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Reform des EVTZ

Reform der Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)

A. Reformbedarf
Den Anreiz für die Reform gab der Bericht der Kommission über die Anwendung der EVTZ-VO. Dieser war nach Art. 17 EVTZ-VO bis zum 1.8.2011 dem EP und dem Rat vorzulegen. Die Kommission hat die auferlegte Hausaufgabe fristgerecht erfüllt, indem sie am 29.7.2011 ein entsprechendes Dokument vorgelegt hat (Bericht im Volltext). In diesem Bericht wurden - neben den durchaus positiven Aspekten - auch die Mängel der VO festgestellt. Die letzten beziehen sich vor allem auf die Probleme bezüglich der Gründung als auch der Funktionsweise des EVTZ (Bericht, S. 5).
Daraus ausgehend hat die Kommission am 14.3.2012 einen Vorschlag für eine Änderungsverordnung vorgelegt (Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1082/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) im Hinblick auf Präzisierungen, Vereinfachungen und Verbesserungen im Zusammenhang mit der Gründung und Verwaltung solcher Verbünde (COM(2011) 610 final/2 = 2011/0272 (COD)).

B. Thesen für die Reform
Bei der Reform hat sich die Kommission zum Ziel gestellt, dass mit der ÄnderungsVO die Kontinuität, die Klarheit und die Flexibilität des EVTZ-Rechts bewirkt werden sollte (Vorschlag, COM(2011) 610 final/2, S. 2).
Somit beziehen sich die Änderungen vor allem auf die Beseitigung von Ungereimtheiten, die aufgrund des neuen Lissabon Vertrages die Union selbst betreffen. Weiter soll das Gründungsverfahren des EVTZ vereinfacht sowie der Aufgabenkreis von EVTZ bestimmt werden. Daraus ist zu schließen, dass der EVTZ zu einem gängigen EU-Institut bei der grenzüberschreitenden Kooperation werden soll.

C. Inhalt der Reform - Kurzüberblick
Im Konkreten beziehen sich die Reformen vor allem auf den Wortlaut der EVTZ-VO, welcher nach dem Inkrafttreten des AEUV und des neuen EUV teilweise überholt ist. Des Weiteren wird der Kreis der potentiellen Mitglieder auf Subjekte aus Drittländern und überseeischen Hochheitsgebieten ausgedehnt. Wesentliche Änderungen beziehen sich auf den Aufgabenbereich, der grundsätzlich erweitert wird. Die Reform betrifft auch die grundlegenden Dokumente für EVTZ: die Übereinkunft über einen EVTZ sowie die Satzung des EVTZ. Die Übereinkunft soll den Rang der Verfassung des EVTZ erlangen. Damit werden einige Punkte von der Satzung in die Übereinkunft verschoben.
Das Gründungsverfahren soll auch einfacher werden, indem den Mitgliedstaaten das Vorschlagsrecht für die für ihn hinnehmbaren Änderungen in der Übereinkunft zugewiesen wird. Die Ablehnungsgründe wurden ebenfalls neu formuliert, nicht nur wegen der Ausdehnung des Kreises der Mitglieder auf Einrichtungen und Behörden aus den Drittländern.
Letztlich wird das transparentere Verfahren der Kommunikation eingeführt. Die Rolle der Übermittlungsstelle für die Veröffentlichungen sowie Weiterleiten von Informationen aus den Mitgliedstaaten (nationale Ausführungsvorschriften, Gründung neuer EVTZ usw. wird die Kommission übernehmen (Vorschlag, COM(2011) 610 final/2, S. 3).

