Urheberrecht
Fall 43 - Biographie
Musikproduzent Dieter B. (B) hat die aktualisierte Fassung seiner Autobiographie an seinen Verleger V übergegeben. Da er sich bei der Ausarbeitung des Werkes in einem heftigen Streit mit seiner Freundin E befunden hatte – was schließlich auch zur vorübergehenden Trennung des Paares geführt hatte – , ist der Teil, der von seiner Beziehung zu E handelt, nicht gerade positiv für sie ausgefallen. Zwischenzeitlich wieder vereint, möchte B sein Glück nicht durch diese Passagen gefährdet wissen und hat deswegen V gebeten, diese nicht abzudrucken. Wie sich jedoch nach dem Druck der ersten 5.000 Exemplare herausstellt, hat V die Bitte des B vergessen. Der Verkauf der Bücher steht nun kurz bevor. Was kann B unternehmen? |
LösungA. B könnte gegen V einen Anspruch auf Beseitigung gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG haben. I. Voraussetzung hierfür ist eine widerrechtliche Verletzung von Urheberrechten des B. 1. Hier könnte ein Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht nach § 14 UrhG gegeben sein. a. Dann müsste zunächst die im Manuskript niedergelegte Autobiographie des B ein Werk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UrhG sein. Hiervon ist auszugehen. b. Des Weiteren müsste eine Entstellung i.S.d. § 14 UrhG vorliegen. Der Norm ist die Wertung zu entnehmen, dass allein der Urheber darüber entscheiden können soll, in welcher Gestalt sein Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. B hat den V darauf hingewiesen, gewisse Passagen der Autobiographie zu streichen. Dies hat V jedoch unterlassen und somit entgegen den geäußerten Vorstellungen des B gehandelt. Hierauf – und nicht etwa auf den Eindruck eines objektiven Beobachters – kommt es an, so dass hier von einer Verletzung der Rechte aus § 14 UrhG auszugehen ist. 2. Ferner könnte eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts des B gem. § 16 UrhG gegeben sein. Durch den Abschluss eines Verlagsvertrags über die Autobiographie hat B zwar auch das Vervielfältigungsrecht auf V übertragen, er hat dies jedoch nur in Bezug auf die um die fraglichen Passagen gekürzte Fassung getan. Da V das Werk in unveränderter Form abgedruckt hat, kommt somit eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts des B in Betracht. 3. Ein widerrechtliche Verletzung von Urheberrechten ist daher gegeben. II. Des Weiteren wird bei einem Beseitigungsanspruch vorausgesetzt, dass die Beeinträchtigung noch besteht (Störung). Die Störung muss also bereits eingetreten sein und auch noch andauern. 1. Hinsichtlich des Eingriffs in das Vervielfältigungsrecht nach § 16 UrhG könnte die Störung beendet sein, weil auch der Druckvorgang bereits abgeschlossen ist. Was die momentane Situation anbetrifft, so lässt sich feststellen, dass V zur Zeit keine Drucke der ungekürzten und ungenehmigten Fassung mehr vornimmt. Die Störung dauert also nicht mehr an. 2. Im Hinblick auf § 14 UrhG ist dagegen festzustellen, dass die Störung tatsächlich fortbesteht, denn das Werk ist nunmehr in einer Weise festgehalten, die den Vorstellungen des B nicht entspricht. Als problematisch ist es jedoch anzusehen, dass die Bücher zur Zeit nicht der Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG zugänglich gemacht werden. Es ist daher vertretbar, hier anzunehmen, dass das in § 14 UrhG geschützte Interesse des B am Erscheinungsbild des Werkes noch nicht nachteilig betroffen ist. In diesem Fall ist eine andauernde Beeinträchtigung abzulehnen. 3. Eine andauernde Störung ist daher nicht gegeben. III. Ein Anspruch auf Beseitigung gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG scheidet somit aus. B. B könnte gegen V einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG haben. I. Dies setzt zunächst eine widerrechtliche Verletzung der Urheberrechte des B voraus. Sobald V mit der Verbreitung des Buches in seiner nicht durch B genehmigten Fassung beginnt, kommt eine Entstellung i.S.d. § 14 UrhG in Betracht (vgl. o.). Im Übrigen ist hierin ein Verstoß gegen das Verbreitungsrecht des B zu sehen. Zwar hat dieser mit V einen Verlagsvertrag abgeschlossen, in dem er diesem das Verbreitungsrecht übertragen hat. Das übertragene Verbreitungsrecht bezog sich jedoch nur auf die gekürzte Fassung der Autobiographie. II. Für den Unterlassungsanspruch ist aber Voraussetzung, dass auch Wiederholungsgefahr vorliegt. Eine Wiederholungsgefahr könnte deswegen zu verneinen sein, weil V ja noch gar nicht mit dem Verkauf und damit mit der Verbreitung des Werkes begonnen hat. Ausreichend ist aber auch eine Erstbegehungsgefahr, folglich die Gefahr, dass der Anspruchsgegner durch sein erstmaliges Verhalten Rechtsgüter des Anspruchsberechtigten verletzt. Wie dem Sachverhalt zu entnehmen ist, steht der Verkauf kurz bevor. Erstbegehungsgefahr ist daher anzunehmen. III. Fraglich ist jedoch, ob B von V die vollständige Unterlassung der Verbreitung verlangen kann. Hiergegen könnte die Wertung aus § 98 Abs. 3 UrhG sprechen. Nach dieser Vorschrift sind die in § 98 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG vorgesehenen Ansprüche auf Vernichtung und Überlassung von Vervielfältigungstücken ausgeschlossen, wenn sie sich als unverhältnismäßig erweisen würden und sich der rechtswidrige Zustand auf andere Weise beseitigen ließe. Hieraus lässt sich der Grundsatz entnehmen, dass B den V, sobald entsprechende Vorkehrungen getroffen sind, wohl auch ansonsten nicht in seiner Verfügungsbefugnis gegenüber Dritten einschränken darf. Zu prüfen ist daher, ob hier die Voraussetzungen des § 98 Abs. 3 UrhG gegeben sind. Hier wäre eine Vernichtung der Exemplare durch Einstampfen als ein besonders schwerer Eingriff in die Rechte des V anzusehen. Als mildere Maßnahme, die ebenfalls zu einer Beseitigung der Rechtgutbeeinträchtigung führen würde, ist das Schwärzen der Exemplare zu nennen. Verhältnismäßigkeit bestünde daher mangels Erforderlichkeit nicht. Hieraus folgt, dass der Unterlassungsanspruch nicht etwa auf Unterlassung der Verbreitung der gedruckten Exemplare gerichtet werden darf, sondern dementsprechend nur auf Unterlassung der Verbreitung in der bisherigen Form ohne die geschwärzten Passagen. IV. Ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung in der Gestalt, in der die kritischen Passagen ungeschwärzt sind, ist daher gegeben. C. Zu denken wäre ferner an eine Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG wegen Verletzung des Vervielfältigungsrechts gem. § 16 UrhG. Hierfür wird zwar keine andauernde Störung verlangt, allerdings ein Verschulden. Zu denken wäre hier an ein zumindest fahrlässiges Verhalten des V. Allerdings ist hier ein materieller Schaden des B nicht ersichtlich. D. In Betracht könnte des Weitern ein Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 2 i.V.m. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG wegen Verletzung des § 14 UrhG kommen. Es bleibt jedoch zu beachten, dass allein der Vervielfältigungsakt ohne anschließende Verbreitung nur zu einer geringen Belastung der Urheberehre führt. Das Kompensationsbedürfnis erscheint hier daher fraglich. |
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