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Ungerechtfertigte Bereicherung


Das Bereicherungsrecht ist für die Praxis gewiss nicht so häufig relevant, wie das Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB), wird jedoch in seinen Grundkonstellationen immer wieder benötigt. Dabei sind die Regelungen der §§ 812 ff. BGB beim näheren Hinsehen sehr komplex. Nachstehend soll nach einem kurzen Überblick über die Vorschriften und deren systematische Einordnung die Prüfung von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung so geschildert werden, wie dies in der Praxis und in der Klausur auch vorzunehmen wäre.

A. Übersicht über die gesetzliche Regelung
Die zentralen Vorschriften des Bereicherungsrechts (§§ 812 ff. BGB) sind seine Anspruchsgrundlagen:
  • § 812 Abs. 1 BGB in dessen verschiedenen Alternativen - sowohl als Leistungskondiktion wie auch als Eingriffskondiktion
  • § 816 BGB
  • § 817 BGB
  • § 822 BGB

Die Anspruchsgrundlagen werden durch eine Reihe von Hilfsnormen ergänzt:
  • § 813 BGB ist für den Fall des § 812 I 1 1. Alt. BGB vorgesehen und erweitert die Anwendung dieser Anspruchsgrundlage auf Fälle, in denen eine Leistung einen Rechtsgrund hatte, aber trotz einer Einrede erfolgte;
  • § 814 BGB schließt § 812 I 1 1. Alt. BGB aus, wenn der Leistende das Fehlen des Rechtsgrundes bzw. Bestehen der Einrede (§ 813) kannte (so Abs. 1) oder wenn statt einer rechtlichen Pflicht zur Leistung eine sittliche bestand (Abs. 2);
  • § 815 BGB schließt eine andere Alternative des § 812 BGB aus: ein Anspruch gem. § 812 I 2 2. Alt. BGB (Leistungskondiktion in Form der sog. condictio ob rem) ist ausgeschlossen, wenn der Leistende wusste, dass der angestrebte Erfolg nicht eintreten kann oder den Eintritt dieses Erfolgs selbst treuwidrig verhindert hat;
  • § 817 S. 2 BGB schließt jede Form von Leistungskondiktion aus, wenn der Leistende durch seine Leistung gegen die guten Sitten verstoßen hat;

Eine besondere Bedeutung kommt den Regelungen in §§ 818 ff. BGB zu. Sie bestimmen, in welchem Umfang und nach welchen Prinzipien die Herausgabe der Bereicherung zu erfolgen hat. Demnach ist darin die Frage geregelt, worauf ein (dem Grunde nach) bestehender Anspruch auf Bereicherungsausgleich gerichtet ist und in welchem Umfang dieser im konkreten Fall zum Erfolg führt. Im Detail heißt das:
  • § 818 Abs. 1 BGB regelt den Grundsatz: herauszugeben ist nicht nur der erlangte Gegenstand, sondern auch alle Nutzungen und Surrogate;
  • nach § 818 Abs. 2 BGB ist bei Unmöglichkeit der Herausgabe der Wert zu ersetzen;
  • gem. § 818 Abs. 3 BGB hat der Anspruchsgegner die Möglichkeit, sich unter Umständen zum Teil oder ganz auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen;
  • in § 818 Abs. 4 BGB, § 819 BGB und § 820 BGB sind Verschärfungen für den Anspruchsgegner enthalten, die in bestimmten Konstellationen die Berufung auf Wegfall der Bereicherung verhindern.

Schließlich sieht § 821 BGB eine sog. Einrede der Bereicherung vor, auf die man sich auch dann berufen kann, wenn man eine Befreiung von der Verbindlichkeit wegen Verjährung gar nicht mehr verlangen könnte.


B. Prüfung von Ansprüchen


1. Einzelne Tatbestände der Leistungskondiktion
Die Leistungskondiktion kann unterschiedliche Formen annehmen. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:
    • condictio indebiti nach § 812 I 1 1. Alt. BGB, d. h. der klassische Fall einer Leistung ohne Rechtsgrund, also z. B. bei Zahlung aufgrund eines nichtigen Vertrages;
    • condictio ob causam finitam nach § 812 I 2 1. Alt. BGB, d. h. der Fall, in dem ein Rechtsgrund bei Leistung bestand, jedoch später weggefallen ist; typische Beispiele sind a) Eintritt einer auflösenden Bedingung, b) Auffinden des gestohlenen Fahrzeugs nach Auszahlung der Kaskoversicherung; teils wird vertreten, dass diese Vorschrift auch für den Fall der Anfechtung anzuwenden ist (zwar ist die Wirkung des § 142 BGB ex tunc, jedoch besteht hier bei Leistung ein Rechtsgrund);
    • condictio ob rem nach § 812 I 2 2. Alt., d. h. der besondere Fall, in dem mit der Leistung etwas bezweckt wurde, was sich nicht in der Erfüllung einer Rechtspflicht erschöpfte, wobei dieser beabsichtigte Erfolg nicht eingetreten ist; mit anderen Worten erfolgt hier die Leistung um den Empfänger zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, auf das der Leistende keinen Anspruch hat, (Musielak, Rn. 728); dies ist z. B. dann der Fall, wenn jemand auf einem Bauernhof Arbeit in der Erwartung leistet, dass er dauerhaft auf dem Hof wohnen kann und Unterhalt erhält;
    • condictio ob turpem vel iniustam causam nach § 817 S. 1 BGB, d. h. in den Fällen einer sittenwidrig erlangten Leistung; weil in solchen Fällen in der Regel auch schon der Rechtsgrund nichtig ist (und damit nach § 134 BGB bzw. nach § 138 BGB entfällt), kommt dieser Regelung kaum praktische Bedeutung zu;

2. Ausschluss der Leistungskondiktion
Die einzelnen Tatbestände der Leistungskondiktion können aus unterschiedlichen Gründen ausgeschlossen sein. Während § 814 BGB sich ausschließlich auf § 812 I 1 1. Alt. BGB bezieht, ist § 815 BGB für die Fälle des § 812 I 2 2. Alt. BGB vorgesehen.

