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Fallbeispiel 8 - Die Spritschleuder AG
Wettlauf der Sicherungsgeber I
A. Sachverhalt
Tüchtig (T) ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Plastik GmbH (P), die Kunststoffteile für die Automobilindustrie herstellt. Einer der größten Kunden der P ist der Automobilhersteller Spritschleuder AG (S). P liefert an S seit Jahren Kunststoffteile für die Innenraumausstattung der von ihr hergestellten Fahrzeuge.
In der Wirtschaftskrise müssen S und auch andere Kunden ihre Bestellungen bei P deutlich zurückfahren, wodurch P ihre laufenden Kosten nicht mehr decken kann. Um die Durststrecke zu überwinden, nimmt P bei seiner Hausbank Dorfkasse (D) einen endfälligen Kredit in Höhe von 300.000,- EUR für eine Gesamtlaufzeit von 3 Jahren auf. Angesichts der finanziellen Lage der P verlangt D allerdings Sicherheiten. Zu diesem Zweck räumt P der D eine Hypothek auf einem mehrere Hektar großen Grundstücks am Stadtrand ein. Die Hypothek erstreckt sich auf die Darlehenssumme nebst 5,5 % p. a. Zinsen (effektiv).
Das Grundstück gehört eigentlich aber nicht der P, sondern dem T persönlich. Dennoch wird die Hypothek zugunsten der D notariell beurkundet, es wird der D ein Hypothekenbrief ausgehändigt. Vor dem Grundbuchamt stimmt T auch der Eintragung zu und die Hypothek wird im Grundbuch eingetragen.
Nach ca. zwei Jahren verkauft D die Darlehensforderung an die Kreditbank Geier AG (G) und überträgt in einem schriftlichen Vertrag sowohl die Darlehensforderung auf die G, wie auch die der D zustehende Hypothek am Grundstück des T. Darüber hinaus wird nur der Hypothekenbrief übergeben.
G verlangt weitere Sicherheiten von P – andernfalls werde G den Darlehensvertrag wegen schlechter finanzieller Lage der P kündigen und notfalls auch die Grundstücke des T verwerten. Währenddessen steht P mit S im Gespräch, wie zumindest die Produktion der Kunststoffteile für S sichergestellt werden kann. Auf die Bitte von T erklärt der Vorstand der S gegenüber G eine Bürgschaft für die Forderung der G gegen P in schriftlicher Form.
Als das Darlehen zur Rückzahlung fällig ist, kann P nicht zahlen. Deshalb nimmt G die S aus der Bürgschaft in Anspruch. S zahlt die komplette Forderung.
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B. Frage
Welche Rechte hat S? Gegen wen?
C. Hinweis(e) zum Fall
Bei dem Fall handelt es sich um den Klausurfall WIPR III im SS 2011. Die zulässige Bearbeitungszeit beträgt 120 Minuten.
D. Lösung
1. Grafische Skizze
2. Lösungsskizze
S gegen P auf Rückzahlung des Darlehens inkl. Zinsen gem. § 488 Abs. 1 BGB (Übergang auf S i. V. m. § 774 Abs. 1 A. 1 i.V.m. §§ 398, 412 BGB) |
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I. Anspruch erworben
1. Primärerwerb des Anspruchs
= hier auf Rückzahlung des Darlehens
HIER (-) kein Vertrag zwischen S und P i. S. d. § 488
2. Sekundärerwerb des Anspruchs
= abgeleiteter Erwerb
HIER S von G infolge gesetzlichen Übergangs nach §§ 774, 398; S Gläubiger der Darlehensschuld
Anmerkung zur weiteren Fallprüfung: Historische Prüfung (Prüfung von der Entstehung zum Übergang der Darlehensforderung)
a. Wirksamer Darlehensvertrag zwischen P und D gem. § 488
aa. Vertragsschluss (+)
bb. Vertragsinhalt (+)
cc. Wirksamkeit (+)
dd. Zwischenergebnis: Darlehensvertrag P und D gem. § 488 (+)
b. Wirksame Forderungsabtretung von D an G gem. § 398 ff.
aa. Forderungsabtretung durch Zedent = Gläubiger
HIER (+) D ist Forderungsgläubiger
bb. Forderungsempfang durch Zessionar
HIER (+) G ist Empfänger der Forderung
cc. Vertrag
HIER (+) laut Sachverhalt gegeben
dd. Zwischenergebnis: Forderungsabtretung D an G gem. § 398 (+)
c. Wirksamer gesetzlicher Übergang der Forderung gem. § 774
aa. Bürgschaftsvertrag zwischen G und S
HIER (+) laut Sachverhalt
bb. Befriedigung durch Bürgen
HIER (+) S zahlt vollständig
cc. Zwischenergebnis: Wirksamer gesetzlicher Übergang der Forderung nach § 774 (+)
Hinweis: Mit der Forderung erwirbt der Bürge gemäß Abs. 1, §§ 412, 401 Abs. 1 auch die dort genannten akzessorischen Sicherheiten.
d. Zwischenergebnis: Voraussetzungen des § 774 für den Übergang (+); S ist Gläubiger der Darlehensschuld
3. Zwischenergebnis: Anspruch entstanden (+)
II. Anspruch nicht verloren (+)
III. Anspruch durchsetzbar (+)
IV. Ergebnis: Anspruch S gegen P auf Rückzahlung des Darlehens (+)
S gegen T auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. § 1147 BGB i. V. m. §§ 774 Abs. 1, 401 Abs. 1, 412 BGB |
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I. Anspruch erworben?