D. Reform im Einzelnen


1. Mitgliedschaft
Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Ausdehnung des Kreises der potentiellen Mitglieder um: Gebietskörperschaften auf nationaler Ebene, Öffentliche Unternehmen i.S. der Sektorenrichtlinie, Einrichtungen des öffentlichen Rechts i.S. der Vergaberichtlinie sowie Gebietskörperschaften oder Einrichtungen aus Drittländern.


a. Gebietskörperschaften auf nationaler Ebene
Aus dem ErwG Nr. 7 ergibt sich, dass es sich um nationale Behörden handeln soll. Zu verstehen sind daher darunter Ministerien, Agenturen u.ä. Der unterschiedliche Status der lokalen und regionalen Einrichtungen in den einzelnen Mitgliedstaaten führt nämlich dazu, dass die Kompetenzen auf der einen Seite der Grenze regional, auf der anderen Seite der Grenze jedoch national geregelt sind, so insbesondere in kleineren oder zentralisierten Mitgliedstaaten. Somit sollen auch neben dem Mitgliedsstaat auch die nationalen Behörden Mitglied eines EVTZ werden können. Dieser Aspekt ist auch bei dem Aufgabenbereich relevant, da die Zuständigkeit des EVTZ sich nach den Kompetenzen der Mitglieder richtet (Art. 7 Abs. 2 und 3 n.F.).


b. Öffentliche Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/17/EG
Hier werden Unternehmen im Bereich der Wasser-, Energie-, und Verkehrsversorgung sowie Postdienste gemeint.


c. Einrichtungen des öffentlichen Rechts gemäß Art.1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18/EG
Diese Bestimmung erfasst alle öffentlichen Auftraggeber i.S. von Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18/EG, d.h. die Staaten, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen. Somit können auch Privatsubjekte (der öffentlichen Hand) Mitglieder des EVTZ werden. Der europäische Gesetzgeber zielt darauf ab, dass künftig öffentliche Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse oder Infrastrukturen auch durch den EVTZ verwaltet werden können (EG Nr. 8).


d. nationale, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder Einrichtungen aus Drittländern oder überseeischen Hoheitsgebieten
Die Subjekte aus den Drittländern dürfen sich grundsätzlich an dem EVTZ dann beteiligen, wenn sie mit den oben genannten vergleichbar sind und die Bedingungen nach Art. 3a Abs. 1 erfüllen. Vorausgesetzt wird dabei, dass die Drittländer zusammen mit der EU Maßnahmen der territorialen Zusammenarbeit oder von der EU unterstützte Programme durchführen


2. Gründung des EVTZ
Bisher verläuft die Gründung nach Grundsätzen, welche näher in dem Dokument EVTZGruendung vorgestellt wurde, d.h.
      • Beschlussfassung durch Mitglieder,
      • Genehmigung durch den Mitgliedsstaat,
      • Vereinbarung einer Übereinkunft,
      • Beschluss der Satzung,
      • Veröffentlichung der Übereinkunft und der Satzung,
      • Eintragung ins Register.
Die Änderungen beziehen sich auf Art. 4 Abs. 3, 3a (eingefügt), 5 und 6 EVTZ-VO. Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen für die künftig zu gründenden EVTZ:


a. Ablehnungsgründe
Der Katalog der Ablehnungsgründe wurde ausgedehnt und erstreckt sich auf. Die Mitgliedstaaten dürfen die Teilnahme am EVTZ untersagen, wenn:
      1. Verstoß gegen Verordnung oder sonstige EU-Rechtsvorschriften über die Tätigkeiten des EVTZ vorliegt,
      1. die Mitgliedschaft wegen innerstaatlicher Rechtsvorschriften in Bezug auf die Kompetenzen des potenziellen Mitglieds unmöglich ist oder
      1. die Mitgliedschaft aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der öffentlichen Ordnung des jeweiligen Mitgliedsstaats unzulässig ist.


b. Genehmigungsverfahren
Eine Neuheit ist, dass der Mitgliedsstaat auch die Änderungen für die Übereinkunft vorschlagen. Dies erleichtert die Klärung der Problemfelder.

