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Fallbeispiel WIPR 1

die falsche Urlaubszeit


Sachverhalt

Die Freunde T und B möchten mit ihren Familien gemeinsam Urlaub verbringen. T soll für Juli 2022 eine Ferienwohnung aussuchen und reservieren. Bezahlen soll B. Da B eine auf ihn lautende Rechnung benötigt, bittet er T, direkt für ihn zu unterschreiben, deshalb gibt er T ein Schreiben mit entsprechender Vollmacht. Dabei verschreibt sich B aber, so dass darin folgender Satz enthalten ist: „Hiermit ermächtige ich Herrn T, in meinem Namen eine Ferienwohnung für 2 Wochen im Juni 2022 zu mieten.“

Einige Wochen nach Abstimmung zwischen T und B sucht T die Wohnung und findet ein ansprechendes Angebot des V. T hat mittlerweile vergessen, wann die Reise geplant war und da beide Familien noch kleine Kinder im Vorschulalter haben, stört ihn nicht, dass in der Vollmacht von Juni die Rede ist. Er fragt V an, ob 2 Wochen im Juni möglich wären, was V kurz darauf per E-Mail bestätigt und dem T anbietet, die große Wohnung für 3.600,- EUR im gewünschten Zeitraum im Juni zu überlassen.

T bestätigt V gegenüber die Buchung und übersendet B einige Zeit später die Buchungsdaten. B sieht den falschen Zeitraum und fragt T, wie das passieren konnte, wenn sie doch Juli vereinbart hätten. T verweist auf die Vollmacht. B und seine Ehefrau versuchen, den bereits beantragten Urlaub zu verschieben, es gelingt ihnen jedoch nicht. B schreibt deshalb an T und V eine E-Mail, in der er den Sachverhalt und gesamten Vorgang erläutert, insbeson­dere auf das irrtümlich verfasste Schreiben für T hinweist und „von dem Ganzen Abstand nehmen“ will.

V besteht auf Zahlung des Mietzinses in Höhe von 3.600,- EUR, da er die Wohnung nachweislich zu diesem Preis anderweitig hätte vermieten können. Dies gehe nun nicht mehr. Wenn T und B nicht kämen, spart V dadurch nichts.

Welche Ansprüche hat V?



Musterlösung


Anspruch des V gegen B auf Mietzins

V könnte einen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses in Höhe von 3.600,- EUR gem. § 535 Abs. 2 BGB gegen B haben. Dafür muss V den Anspruch erworben und nicht verloren haben und der Anspruch müsste auch durchsetzbar sein. V könnte den Anspruch erworben haben. Dafür muss der Vertrag geschlossen worden sein, dabei den Mietzinsanspruch in Höhe von 3.600,- EUR zum Gegenstand haben und er müsste wirksam sein.

A. Vertragsschluss
B und V könnten einen Vertrag geschlossen haben. Hierfür muss es ein Angebot mit einer darauf bezogenen Annahme geben, das Angebot muss bei Annahme bindend sein und zwischen den Erklärung muss Konsens bestehen.

1. Angebot seitens V
Ein Angebot seitens V könnte vorliegen. T "findet ein ansprechendes Angebot" des V. Dies könnte eine Angebotserklärung sein, was aber voraussetzen würde, dass V hier etwas mit Rechtsbindungswillen erklärt. Das Anbieten einer Ferienwohnung ist zunächst an eine unbestimmte Zahl von Interessenten gerichtet. Damit liegt lediglich eine reine Vertragsvorbereitung vor. Das "Angebot" des V ist kein Antrag i. S. d. §§ 145 ff. BGB.

2. Angebot seitens B
Ein Angebot seitens B könnte vorliegen. Die Anfrage seitens T zur Verfügbarkeit der Wohnung im Juni enthält noch keine klare Aussage, dass T die Wohnung mieten will und der Mietzins wird dabei ebenfalls noch nicht erwähnt. Daraus ist zu schließen, dass der Rechtsbindungswille des T noch nicht hinreichend vorhanden ist und eine vertragliche Erklärung noch nicht anzunehmen ist.

3. Angebot seitens V
Die E-Mail des V darüber, dass die Wohnung frei ist, könnte ein Angebot sein. Dies setzt voraus, dass die E-Mail des V eine Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot darstellt, sie abgegeben wurde und dem B zugegangen ist. V bestätigt dem T die Verfügbarkeit der Wohnung und bietet ausdrücklich an, ihm diese im gewünschten Zeitraum für 3.600,- EUR zu vermieten. Dies ist eine Erklärung mit dem Inhalt Angebot. Mit der E-Mail ist sie abgegeben worden und T hat sie auch gelesen, so dass auch Zugang anzunehmen ist.
Achtung!
An dieser Stelle kann durchaus auch das Problem behandelt werden, inwiefern Zugang bei T zu einem Vertragsschluss mit B führen darf. Es ist also auch zu überlegen, ob der Zugang dem B zugerechnet werden kann. Dies funktioniert nach gleichen Regeln, wie bei Abgabe der Annahmeerklärung weiter unten, § 164 Abs. 3 BGB. Insofern ist es nicht falsch, das Problem weiter unten zu behandeln. Es kann aber - und ist vielleicht auch unter Umständen besser - bereits hier diskutiert werden. Insofern finden Sie weiter unten eine alternative Version zu den Punkten "Angebot seitens V" und "Annahme seitens B". Schauen Sie sich diese an!

Ein Angebot seitens V ist zu bejahen.

