. Rechtsprechung
Entscheidungen zum Thema "öffentlicher Auftrag":
- EuGH, Rs. C-29/04, Mödling
CategoryInternationalesRecht