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Urheberrecht
Fall 39 - Gedichte
K leitet an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg das Projekt „Klassikerwortschatz”, das zur Veröffentlichung der „Freiburger Anthologie” geführt hat, einer Sammlung von Gedichten aus der Zeit zwischen 1720 und 1933. Als Grundlage der Anthologie erarbeitete K eine Liste von Gedichttiteln, „Die 1100 wichtigsten Gedichte der deutschen Literatur zwischen 1730 und 1900”, die im Internet veröffentlicht wurde. Nach einer einleitenden Erläuterung führt diese Liste von Gedichttiteln – geordnet nach der Anzahl der Nennungen der Gedichte in verschiedenen Anthologien – Autor, Titel, Anfangszeile und Erscheinungsjahr jedes Gedichts an. Der Liste lag eine Auswahl von 14 unter insgesamt etwa 3000 Anthologien zu Grunde, zu der die bibliografische Zusammenstellung aus 50 deutschsprachigen Anthologien „Von wem ist das Gedicht?” von D hinzukam. Aus diesen Werken, die etwa 20000 Gedichte enthalten, wurden diejenigen Gedichte ausgewählt, die in mindestens drei Anthologien aufgeführt oder in der bibliografischen Sammlung von D mindestens dreimal erwähnt sind. Als Voraussetzung für die statistische Auswertung wurden die Titel und Anfangszeilen der Gedichte vereinheitlicht und eine Liste aller Gedichttitel erstellt. Schließlich wurden die Gedichte durch bibliografische Recherchen in den jeweiligen Werkausgaben nachgewiesen und ihr Entstehungsdatum ermittelt. Diese Arbeit, deren Kosten i.H. von insgesamt 34900 Euro die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg trug, nahm etwa zweieinhalb Jahre in Anspruch. Directmedia vertreibt eine CD-ROM „1000 Gedichte, die jeder haben muss”, die im Jahr 2002 erschienen ist. Von den Gedichten auf dieser CD-ROM stammen 876 aus der Zeit zwischen 1720 und 1900; hiervon sind 856 auch in der von K erarbeiteten Liste von Gedichttiteln benannt. Bei der Zusammenstellung der Gedichte auf ihrer CD-ROM hat sich Directmedia an dieser Liste orientiert. Sie hat einige der dort angeführten Gedichte weggelassen, andere hinzugefügt und die von K getroffene Auswahl jeweils kritisch überprüft. Die Gedichttexte selbst hat Directmedia eigenem digitalem Material entnommen. Da K und die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg der Ansicht waren, dass Directmedia durch die Verbreitung ihrer CD-ROM das Urheberrecht von K als Schöpfer eines Sammelwerks und das Leistungsschutzrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als „Datenbankherstellerin” verletzt habe, erhoben sie gegen Directmedia Klage auf Unterlassung und Schadensersatz. Zu Recht? |
LösungK und die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg können von Directmedia Unterlassung und Schadensersatz verlangen, wenn Directmedia durch die Verbreitung ihrer CD-ROM das Urheberrecht von K als Schöpfer eines Sammelwerks und das Leistungsschutzrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als „Datenbankherstellerin” verletzt hat. In Betracht kommt nur eine Verletzung des Datenbankrechts gem. § 87a UrhG. 1. Erforderlich ist dafür, dass es sich bei der von K erarbeiteten Liste von Gedichttiteln um eine „Datenbank” i.S. von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/9/EG handelt. Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, die die Kosten für die Erstellung der betreffenden Liste getragen habe, muss das mit der Richtlinie 96/9/EG geschaffene Schutzrecht sui generis in Anspruch nehmen könne, weil die Investition für Zusammenstellung, Überprüfung und Darstellung des Inhalts dieser Liste, die sich auf 34900 Euro belaufe, „wesentlich” i.S. von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie sei. Hiergegen bestehen keine Bedenken 2. Die Handlungen, die Directmedia durchgeführt hat, müssten eine „Entnahme” i.S. von Art. 7 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 96/9/EG ist. In dieser Bestimmung ist die Entnahme definiert als „die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts einer Datenbank auf einen anderen Datenträger, ungeachtet der dafür verwendeten Mittel und der Form der Entnahme”. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 96/9/EG gewährt dem Hersteller einer Datenbank, für die eine in qualitativer oder quantitativer Hinsicht wesentliche Investition erforderlich war, das Recht, die Entnahme der Gesamtheit oder eines Teils des Inhalts dieser Datenbank zu untersagen. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie soll es einem Hersteller ermöglichen, die wiederholte und systematische Entnahme unwesentlicher Teile des Inhalts der Datenbank zu untersagen, die durch ihre kumulative Wirkung darauf hinausliefe, ohne Erlaubnis des Herstellers die Datenbank in ihrer Gesamtheit oder einen Teil von ihr wiederzuerstellen und dadurch die Investition dieses Herstellers wie in den durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie erfassten Fällen der Entnahme schwer zu beeinträchtigen. Der Begriff der Entnahme wird in verschiedenen Bestimmungen des Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG verwendet, er ist daher im allgemeinen Kontext dieses Artikels auszulegen. Der Begriff setzt nicht voraus, dass die Datenbank oder der Teil von ihr, von dem aus die fragliche Handlung vorgenommen wird, in Folge dieser Handlung nicht mehr auf ihrem ursprünglichen Datenträger vorhanden ist. Die Verwendung der Formulierung „ungeachtet der dafür verwendeten Mittel und der Form” in Art. 7 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 96/9/EG spricht dafür, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber dem Begriff der Entnahme eine weite Bedeutung verleihen wollte. Daher ist der Begriff „Entnahme” i.S. von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG dahin zu verstehen, dass er jede unerlaubte Aneignung der Gesamtheit