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BGHZ 181, 188 - 199

- nicht geschuldete Schönheitsreparatuen -


Link zum Urteil


Sachverhalt


Der Mieter und der Vermieter hatten einen Mietvertrag über eine Wohnung geschlossen. Dieser Mietvertrag enthielt unter anderm die Bestimmungen, dass
  • die Wohnung in bestimmten zeitlichen Abständen durch den Mieter auf dessen Kosten zu renovieren ist und
  • die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses in renovierten Zustand zu übergeben ist (diese Bestimmung wurde handschriftlich eingefügt und auch bei anderen Mietern verwendet).

2006 wurde das Mietverhältnis nun beendet. Der Mieter weißte vor Auszug noch die Wohnung auf Grund der Bestimmung im Mietvertrag.

Nun verlangt der Mieter Erstattung der Kosten für die Farbe vom Vermieter.


Graphische Skizze




§ 535 BGB + weitere Bestimmungen im Vertrag
Mieter <- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -> Vermieter
(Kläger) - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -> (Beklagte)
Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Farbe?


Mögliche Anspruchsgrundlagen



  1. Schadensersatzanspruch aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis (§ 280 I, § 241 II, § 311 II BGB)
  1. Aufwendungsersatz aus der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 539 I, § 677, § 683 S. 1, § 670 BGB)
  1. Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 I S 1 1. Alt. BGB)


Zentrales Problem


Einen Sadensersatzanspruch aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis gem. § 280 I, § 241 II, § 311 II BGB und einen Aufwendungsersatz aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 539 I, § 677, § 683 S. 1, § 670 BGB hat der BGH relativ schnell verneint. Die Gründe dafür, dass diese Ansprüche hier nicht bestehen, werden in der Lösungsskizze (siehe weiter unten) erläutert.

Das zentrale Problem dieses Falles hingegen liegt beim Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 I S. 1 1. Alt. BGB - und zwar im speziellen bei der Prüfung des Umfangs des Bereicherungsanspruchs.
Der BGH hat dahingehend entschieden, das sich der Umfang grundsätzlich nach der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung richtet. Nehmen die Mieter die Schönheitsreparaturen allerdings in Eigenleistung vor, bemisst sich der Bereicherungsumfang danach, "was der Mieter billigerweise neben einem Einsatz an freier Zeit als Kosten für das notwendige Material sowie als Vergütung für die Arbeitsleistung seiner Helfer aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis aufgewendet hat oder hätte aufwenden müssen". Doch auch für den Fall der Selbstvoernahme lässt der BGH die Möglichkeit offen, einen höheren Wert anzusetzen, wenn die Schönheitsreparatur gleichzeitig Gegenstand der Erwerbstätigkeit des Mieters ist.


Lösungsskizze


  1. Der Mieter könnte gegenüber dem Vermieter einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 I BGB haben.
1. Schuldverhältnis (+)
a. durch Vertrag gem. § 311 I BGB (-)
hier entscheidend: Wirksamkeit der handschriftlichen Endrenovierungsklausel
        • Mietvertrag ist grundsätzlich wirksam (keinerlei Hinweise auf die Nichtigkeit des Mietvertrages im Sachverhalt)
        • Endrenovierungsklausel evtl. unwirksam gem. § 307 I S. 1 BGB?
hierfür müssten diese Bestimmung als AGB i. S. v. § 305 I S. 1 BGB gelten

Problem: handschriftliche Bestimmung evtl. Individualvereinbarung
die Bestimmung wird in mehrern Mietverträgen mit andern Mietern auch verwendet. Sie gilt somit als AGB i. S. v. § 305 I S. 1 BGB. Dass die Vereinbarung handschriftlich erfolgte, hat keinerlei Bedeutung.

Die Bestimmung gilt somit als AGB i. S. v. § 305 I S. 1 BGB und unterliegt damit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.

Gemäß der Bestimmung muss der Mieter die Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses renovieren, unabhängig vom Zeitpunkt der Vornahme der letzen Renovierung. Dies ist eine unangemessene Benachteiligung des Mieters.

Die Vereinbarung ist somit gem. § 307 I S. 1 BGB unwirksam.

b. durch vorvertragliches Schuldverhältnis gem. § 311 II BGB (+)
Mieter und Vermieter haben Vertragsverhandlungen geführt => Schuldverhältnis (§ 311 II Nr. 1 BGB)

2. Pflichtverletzung (+)
Verletzungen der Pflicht zur Rücksichtnahme gem. § 241II BGB

3. Verschulden (-)
Vermieter musste nicht davon ausgehen, dass die Bestimmung, die er in einer für individualvertraglichen Vereinbarungen typischer Weise handschriftlich hinzugefügt hat, gem. § 307 I S. 1 BGB nichtig ist.
Ein Verschulden liegt nicht vor

4. Schadensersatz gem. § 280 I BGB (-)


  1. Der Mieter könnte gegenüber dem Vermieter einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gem. § 539 I, § 677, § 683 S. 1, § 670 BGB haben.
1. kein § 536a II BGB (+)
      • Vermieter mit der Beseitigung des Mangels in Verzug (-)
      • umgehende Beseitigung des Mangels notwendig (-)
2. Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 677, § 683 S. 1, § 670 BGB
a. Geschäftsbesorgung (+)
= jedes rechtsgeschäftliche oder tatsächliche Handeln
hier: Mieter weißt die Wohnung
b. für einen anderen (+)
        • objektiv fremd (-)
= das Geschäft/ die Handlung gehört aus Sicht eines objektiven Dritten schon ihrem Inhalt oder ihrer Natur nach zum Rechts- oder Interessenkreis eines anderen als dem des Geschäftsführers
hier: der Mieter streicht die Wohnung um den Vertrag zu erfüllen; das Streichen der Wohnung gehört in seinen Rechts- und Interessenskreis
        • auch fremd (+)
= der Geschäftsführer führt hier sein eigenes und zugleich ein fremdes Geschäft; der Geschäftsherr muss auch ein unmittelbares Intersse haben
hier: der Mieter streicht die Wohung um den Vertrag zu erfüllen, aber auch der Vermieter hat ein Interesse, da es seine Wohnung ist

c. Fremdgeschäftsführungswille (-)
= GF muss das Bewusstsein und den Willen haben, eine Angelegenheit, die eigentlich in den Rechtskreis eines anderen gehört, für diesen zu besorgen; muss folglich wissen und wollen, dass die Vorteile des Geschäfts dem anderen zugute kommen
hier: der Mieter streicht die Wohnung nur auf Grund der Bestimmung, also nur um den Vertrag zu erfüllen; er will dem Vermieter




Praxishinweis


In der Literatur wird häufig davon ausgegangen, dass die Mieten auf Grund des BGH-Urteils steigen werden (vgl. NJW-Spezial 2009, 529). Die Vermieter hätten nämlich die Mieten höher bemessen, wenn sie von Anfang an gewusst hätten, dass sowieso sie die Schönheitsreparaturen übernehmen müssen.
Die folgenden beiden Urteile bekräftigen diese Annahme, denn es geht hierbei um Mieterhöhungen auf Grund von unwirksamen Bestimmungen bezüglich der Schönheitsreparaturen. Die Zulässigkeit von Mieterhöhungen (auch bei Mietpreisbindung) wurde durch diese Urteile bestätigt:


Weiterführende Hinweise


Entsprechende Rechtsprechung


Literaturnachweise


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