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Wirtschaftsprivatrecht II

Inhalt der Verträge

Teil 8: Vertragliche Drittbeziehungen




Verträge sind besondere Rechtsverhältnisse üblicherweise zwischen zwei Personen. Rechte und Pflichten aus dem Vertrag betreffen nur diese beiden Vertragsparteien. Dieser Grundsatz der Relativität von Vertragsverhältnissen wird aber in einigen, abschließenden Fällen durchbrochen (zur schadensersatzrechtlichen Drittschadensliquidation s. unten).



A. Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte


Besonderheiten

Bei jedem Vertrag können nach seiner jeweiligen Zielrichtung neben den beiden Vertragsparteien noch weitere Personen in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen sein.

Für den Vertragspartner führt diese Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Schuldvertrages zu einer Risikohäufung: er hat jetzt nicht nur für Schäden seines unmittelbaren Vertragspartners einzustehen, sondern noch für weitere Personen. Aus diesem Grund kann ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden, um nicht die Lasten eines Vertrags unbillig zu verschieben:

      • Leistungsnähe: der Dritte muss den Gefahren einer Leistungsstörung aus dem Vertrag ebenso ausgesetzt sein wie der Vertragspartner;
      • Besonderes Interessedes Vertragspartners für den Schutz des Dritten: vor allem bei ein eigenen Schutz- und Fürsorgeverpflichtung wie die der Eltern für ihre Kinder; die frühere Rspr. sprach davon, dass der Vertragspartner für das „Wohl und Wehe“ des Dritten einstehen muss (BGHZ 51, 91);
      • Erkennbarkeit für den Schuldner.

Siehe hierzu auch folgende Entscheidungen:


Fall 77:
M bewohnt mit seiner Ehefrau E eine schicke Altbauwohnung des Hauseigentümers H. Vertragsparteien des Mietvertrags sind M und H. Eines Tages erscheint der Angestellte A des H, um einen Defekt in der Deckenverkabelung des Wohnzimmers zu beheben. Er steigt auf eine Leiter und löst den an der Decke hängenden Kronleuchter, um an die Verkabelung zu gelangen. Aufgrund seines unachtsamen Verhaltens rutscht ihm die Lampe aus den Händen und fällt der anwesenden E auf den Kopf. E muss zur Heilung 3000,- € zahlen.

Hat E gegen H einen Schadensersatzanspruch?
Anmerkung: Deliktsrechtliche Ansprüche sind nicht zu prüfen.



B. Vertrag zugunsten Dritter


§ 328 ff.

Im Gegensatz zum stets unwirksamen „Vertrag zu Lasten Dritter“ (zwei Vertragsparteien können sich nicht auf Kosten eines Dritten gegenseitig Leistungen versprechen) ist der Vertrag zugunsten Dritter in §§ 328 ff. BGB geregelt. Der Vertrag zugunsten Dritter ist kein eigenständiger Vertragstyp, sondern steht immer in Verbindung mit einem Kauf-, Miet-, Werk- oder sonstigem Vertrag. Bei ihm vereinbaren der Schuldner (sog. Versprechender) und der Gläubiger (Versprechensempfänger), dass ein Dritter in den Genuss der versprochenen Leistung kommen soll. Man unterscheidet hierbei drei Rechtsbeziehungen:

 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/WIPRIIVertraglDrittbeziehungen/WIPRIIVertragDritter.jpg)

Die Vertragsvereinbarung zugunsten des Dritten, das Verhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger, wird Deckungsverhältnis genannt. Der Versprechende wird regelmäßig nicht grundlos einem Dritten eine Leistung zukommen lassen, sondern aufgrund einer diese Leistung deckenden Gegenleistung des Versprechensempfängers. Die vertragliche Leistungsbeziehung, z.B. die Übergabe und Eigentumsverschaffung an einer Kaufsache, also das Verhältnis zwischen Versprechendem und Drittem, heißt Zuwendungsverhältnis. Das Verhältnis zwischen Versprechensempfänger und Drittem, das Valutaverhältnis, spielt für den Vertrag zugunsten Dritter eigentlich keine Rolle. Der Versprechensempfänger wird aber dem Dritter regelmäßig keine Leistung zukommen lassen wollen, wenn hier nicht eine vertragliche oder sonstige, z.B. familiäre, Rechtsbeziehung besteht.

