Kontrahierungszwang
Frage: Kann der Abschluss eines Vertrages erzwungen werden?
Die erste Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit ist in den Fällen des Abschlusszwangs (auch Kontrahierungszwang genannt) gegeben. In einer Reihe von Fällen sieht das Gesetz vor, dass eine (künftige) Partei des Vertrages einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages haben kann.
Aus rechtstechnischer Sicht sind dabei zwei Fallgruppen zu unterscheiden:
- der unmittelbare Kontrahierungszwang (d. h. wenn die Verpflichtung zum Abschluss des Vertrages direkt aus dem Gesetz folgt; die jeweilige gesetzliche Vorschrift stellt dann eine Anspruchsgrundlage dar),
- der mittelbare Kontrahierungszwang (d. h. wenn das Gesetz einen zunächst einmal anders gearteten Anspruch gewährt - z. B. einen Beseitigungs- oder Schadensersatzanspruch, dieser aber im konkreten Fall dazu führt, dass sich der Anspruchsinhalt in der Pflicht zum Vertragsabschluss konkretisiert - wenn Schaden durch Abschluss des verlangten Vertrages abgewendet werden kann oder wenn die Beeinträchtigung darin liegt, dass ein Vertrag verweigert wurde).
Teilweise wird allerdings vertreten, dass diese Einteilung nicht notwendig sei: dass der Anspruch auf Abschluss eines Vertrages im Falle eines Schadensersatzanspruchs auf die Naturalrestitution gestützt wird (§ 249 S. 1 BGB), stelle einen Umweg dar - wenn die Ablehnung des Abschlusses verboten ist, ist der Abschluss des Vertrages ohnehin geboten. Daraus könnte in den entsprechenden Fällen eigentlich auch direkt ein Anspruch auf Abschluss abgeleitet werden.
Auf dem nachstehenden Bild sollen zu beiden Gruppen einige Beispiele genannt werden (keine vollständige Liste!).
Für die Annahme des Kontrahierungszwangs in einzelnen Fällen sprechen jeweils folgende Umstände (was zugleich den ohben genannten Fällen stets gemeinsam ist):
- Stärke der einen Vertragspartei und zugleich Schwäche der anderen,
- eine Monopolstellung einer Partei, die einer Abhängigkeit der anderen gegenüber steht.
§ 19 AGG
(1) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die
1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,
ist unzulässig.
(2) Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 8 unzulässig.
(3) (...)
§ 21 AGG:
(1) Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
(2) (...)
§ 17 EnWG - Netzanschluss
(1) Betreiber von Energieversorgungsnetzen haben Letztverbraucher, gleich- oder nachgelagerte Elektrizitäts- und Gasversorgungsnetze sowie -leitungen, Erzeugungs- und Speicheranlagen zu technischen und wirtschaftlichen Bedingungen an ihr Netz anzuschließen, die angemessen, diskriminierungsfrei, transparent und nicht ungünstiger sind, als sie von den Betreibern der Energieversorgungsnetze in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen angewendet werden.
(2) (...)
§ 20 EnWG - Zugang zu den Energieversorgungsnetzen
(1) Betreiber von Energieversorgungsnetzen haben jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren sowie die Bedingungen, einschließlich Musterverträge, und Entgelte für diesen Netzzugang im Internet zu veröffentlichen. Sie haben in dem Umfang zusammenzuarbeiten, der erforderlich ist, um einen effizienten Netzzugang zu gewährleisten. Sie haben ferner den Netznutzern die für einen effizienten Netzzugang erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Netzzugangsregelung soll massengeschäftstauglich sein.
(1a) (...)
§ 36 EnWG - Grundversorgungspflicht
(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
(2) (...)
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