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Tatbestand einer verbotenen Beihilfe
gem. Art. 87 Abs. 1 EGV
Der Tatbestand des Art. 87 I EGV enthält folgende Merkmale, bei deren (kumulativer) Erfüllung eine verbotene Beihilfe vorliegt:
A. Begünstigung
Der - weit auszulegende Begriff einer Begünstigung i.S.d. Art. 87 Abs. 1 EGV ist zu verstehen als eine Leistung ohne angemessene - also ohne marktübliche - Gegenleistung, vgl. im Einzelnen dazu folgende Struktur. Da hierunter nicht nur Zuführung von Geldmitteln sondern auch Minderungen der Belastung eines Unternehmens fallen, ist eine Begünstigung i.S. einer Beihilfe auch in folgenden Fällen gegeben:
- Befreiung von Soziallasten,
- besondere Steuertarife,
- Darlehen unter marktüblichen Zinssätzen etc.
Eine Begünstigung liegt nicht vor, wenn der Vorteil lediglich Ausgleich für Kosten der Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben im Auftrag des Staates schaffen soll. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Kriterien der Altmark-Trans-Entscheidung erfüllt sind, d. h. wenn:
- Unternehmen mit Erfüllung einer klar definierten Aufgabe des Allgemeinwohls betraut wurde,
- die Parameter für die Berechnung des Ausgleichs zuvor objektiv und transparent aufgestellt wurden,
- der Ausgleich die Kosten der Aufgabenerfüllung nicht übersteigt (Nettomehrkosten),
- Unternehmen im Wege eines öffentlichen Vergabeverfahrens betraut oder die Ausgleichshöhe in einer Vergleichsmarktanalyse ermittelt wurde.
B. Staatlicher Ursprung der Begünstigung
Eine Beihilfe ist nicht nur dann gegeben, wenn die Begünstigung direkt durch den Staat oder eine seiner Untergliederungen gewährt wird. Bereits der Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 EGV sieht vor, dass die Beihilfe staatlich sein kann, dass aber auch ausreichend ist, wenn die Beihilfe "aus staatlichen Mitteln" gewährt wird.
Eine Begünstigung wurde "aus staatlichen Mitteln" gewährt, wenn sie durch eine staatlich benannte Einrichtung gewährt wurde. Auf die Frage der Abhängigkeit der gewährenden Stelle vom Staatsapparat kommt es dabei weniger an, als auf die Frage, inwiefern die gewährten Mittel der staatlichen (behördlichen) Kontrolle unterliegen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Begünstigung auch den öffentlichen Haushalt (des Staates oder einer anderen öffentlichen Stelle) belastet. Hierfür ist wiederum erforderlich, dass der jeweils belastete Haushalt dem Staat zuzurechnen ist (*).
(*) vgl. dazu auch Haratsch u.a., Europarecht Rn. 1078 f.
Indizien für diese Zurechnung sind:- Eingliederung der gewährenden Stelle in die staatliche Verwaltung,
- Beteiligung der Staatsverwaltung am Erlass der Maßnahme, deren Folge Zuweisung der Mittel war,
- Initiative des Staates bzw. der staatlichen Stelle (und nicht etwa Initiative der Begünstigten als Mitgestalter der jeweiligen öffentlichen Stelle, z. B. eines Berufsverbandes),
- zumindest teilweise Finanzierung des Haushalts der öffentlichen Stelle, aus dem die Begünstigung stammt, direkt durch den Staat,
- verfolgter politischer Zweck bzw. ein Zweck der staatlichen Aufgabenerfüllung (im Gegensatz zu eventuell kommerziellen Zielen privater Rechtssubjekte, die an bestimmter Mittelverwendung interessiert sind und diese veranlassen).
Der EuGH hat die formellen und materiellen Kriterien der Annahme der staatlichen Herkunft zuletzt in der Entscheidung Pearle zusammengefasst.
C. Bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige
Eine Beihilfe ist von der allgemeinen Förderung abzugrenzen. Damit liegt keine Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EGV vor, wenn rein unterschiedslose Maßnahmen zugunsten der gesamten Wirtschaft getroffen werden. In folgenden Fällen ist die Bestimmtheit i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EGV jedoch anzunehmen:
- wenn eine an sich unterschiedslose Regelung den Behörden einen Ermessensspielraum einräumt, der stets zugunsten eines Unternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen genutzt wird;
- wenn Abgaben (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge) abweichend von den allgemein anwendbaren Regeln des Steuer-/Abgabensystems erhoben werden, ohne dass derartige Ausnahmen von der Systematik der Rechtsordnung her gerechtfertigt wären.
Eine bisher nicht ausdrücklich geklärte Frage ist, inwiefern sich der Tatbestand der Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EGV nur auf inländische Sachverhalte bezieht, d. h. ob ein Fall vom Anwendungsbereich des Beihilferechts ausgeschlossen ist, wenn die einem Staat zurechenbare Begünstigung Rechtssubjekten im Ausland zugeführt wird. Bislang wurde z. B. Förderung im Rahmen der Entwicklungshilfe, also zumindest nicht direkt eigennütziges Verhalten der Staaten nicht am Art. 87 EGV geprüft. Der Sinn und Zweck der Art. 87 ff. EGV ist, den Protektionismus einzelner Staaten gegenüber ihren eigenen Wirtschaften zu begrenzen, weshalb Begünstigungen gegenüber ausländischen Rechtssubjekten in der Regel vom - durch Schöpfer des EGV beabsichtigten - Anwendungsbereich des europäischen Beihilferechts wohl nicht erfasst sind.
D. Verfälschung des Wettbewerbs
Eine unzulässige Beihilfe i. S. d. Art. 87 Abs. 1 EGV ist nur dann gegeben, wenn durch sie eine Verfälschung des Wettbewerbs eintritt. Dies ist dann der Fall, wenn die Gewährung einer Begünstigung in den Wettbewerb eingreift, so dass sich das Geschehen auf dem Markt verändert. Dabei kommt es auf Spürbarkeit der Veränderung nicht an. Damit führt jede Verbesserung der Wettbewerbssituation einzelner Unternehmen stets zur Wettbewerbsverfälschung (*).
E. Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten
Eine Voraussetzung des Art. 87 Abs. 1 EGV ist auch die sog. Zwischenstaatlichkeitsklausel. Sie stellt klar, dass das europäische Beihilferecht nur dann anzuwenden ist, wenn der Handel zwischen den Mitgliedstaaten betroffen ist, wobei im Falle der Beihilfe relativ selten daran Zweifel anzunehmen sind. Allein die Stärkung der Finanzkraft des Begünstigten reicht hierfür aus (*).
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