Man unterscheidet den echten Vertrag zugunsten Dritter(§ 328 BGB), bei dem der Dritte ein eigenes Forderungsrecht gegen den Versprechenden auf Leistung an sich hat, und den unechten Vertrag zugunsten Dritter (§ 329 BGB), bei dem nur der Versprechensempfänger an Forderungsrecht hat, aber auf Leistung nicht an sich, sondern an den Dritten. Um welche Art es sich handelt, entscheidet sich nach den Umständen und dem Zweck des Vertrags. Nach § 334 BGB kann der Versprechende auch bei echten Vertrag zugunsten Dritter dem Dritten Einwendungen (z.B. Verjährung) aus dem Deckungsverhältnis entgegenhalten.




Fall 78:
Anlässlich des 18. Geburtstages verspricht der Großvater G seinem Enkel E einen PKW. Als er bei dem Gebrauchtwagenhändler A einen 13 Jahre alten Opel Kadett E CC 1.4 Beauty mit 183.000 km Laufleistung in beige für € 399 sieht, kauft G diesen Wagen vereinbart mit A, dass auch der E als Beschenkter berechtigt sein solle, die Übereignung des Wagens zu verlangen. Als E nunmehr einige Tage später von A die Übereignung des Wagens verlangt, weigert sich dieser, da G, was zutrifft, den Kaufpreis noch nicht bezahlt habe. Auch habe er Zweifel, ob denn das mündliche Schenkungsversprechen zwischen G und E überhaupt wirksam sei.

Kann E von A Übereignung des Wagens verlangen?

1. Abwandlung: Der A hatte den G über die Unfallfreiheit des Wagens getäuscht. Wer kann anfechten?

2. Abwandlung: Aufgrund diverser Mängel an Motor und Getriebe verliert E nach dem erfolglosen 2. Nachbesserungsversuch des A nicht nur immer noch Öl, sondern auch den Gefallen an seinem beigen Opel Beauty. Kann E zurücktreten?

3. Abwandlung: Nachdem G den Kaufpreis bezahlt hat,kommt A mit der Lieferung des Autos in Verzug. Kann E Verzögerungsschaden verlangen?



C. Sachwalter - Haftung


§ 311 Abs. 3 BGB

Die vorvertragliche Haftung bei Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten (§ 311 Abs. 2 BGB) kann auch Dritte treffen, insbesondere bei Inanspruchnahme besonderen Vertrauens im Zuge der Vertragsanbahnung oder des Vertragsschlusses (§ 311 Abs. 3 BGB). Zu diesem Personenkreis zählen Makler, Vertreter und sonstige Verhandlungsgehilfen. Anhaltspunkte für das besondere Vertrauen sind z.B. außergewöhnliche Sachkunde, persönliche Zuverlässigkeit, eigene Einflussmöglichkeiten auf den Vertrag oder auch ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse.



BGH, U. v. 5.4.1971 – VII ZR 163/69:

(…) Danach treffen die Verpflichtungen aus dem durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen eines Vertreters begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis zwar grundsätzlich den Vertretenen. Unter besonderen Umständen muß aber auch der Vertreter selbst für die Verletzung dieser Pflichten, gerade etwa einer Pflicht zur Aufklärung, einstehen, nämlich dann, wenn ihm persönlich vom Vertragsgegner besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde oder wenn er am Abschluß des Geschäfts ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte (BGHZ 14, 313, 318 = NJW 54, 1925 (…)). Bei den hierzu anzustellenden Überlegungen kann allerdings keine Rolle spielen, daß der Beklagte wirtschaftlich an der Auftragsübernahme durch die Klägerin insofern interessiert war, als ihm mit Rücksicht auf seine beim Verkauf der Ladenlokale anfallenden Provisionen an der Fertigstellung des Bauvorhabens gelegen sein mußte. Ein solches nur mittelbares wirtschaftliches Interesse würde zu einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß auch dann nicht genügen, wenn er die Verhandlungen als Vertreter des Bauherrn geführt hätte. Letztlich ist jeder Handelsvertreter, Prokurist oder sonstige Angestellte eines Unternehmens wirtschaftlich daran interessiert, daß die von ihm für seine Firma getätigten Geschäfte zustande kommen. Damit würden aber die Fälle eigener Haftung des Vertreters ungebührlich erweitert und der Grundsatz, daß für Handlungen desVertreters der Vertretene haftet, in unerträglich weitgehendem Maße aufgegeben (…). Deshalb setzt die Haftung des Vertreters wegen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses an dem abzuschließenden Geschäft eine engere Beziehung zu dem mit dem Vertragsschluß verfolgten Ziel voraus. Der Vertreter muß, um auch persönlich in Anspruch genommen werden zu können, dem Verhandlungsgegenstand besonders nahestehen, also wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache verhandeln (…). Er muß zumindest in einer Weise gegenüber den anderen Verhandlungsteilnehmern aufgetreten sein, die seine Gleichstellung mit einem künftigen Vertragspartner rechtfertigt. (…), abgedruckt in BGHZ 56, 81.