Die Frist zur Genehmigung wird auf 6 Monate verlängert (bisher waren die 3 Monate). Allerdings wurde eine Fiktion in Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 S. 2 begründet, dass das Schweigen des Staates als Zustimmung gilt.


c. Teilnehmer aus den Drittstaaten
Die Zulässigkeit der Mitgliedschaft der Einrichtungen aus den Drittländern überprüft der Mitgliedstat, in dem der EVTZ seinen Sitz haben soll. Im neuen Art. 4 Abs. 3a werden die Ablehnungsgründe für Teilnehmer aus den Drittländern formuliert. Bisher konnten diese keine Mitglieder des EVTZ werden (s. oben).


3. Aufgaben
Aufgaben des EVTZ werden in Art. 7 Abs. 2 und 3 neu bestimmt. Aus dieser Regelung ergibt sich zunächst, dass der Aufgabenkreis des EVTZ ausgedehnt wird. Des Weiteren werden die Einschränkungsmöglichkeiten für die Mitgliedsstaaten geringer werden.


a. Ausdehnung des Aufgabenbereiches
Nach der Reform wird für die Tätigkeit des EVTZ vor allem der Umstand maßgeblich, ob die Aufgabe die Erleichterung und Förderung der territorialen Zusammenarbeit zur Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts abzielt. Die Aufgaben werden daher zielorientiert bestimmt.
Wichtig ist auch, dass nach der Reform Behörden mit unterschiedlichen Zuständigkeiten im einem EVTZ vereinigt werden können. Für die Bejahung der Kompetenz des EVTZ wird ausreichen, dass die Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich des nationalen Rechts von mindestens einem Mitglied aus jedem im EVTZ vertretenen Mitgliedsstaat fallen wird.


b. Einschränkungsrecht der Mitgliedstaaten
Bis jetzt wurde der unantastbare Kern der Aufgaben nach Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 (VO über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung) bestimmt.
Dieser Kernbereich wird dadurch erweitert, dass die Mitgliedsstaaten nicht die Maßnahmen ausschließen dürfen, die von den Investitionsschwerpunkten im Rahmen der Kohäsionspolitik der Europäischen Union, wie sie für den Zeitraum 2014-2020 beschlossen wurden, abgedeckt werden.


4. Übereinkunft
Die Übereinkunft über einen EVTZ wird neu definiert (Vorschlag, COM(2011) 610 final/2, S. 4). Nach der Reform soll die Übereinkunft nur konstitutive Elemente enthalten (EG. Nr. 13). Demzufolge beschränkt sich das Genehmigungsverfahren nur auf sie und erfasst die Satzung nicht mehr.
Aus dem Vergleich der bisherigen und der geplanten Regelungen ergibt sich Folgendes. Art. 8 Abs. 2 schreibt vor, welche Inhalte sich nunmehr in einer Übereinkunft befinden sollen. Im Vergleich zum früheren Inhalt sind
folgende Punkte hinzugekommen:
    • die Vereinbarung über die Beteiligung von Mitgliedern aus Drittländern oder überseeischen Hoheitsgebieten, soweit zutreffend,
    • die spezifischen EU-Rechtsvorschriften oder innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die auf seine Tätigkeiten anzuwenden sind; bei letzteren kann es sich um Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaats handeln, in dem die Satzungsorgane ihre Befugnisse ausüben oder in dem der EVTZ tätig ist,
    • die auf die Mitarbeiter des EVTZ anzuwendenden Regelungen sowie die Grundsätze für die Vereinbarungen über die Personalverwaltung und Einstellungsverfahren,
    • im Falle eines EVTZ mit beschränkter Haftung, die Vereinbarungen über die Haftung der Mitglieder gemäß Artikel 12 Absatz 3.