4. Annahme seitens B
Annahme seitens B könnte vorliegen. Dies setzt eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme voraus, die auch abgegeben wurde und dem Adressaten zugegangen ist. T bestätigt V gegenüber die Buchung. Damit liegt eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme vor.
B könnte die Annahme persönlich oder durch Dritte abgegeben haben. B handelte nicht persönlich.
Die Willenserklärung könnte hier durch einen Vertreter abgegeben worden sein. Voraussetzung dafür ist gem. § 164 Abs. 1 BGB offenkundig im Namen des B eine eigene Erklärung abgegeben hat.

a. Eigene Willenserklärung des T
Hier ermächtigt B den T, eine Wohnung für den Urlaub zu buchen. Die Korrespondenz mit V beruht auf dieser Ermächtigung. T hat hier vor, eine eigene Erklärung abzugeben.

b. Im Namen des B
Laut Sachverhalt soll die Ferienwohnung B bezahlen. T führt die Buchung also nicht für sich als Vertragspartner, sondern für den B aus. Er handelt im Namen des B.

c. Offenlegung
Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern T gegenüber V offengelegt hat, dass er für B handelt. Er verfügt zwar über eine Vollmacht von B, es wird aber nirgendwo erwähnt, dass T diese dem V auch bei Buchung vorzeigt oder erwähnt. Damit ist weder ausdrücklich noch aus den Umständen zu erkennen, ob T für sich oder für B bucht. Es ist allerdings nicht erkennbar, dass dem V die konkret buchende Person wichtig wäre, der T aber offenbar für die Rechnung des B handeln will. Es liegt insofern ein Fall eines Rechtsgeschäftes für den, den es angeht, so dass die Offenlegung nicht erheblich für die Vertretung ist.

d. Abgabehandlung
T müsste die Annahmeerklärung auch als solche abgegeben haben. Dies ist dann der Fall, wenn er die Erklärung so auf den Weg gebracht hat, dass mit ihrem Zugang zu rechnen ist. T bestätigt laut Sachverhalt die Buchung und übersendet auch die Buchungsdaten. Dies ist eine Abgabe der Erklärung durch T.

e. Zwischenergebnis
Die Abgabe der Erklärung durch T kann B zugerechnet werden.

Die Buchungsbestätigung ist dem V auch zugegangen.




B. Alternative Darstellung zu "Angebot seitens V" und "Annahme seitens B":

1. Angebot seitens V bei Antwort auf Anfrage des T
Das Angebot könnte darin liegen, dass V dem T auf seine Anfrage antwortet und die Wohnung für 2 Wochen im Juni zum Preis von 3.600,- EUR offeriert. Dafür müsste es sich um eine Willenserklärung mit dem Inhalt Vertragsangebot handeln, die abgegeben und dem Adressaten zugegangen ist.

a. Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot
V antwortet T auf seine Anfrage mit dem Vorschlag, dass T die Wohnung für 3.600,- EUR im benannten Zeitraum haben kann. Dies ist eine Willenserklärung mit dem Inhalt eines Vertragsangebotes zu den genannten Konditionen.

b. Abgabe
Mit der Versendung der Bestätigungs-E-Mail an T gibt V die Erklärung auch ab.

c. Zugang
Die Angebotserklärung könnte dem anderen Vertragspartner zugegangen sein.
Der Vertragspartner soll hier B sein. Die E-Mail ist hier aber nur an T gerichtet gewesen. Damit konnte sie dem B vorerst gar nicht zugehen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein eventueller Zugang bei T ausreicht. Dies ist dann der Fall, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des T gelangt ist, dass ihm die Kenntnisnahme möglich war und dies dem B im Wege einer (passiven) Vertretung zugerechnet werden kann.

(1) Zugang bei T
T bestätigt V gegenüber die Buchung. Insofern hat T die Nachricht des V lesen können. Die Erklärung des V ist dem T zugegangen.

(2) Zurechnung gem. § 164 Abs. 1 BGB i. V. m. § 164 Abs. 3 BGB
Der Zugang bei T könnte dem B zugerechnet werden. Dafür muss T in der Lage sein, eigene Willenserklärungen abzugeben bzw. den Vertragsschluss ohne weitere Konsultationen mit B zu vollziehen. Ferner müsste T die Erklärung im fremden Namen empfangen und dies müsste offenkundig für den anderen sein.
T empfängt die Erklärung des V um eigenständig eine Buchung für und im Namen des B vorzunehmen. Es war nicht abgemacht, dass T die Buchungsinformationen dem B zur Entscheidung vorlegt. Damit ist T Vertreter des B.
T soll die Rechnung nicht bezahlen und handelt auf der Grundlage einer Vollmacht des B. Damit bucht T die Wohnung nicht für sich, sondern im Namen des B.
Inwiefern T gegenüber V offenlegt, dass er für B handelt, lässt sich aus dem Sachverhalt nicht schließen. Ungeachtet der Möglichkeit, bei einem Rechtsgeschäft für den, den es angeht, auf die Offenlegung der Vertretung zu verzichten, wird nachstehend davon ausgegangen, dass T den V über Buchung für B unterrichtet. Unter dieser Annahme sind in diesem Fall die Vertretungsvoraussetzungen erfüllt.
(Zurechnung gem. § 164 BGB - alle Voraussetzungen erfüllt!) insofern (+)

Der Zugang bei T ist dem B zuzurechnen.

d. Zwischenergebnis
Ein Angebot seitens V liegt vor.

2. Annahme
Das Angebot könnte seitens B angenommen worden sein. Die Bestätigung der Buchung durch T ist erfolgt. Wie bereits beim Zugang des Angebotes festgestellt, handelte T hier als Vertreter des B. Demnach kann auch die Annahme durch T dem B gem. § 164 BGB zugerechnet werden.
Annahme seitens B liegt vor.


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