D. Gläubiger- und Schuldnermehrheiten


§§ 420 ff. BGB

Im Einklang mit dem Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses steht, dass auf Gläubiger- und Schuldnerseite eines Vertrages auch jeweils mehrere Personen stehen können.



Beispiel:
Die Eheleute A und B mieten eine Wohnung von der aus X, Y und Z bestehenden Erbengemeinschaft. A und B können damit von X, Y und Z die Überlassung der Wohnung verlangen und sie sind zur Zahlung des Mietzinses an diese verpflichtet.



Für diese Gläubiger- oder Schuldnermehrheiten sieht das Gesetz §§ 420 ff. BGB vor. Am wichtigsten sind dabei die Regelungen zur Gesamtschuldnerschaft nach §§ 421 ff. BGB. Gesamtschuldnerschaft kann durch gemeinschaftliche vertragliche Verpflichtung (z.B. Eheleute, nicht rechtsfähiger Verein) oder aufgrund gesetzlicher Anordnung entstehen (z.B. § 840 BGB bei mehreren Verursachern eines Schadens).


Nach §§ 421 ff. BGB muss jeder Gesamtschuldner im Zweifel die gesamte Leistung alleine erbringen; der Gläubiger wird hierdurch bevorzugt, weil er die ganze (oder auch Teile der) Leistung von jedem Gesamtschuldner fordern kann. Er wird dann den Leistungsstärksten auswählen. Allerdings kann er die Leistung nur einmal erhalten.

Wenn einer der Gesamtschuldner die Leistung an den Gläubiger erbringt, werden die anderen Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Gläubiger von ihrer Leistungspflicht befreit: der Gläubiger hat ja dann alles erhalten, was er nach dem Vertrag fordern konnte. Ebenso wie die Erfüllung wirken sich auch andere Ereignis (z.B. Aufrechnung, Gläubigerverzug) nach §§ 422, 424 BGB zugunsten aller Gesamtschuldner aus (anders aber bei den Ereignissen in § 425 BGB). Im Innenverhältnis zu den anderen Gesamtschuldnern erwirbt der leistende Gesamtschuldner zunächst einen Ausgleichsanspruch auf den Anteil, der auf den oder die anderen Gesamtschuldner entfällt (§ 426 Abs. 1 BGB). Dabei geht das Gesetz von dem Grundsatz aus, dass jeder Gesamtschuldner zu gleichem Teil verpflichtet ist. Fällt einer Gesamtschuldner aus, müssen die anderen (auch der Ausgleichsberechtigte!) seinen Anteil übernehmen. Daneben erwirbt der leistende Gesamtschuldner im Wege einer Legalzession (vgl. §§ 398, 413 BGB) den Anspruch des Gläubigers, den er ebenfalls gegenüber den anderen Gesamtschuldnern geltend machen kann (§ 426 Abs. 2 BGB).

Problematisch ist es, wenn zwar mehrere Verpflichtete gesamtschuldnerisch haften (z.B. aufgrund von § 840 BGB), aber für einen der Verpflichteten gegenüber dem Gläubiger eine Haftungserleichterung oder ein Ausschluss besteht (sog. gestörtes Gesamtschuldnerverhältnis).



Beispiel:
Ehemann A fährt seine Frau F zum Einkaufen. An einer Kreuzung missachtet er leicht fahrlässig die Vorfahrtsregelung und stößt mit dem deutlich zu schnell fahrenden Auto des Z zusammen. F erleidet hierdurch erhebliche Kopfverletzungen. A und Z haben gemeinsam den Unfall, vor allem in seinem Umfang, verursacht. Sie sind nach § 840 BGB damit Gesamtschuldner. Wegen § 1359 BGB haftet der A der F aber „nur für diejenige Sorgfalt“, welche er „in eigenen Angelegenheiten anzuwenden“ pflegt (vgl. § 277 BGB). Wegen der leichten Fahrlässigkeit müsste A der F keinen Schadensersatz leisten. Es erscheint aber unbillig,wenn jetzt Z den gesamten Schaden
der F alleine ausgleichen müsste.



Die Lösung dieses Problems ist in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten. Teilweise wird ein sog. fingiertes Gesamtschuldverhältnis angenommen (BGHZ 12, 213; 35, 317), teilweise wird eine Inanspruchnahme des durch die Haftungserleichterung Privilegierten abgelehnt (BGHZ 103, 338, aber begrenzt auf familienrechtliche Haftungsprivilegien).

Siehe hierzu auch folgende Entscheidung:



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