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Zurechnung von Handlungen Dritter

Vertreter, Bote und Organ einer juristischen Person im zivilrechtlichen Verkehr


A. Einzelne Rechtsinstitute der Zurechnung - ein Überblick

1. Bote - rechtliche Bedeutung
Ein Bote übermittelt eine Willenserklärung des eigentlich Erklärenden. Die dabei auftretenden Probleme sind vielseitig und sind in ihrer Logik ebenso vielschichtig. Demnach kann die Frage ob und inwiefern ein Bote gehandelt hat, für unterschiedliche rechtliche Themen (und damit für unterschiedliche Stellen im Prüfungsaufbau eines einzelnen Falles) von Bedeutung sein. Die wichtigsten Anwendungsfälle sind dabei:

a. Zugang einer Willenserklärung beim Empfangsboten
Wird eine (schriftliche) Willenserklärung einem Empfangsboten des Adressaten ausgehändigt, so ist sie dem Adressaten zugegangen. Allerdings ist der Zeitpunkt des Zugangs nicht immer mit dem Empfang durch den Boten identisch.

b. Erklärungen unter Abwesenden auch, wenn bei mündlicher Erklärung ein Bote eingeschaltet wird
Demzufolge ist bei einem Boten in der Regeln nicht § 147 Abs. 1 BGB sondern § 147 Abs. 2 BGB anzuwenden.

c. Die Übermittlung einer Willenserklärung durch Boten
Ein Bote kann die Willenserklärung des an sich Erklärenden übermitteln. Es handelt sich dann um keine eigene Erklärung des Boten, sondern um eine solche des Erklärenden. Wird die Willenserklärung mittels Boten auf den Weg gebracht, so kann sie auch dann wirksam werden, wenn der Erklärende selbst nicht mehr weiter für Zugang beim Adressaten sorgt - diese Aufgabe übernimmt dann der Bote.

2. Vertreter
Ein Vertreter leitet keine fremde Erklärung weiter, sondern gibt eine eigene ab. Daraus folgt eine Reihe von rechtlichen Konsequenzen bzw. werden an den Vertreter einige besondere Anforderungen gestellt:
    • ein Vertreter darf beschränkt geschäftsfähig, jedoch nicht geschäftsunfähig sein, § 165 BGB,
    • setzen Formvorschriften persönliches Erscheinen oder eine eigene Unterschrift voraus, ist die eigene Unterschrift / das Erscheinen eines Vertreters ausreichend, nicht jedoch das eines Boten.

3. Organ einer juristischen Person
Juristische Personen benötigen Organe, um handlungsfähig zu sein. So wird z. B. der eingetragene Verein durch den Vorstand vertreten, § 26 Abs. 2 BGB. Auf das Organ finden in der Regel die Vorschriften über die Vertretung Anwendung.

B. Abgrenzung Bote - Vertreter

1. Bote
Der Bote übermittelt eine Erklärung einer anderen, eigentlich rechtsgeschäftlich auftretenden Person, vgl. § 120 BGB.

2. Empfangsbote
Der Empfangsbote ist derjenige, der
    • vom Adressaten der WE ermächtigt wurde
    • für ihn bestimmte Willenserklärungen entgegen zu nehmen.
Alternativ zur Ermächtigung ist der Empfangsbote auch dann anzunehmen, wenn jemand nach Verkehrsanschauung die Stellung eines Empfangsboten einnimmt.

3. Vertreter
Der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab, so dass sich die Willensbildung im Hinblick auf den konkreten rechtsgeschäftlichen Vorgang direkt bei ihm abspielt. Er hat gewissen Entscheidungsspielraum, der allerdings keine zwingende Voraussetzung ist. Handelt der Dritte nach exakten Weisungen des Geschäftsherrn, kann sich seine Position als Vertreter dennoch aus anderen Umständen ergeben - z. B. daraus, dass er mit eigenem Namen unterzeichnet.


C. Voraussetzungen der Zurechnung
Im Hinblick auf die Voraussetzungen der Zurechnung rechtsgeschäftlichen Handelns eines Vertreters vgl. folgende Struktur.

D. Rechtliche Bedeutung der Vertretungsmacht
Als Voraussetzungen der Zurechnung einer Willenserklärung des Vertreters nennt § 164 Abs. 1 BGB unter anderem das Handeln im Rahmen der Vertretungsmacht. Diese Voraussetzung hat jedoch wegen § 177 Abs. 1 BGB eine andere Bedeutung, als eine Voraussetzung der Zurechnung. Wegen der letztgenannten Vorschrift ist festzustellen, dass die Frage der Vertretungsmacht (ist sie gegeben oder nicht?) entscheidend ist für die Feststellung, ob das Rechtsgeschäft für den Vertretenen wirkt oder nicht, also eine Frage der Wirksamkeit ist.

Die in § 164 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen haben somit unterschiedliche rechtliche Bedeutung: während das Handeln im Namen eines anderen eine Voraussetzung der Zurechnung überhaupt ist, ist die Vertretungsmacht problematischer - wenn sie fehlt, handelt es sich nicht etwa um ein Rechtsgeschäft des Vertreters allein. § 177 BGB sieht hierfür andere Rechtsfolgen vor:
- zum einen kann das Geschäft durch den Vertretenen noch genehmigt werden,
- zum anderen macht sich der Vertreter schadensersatzpflichtig.
Eine direkte Bindung des Vertreters an das Geschäft bei Mängeln der Vertretungsmacht also nicht in Betracht.

Demzufolge ist die Frage des Handelns im fremden Namen bei Vertragsschluss (Abgabe der Willenserklärung bzw. Zugang bei passiver Vertretung) zu prüfen. Die Frage der Vertretungsmacht ist hingegen als Problem der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts bzw. des Vertrages zu behandeln.

Fallbeispiel: Auftrag an den Wohnraumdesigner.

E. Rechtsfolgen bei Mängeln der Vertretungsmacht

Vgl. Fallbeispiel Einkäufe eines Angestellten.

F. Mit Vertretung vergleichbare Tatbestände
In manchen Fällen kann die Anwendung der Vorschriften über Vertretung in analoger Weise geboten sein. Demzufolge ist insbesondere die Regelung in Bezug auf Vertreter ohne Vertretungsmacht dann analog anzuwenden, wenn (*):
(*) Vgl. dazu Medicus, BGB AT Rn. 997.

  • ein Bote eine Erklärung vermeintlich überbringt, wenn er dazu gar nicht ermächtigt ist (die "Botenmacht" überschreitet),
  • eine Person unter fremdem Namen handelt, die dazu nicht befugt ist.



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