Als die auf Mitarbeiter anzuwendende Regelungen können gewählt werden::
    • die Regelungen des Mitgliedsstaats, in dem der EVTZ seinen Sitz hat;
    • die Regelungen des Mitgliedsstaats, in dem die EVTZ-Mitarbeiter tatsächlich tätig sind oder
    • die Regelungen des Mitgliedsstaats, dessen Staatsangehöriger der Mitarbeiter ist.
Der EVTZ kann darüber hinaus zu diesen Regelungen weitere Ad-hoc-Regeln hinzufügen, soweit sie der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter an ein und demselben Ort gewährleisten.


5. Satzung
Auch die Regelungen der EVTZ-VO bezüglich der Satzung unterliegen der Reform. Nach dem Inkrafttreten der ÄnderungsVO soll sich die Satzung auf die Umsetzungsmaßnahmen beziehen (vgl. EG Nr. 13). Sie unterliegt zwar nicht dem Genehmigungsverfahren, wird aber registriert und/oder veröffentlicht.


6. Veröffentlichung
Die Veröffentlichung soll nach wie vor nach den Vorschriften des Mitgliedsstaates erfolgen. Mit diesem Tag erwirbt der EVTZ die Rechtsfähigkeit. Die bisherigen Voraussetzungen für die Bekanntmachung der Gründung bestehen fort. Ändert sich aber der Weg zur Bekanntmachung. Künftig wird die Veröffentlichung die Kommission veranlassen (Art. 5 Abs. 2).


7. Kontrolle
Die Kontrolle der Verwaltung der öffentlichen Finanzen, welche auch von der EU zur Verfügung gestellt werden erfolgt weiter nach den einschlägigen Vorschriften des EU-Rechts (Art. 6 Abs. 4).


8. Haushalt
Die Erstellung des Abschlusses, ggf. Jahresberichts, sowie die Prüfung und die Offenlegung dieses Abschlusses erfolgen nach dem Recht des Sitzstaates des EVTZ (Art. 11 Abs. 2). Damit wird ein unnötiger und verwirrender Verweis gestrichen. An Rechtsfolgen ändert sich grundsätzlich nichts.


9. Haftung
Auch hier ändert sich vor allem die Systematik der VO. Neu gefasst wurden die Regeln über die Haftung in den Fällen, in denen ein Mitglied beschränkt haftet. Neu ist das Recht des Mitgliedsstaats eine Versicherung zu verlangen, wenn die Mitglieder beschränkt haften (Art. 12 Abs. 2a UAbs. 4). Dagegen wird die Grundlage für die Versagung von beschränkt haftenden EVTZ gestrichen.


10. Kommunikation
Die Kommunikation mit anderen Mitgliedstaaten über die innerstaatlichen Bestimmungen erfolgt nach Maßgabe von Art. 16 Abs. 1 UAbs. 3. Danach unterrichtet der MS die Kommission und übermittelt alle Bestimmungen, die er zum EVTZ erlassen hat samt Änderungen. Die Kommission übermittelt diese Bestimmungen anschließend anderen Mitgliedstaaten und dem Ausschuss der Regionen.


11. Befugnisübertragung
Eine Neuheit ist die Möglichkeit der Übertragung von Befugnissen zum Erlass delegierter Rechtsakte auf die Kommission (Art. 17a). Es handelt sich um Konkretisierungsakte, für welche die EU grundsätzlich zuständig wäre (Art. 290 AEUV). Diese delegierten Rechtsakte können zur Ergänzung oder Änderung nicht wesentlicher Punkte des Gesetzgebungsaktes führen. Dies soll die Flexibilität des EVTZ steigern.
Das Beschlussverfahren sowie Grundsätze des Inkrafttretens sowie Veröffentlichung der delegierter Rechtsakte wurden näher gelegt in Art. 17a geregelt.


E. Übergangsregelungen
Art. 2 der ÄnderungsVO bestimmt die Grundsätze der zeitlichen Anwendbarkeit der geänderten VO. Diese sollen - nach dem Grundsatz der Kontinuität - die bestehenden EVTZ nicht berühren.



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