oder eines Teils des Inhalts einer Datenbank erfasst. Aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 96/9/EG ergibt sich, dass es für den Begriff der Entnahme nicht auf die eingesetzten Mittel und Formen ankommt. Entscheidendes Kriterium ist insoweit, ob eine „Übertragung” der Gesamtheit oder eines Teils des Inhalts der betreffenden Datenbank auf einen anderen – gleich- oder andersartigen – Datenträger vorliegt. Eine solche Übertragung setzt voraus, dass sich die Gesamtheit oder ein Teil des Inhalts einer Datenbank auf einem anderen Datenträger wiederfindet als auf dem der Ursprungsdatenbank. Ohne Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der Entnahme im Kontext der Richtlinie 96/9/EG ist, dass die Übertragung des Inhalts einer geschützten Datenbank in eine andere Anordnung der betroffenen Elemente als in der Ursprungsdatenbank mündet. Daher kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass nur solche Handlungen unter den Begriff der Entnahme fallen, mit denen mittels eines klassischen, im „Kopieren/Einfügen” bestehenden Verfahrens der Inhalt einer Datenbank oder eines Teils davon mechanisch, ohne Anpassung reproduziert wird. Der Begriff „Entnahme” i.S. von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG kann auch nicht auf Handlungen beschränkt werden, die die Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils einer geschützten Datenbank betreffen. Aus einer Gesamtschau der Abs. 1 und 5 des Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG ergibt sich, dass es für den Begriff der Entnahme nicht auf den Umfang der Übertragung des Inhalts einer geschützten Datenbank ankommt, da nach diesen Bestimmungen das mit der Richtlinie eingeführte Schutzrecht sui generis dem Hersteller einer Datenbank Schutz nicht nur gegen die Entnahme der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils des Inhalts seiner geschützten Datenbank bietet, sondern unter bestimmten Umständen auch gegen eine Entnahme, die sich auf einen unwesentlichen Teil des Inhalts bezieht. Dass sich eine Übertragung nicht auf einen wesentlichen und strukturierten Datenbestand in einer geschützten Datenbank bezieht, hindert somit nicht daran, diese Handlung dem Begriff „Entnahme” i.S. von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG zuzuordnen. Fraglich ist, ob es auf den mit der Übertragung verfolgten Zweck für die Frage ankommen kann, ob eine „Entnahme” i.S. von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG vorliegt, nicht an. So ist es unerheblich, ob Ziel der Übertragung die Erstellung einer anderen Datenbank ist, die mit der Ursprungsdatenbank im Wettbewerb steht oder nicht und die gleiche oder eine andere Größe hat, oder ob sich diese Handlung in den Rahmen einer anderen Tätigkeit als der Erstellung einer Datenbank einfügt. Auf den Zweck kommt es daher nicht an. Fraglich ist aber, ob durch diese weite Anwendung des Begriffs „Entnahme“ nicht ein Monopol an Informationen entsteht. Eine Datenbank begründet kein Eigentum an Informationen. Wenn man die Übernahme von Informationen aus dieser Datenbank zu den Handlungen zähle, die der Hersteller einer Datenbank auf Grund seines Schutzrechts sui generis untersagen könne, verstieße zum einen gegen die begründeten Rechte der Datenbankbenutzer auf freien Zugang zu Informationen und zum anderen würde die Entstehung von Monopolen oder der Missbrauch einer beherrschenden Stellung bei den Herstellern von Datenbanken gefördert. Der Schutz durch das Schutzrecht sui generis erstreckt sich nur auf Entnahme- und/oder Weiterverwendungshandlungen i.S. von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG bezieht. Dieser Schutz erstreckt sich dagegen nicht auf Handlungen, mit denen eine Datenbank abgefragt wird. Zwar kann derjenige, der eine Datenbank erstellt hat, sich ein ausschließliches Recht auf Zugang zu seiner Datenbank vorbehalten, den Zugang zu ihr bestimmten Personen vorbehalten oder auch diesen Zugang von besonderen Voraussetzungen, z.B. finanzieller Art, abhängig machen. Macht der Hersteller einer Datenbank deren Inhalt jedoch Dritten – und sei es gegen Entgelt – zugänglich, dann erlaubt sein Schutzrecht sui generis ihm nicht, sich den Abfragen dieser Datenbank durch Dritte zu Informationszwecken entgegenzustellen. Erst wenn für die Darstellung des Inhalts der Datenbank auf dem Bildschirm die ständige oder vorübergehende Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils dieses Inhalts auf einen anderen Datenträger erforderlich ist, kann die betreffende Abfrage von der Genehmigung des Inhabers des Schutzrechts sui generis abhängig gemacht werden. Im vorliegenden Fall will die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zwar die unerlaubte Übernahme von Elementen aus der von K erarbeiteten Liste von Gedichttiteln untersagen, gleichwohl aber Dritten gestattet, diese Liste abzufragen. Somit sind die darin gesammelten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich und können von ihr abgefragt werden. Der Gefahr einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs begegnet Art. 13 der Richtlinie 96/9/EG, der bestimmt, dass die Richtlinie die Rechtsvorschriften unberührt lässt, die insbesondere das Kartellrecht und den unlauteren Wettbewerb betreffen. Angesichts der Existenz von Instrumenten des Gemeinschafts- oder des innerstaatlichen Rechts, die geeignet sind, möglichen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln, wie z.B. Missbräuchen einer beherrschenden Stellung, zu begegnen, kann der Begriff „Entnahme” i.S. von Art. 7 der Richtlinie 96/9/EG nicht in einer Art und Weise ausgelegt werden, bei der dem Hersteller einer Datenbank der Schutz gegen Handlungen entzogen wird, die seine berechtigten Interessen verletzen könnten. |
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