= fraglich ist, ob S die Hypothek erworben hat, d. h. Inhaber der Hypothek geworden ist
1. Primärer Hypothekenerwerb des S von G?
= Primärerwerb (Entstehung) einer Hypothek
HIER (-) eine Hypothek zugunsten des S wurde nicht begründet
2. Sekundärer Hypothekenerwerb des S von G
(Übergang der Hypothek kraft Gesetzes) gem. §§ 774 I, 398, 401 I, 412 BGB?
Anmerkung zur weiteren Fallprüfung: Historische Prüfung (Prüfung von der Entstehung zum Übergang der Darlehensforderung)
a. Hypothekenerwerb der D durch P
aa. Einigung zur Begründung einer Hypothek gem. §§ 873, 1113 BGB
HIER (+) laut Angabe im Sachverhalt
bb. Eintragung der Hypothek gem. § 873 in dem Umfang nach § 1115 BGB
HIER (+) laut Angabe im Sachverhalt
cc. Einigsein im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs
= keine der WEen darf widerrufen worden sein
HIER (+) kein Widerruf
dd. (Verfügungs-)Berechtigung des Bestellers der Hypothek
(1) Verfügungsbefugter Eigentümer (verfügt über Immobilie)
HIER (-) P ist nicht Eigentümer, sondern Gesellschafter T
(2) Nichteigentümer, der gesetzlich verfügungsbefugt ist oder der vom Berechtigten ermächtigt ist (über die Immobilie zu verfügen)
HIER (+) P ist Ermächtigter nach § 185 (Einwilligung oder Genehmigung durch T); laut SV Zustimmung des T gegenüber GB-Amt
ee. Hypothekenbrief
= der Hypothekenbrief wurde – sofern erforderlich – dem Gläubiger übergaben, § 1117
HIER (+) vgl. Sachverhalt
ff. Bestehen der Forderung
= die Forderung ist in dem Umfang entstanden, in welchem das Bestehen der Hypothek geltend gemacht wird
HIER (+)
gg. Zwischenergebnis: Hypothekenerwerb der D von P (+)
b. Übertragung der Hypothek von D auf G gem. §§ 398, 1154, 1153?
= abgeleiteter Erwerb der G von der Berechtigten D
aa. Abtretungsvertrag gem. § 1154
Übertragung der Forderung mit Hypothek
HIER (+) - erwähnenswert: Form – einfache Schriftform gem. § 1154 I BGB - erfüllt!
bb. Offenlegung
= Offenlegung der Abtretung einer mit Hypothek gesicherten Forderung; § 1154 Abs. 1 oder Abs. 2
HIER (+) Brief wurde übergeben (§ 1154 Abs. 1)
cc. Berechtigung
= Abtretender muss Inhaber der Forderung und Inhaber der Hypothek sein
HIER (+) D ist Hypotheken- und Forderungsinhaber
dd. Zwischenergebnis: Übertragung der Hypothek von D auf G gem. §§ 398, 1154, 1153 (+)
c. Wirksamer gesetzlicher Übergang der Forderung von G auf S gem. § 774, 412, 401
aa. Bürgschaftsvertrag zwischen G und S
HIER (+) s.o.
bb. Befriedigung durch Bürgen
HIER (+) s.o.
cc. Zwischenergebnis: Wirksamer gesetzlicher Übergang der Forderung nach § 774 (+)
Hinweis: Mit der Forderung erwirbt der Bürge gemäß §§ 412, 401 Abs. 1 auch die dort genannten akzessorischen Sicherheiten (hier Hypothek).
d. Zwischenergebnis: Anspruchssteller (S) ist Inhaber der Hypothek (+)
3. Zwischenergebnis: Anspruch entstanden (+)
II. Anspruch untergegangen (-)
III. Anspruch durchsetzbar (+)
IV. Vom Haftungsumfang gedeckt (+)
= die angestrebte ZV ist im Hinblick auf die Forderung sowie den Gegenstand der Zwangsvollstreckung vom Haftungsumfang der Hypothek erfasst, §§ 1118 ff. BGB;
Überlegung: Verwertung des Grundstücks an sich, gem. § 1120 unproblematisch (+)
1. Forderung erfasst
= die zu befriedigende Forderung ist vom Haftungsumfang der Hypothek erfasst, §§ 1118, 1119
HIER (+) erfasst sind insbesondere die Haupt- und Nebenforderungen sowie Zinsen
2. Gegenstand haftet
= die Haftung der Hypothek erstreckt sich auf den betroffenen Gegenstand, §§ 1120 ff.
HIER (+)
3. Aber: Wettlauf der Sicherungsgeber (zur Bezahlung des Gläubigers)
Lösung nach gesetzlicher Regelung (Priorität); (Motto: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“); Ergebnis: vom Gläubiger zuerst in Anspruch genommene Sicherungsgeber könnte vollen Ausgleich von anderen Sicherungsgebern verlangen; somit hätte S Anspruch auf vollständigen Ausgleich!
Aber h.L.: allgemeiner Rechtsgedanke aus §§ 774 Abs. 2, 426 findet Anwendung; danach sind mehrere auf gleicher Stufe stehende Sicherungsgeber entsprechend § 426 Abs. 1 regresspflichtig; d.h. grundsätzlich soll zwischen Sicherungsgebern ein Ausgleich wie zwischen Gesamtschuldnern erfolgen (idR nach Quoten der Sicherung);
HIER also je zur Hälfte (50:50)
IV. Ergebnis: S gegen T auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. § 1147 BGB i. V. m. §§ 774 Abs. 1, 401 Abs. 1, 412 BGB (+)