§ 817 S. 2 BGB ist hingegen für alle Alternativen der Leistungskondiktion anzuwenden (also auch für § 812 Abs. 1). Allerdings ist diese strenge Rechtsfolge des § 817 S. 2 BGB - Ausschluss des Anspruchs auf Rückgewähr der rechtsgrundlosen Leistung - in manchen Fällen einzuschränken. Insbesondere dann, wenn im konkreten Fall § 138 BGB es bezweckt, eine der Parteien zu sanktionieren, darf § 817 S. 2 BGB nicht dazu führen, dass eine solche Sanktion auf Kosten der anderen, nicht derart verwerflich handelnden Partei unterbleibt.

Beispiel: Beteiligung an einem Schneeballsystem - die eingeworbenen Mitglieder können Rückzahlung der an Initiatoren bzw. früher eingetretene Mitglieder des Systems geleisteten Zahlungen verlangen, obwohl sie sich an diesem sittenwidrigen System selbst beteiligten.

3. Einzelne Tatbestände der Nichtleistungskondiktion
Auch die nicht infolge einer Leistung entstehenden Bereicherungsansprüche können unterschiedliche Formen annehmen. Dies sind:

a. Anspruch gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB
In § 812 I 1 2. Alt. BGB sind die wichtigsten Fälle der Nichtleistungskondiktion enthalten - unter anderem die sog. Eingriffskondiktion. Im Einzelnen sind das:
      • Eingriffskondiktion, bei welcher der Anspruchsgegner sich den Vermögensvorteil selbst verschafft; einfachstes Beispiel dafür ist ein Diebstahl oder Aneignung einer Lieferung, die nicht für den Anspruchsgegner bestimmt war;
      • Verwendungskondiktion, bei der die fremde Vermögenssphäre durch den Anspruchsteller begünstigt wird, ohne dass dies durch eine Leistung geschieht (in der Regel durch faktisches Handeln, z. B. eigene Sachen irrtümlich in fremdes Gebäude einbauen);
      • Rückgriffskondiktion, die eine Zahlung auf fremde Schuld darstellt, die jedoch keine Leistung ist (Beispiel: Pfandgläubiger zahlt dem Eigentumsvorbehaltsverkäufer den Restkaufpreis, damit dieser eine Verwertung des Pfands nicht verhindert); dieser Fall hat nur in besonderen, in der Regel sachenrechtlich geprägten Sachverhalten Bedeutung;
      • Bereicherung infolge zufälliger (z. B. Natur-)Vorgänge - z. B. wenn Düngemittel vom Feld des Anspruchstellers auf das Feld des Anspruchsgegners gespült werden;

b. Tatbestandsmerkmal "auf dessen Kosten"
Wegen der heute herrschenden Trennungstheorie bezieht sich das Merkmal "auf dessen Kosten" in § 812 I 1 BGB ausschließlich auf die Nichtleistungskondiktion des § 812 I 1 2. Alt. BGB. Dieser Prüfungspunkt hat bei dieser Anspruchsgrundlage eine besondere Bedeutung. Die Voraussetzung bedeutet, dass eine Bereicherung i. S. d. § 812 BGB nur dann vorliegt, wenn die jeweilige Vermögensposition gemäß ihrem Zuweisungsgehalt (eingriffstaugliche Rechtsposition) dem Anspruchsteller gehörte und durch den (Bereicherungsvorgang) unmittelbar vom Anspruchsteller auf den Anspruchsgegner übergegangen ist (Vermögensverschiebung). Die Bereicherung erfolgte auf Kosten des Anspruchstellers, wenn in seine vermögenswerte Rechtspositionen eingegriffen wurde.

Beispiel 1:
Wenn ein Gewerbetreibender Werbezettel verteilt, die seinen Wettbewerber in der Nachbarschaft diffamieren und dadurch höheren Umsatz erzielt (der Wettbewerber dafür geringeren), dann ist dies ein Fall für das Wettbewerbsrecht. Den Mehrumsatz kann man jedoch nicht als Bereicherung verlangen. Möglich sind lediglich deliktische Schadensersatzansprüche.

Beispiel 2:
Wenn ein Mieter die Wohnung weitervermietet, ohne den Vermieter um Erlaubnis zu fragen, könnte der Vermieter auf die Idee kommen, den Mietzins aus der Weitervermietung herauszuverlangen. Dieser Mieterlös ist jedoch kein Resultat eines Eingriffs in die Rechtssphäre des Vermieters, weil er den Besitz an der Sache bereits zugunsten des Mieters aufgegeben hat.
Anders ist die Rechtslage, wenn der Gegenstand gerade nicht vermietet wurde und auch nicht vermietet werden sollte und dennoch ohne Willen des Anspruchstellers (Eigentümers) vermietet wird und dadurch beim Anspruchsgegner (Bereicherten) Einnahmen erzielt werden.

c. Sonstige Anspruchsgrundlagen
Ein Teil der (besonderen) Fälle einer Eingriffskondiktion ist nicht in § 812 BGB geregelt, sondern
      • im speziellen § 816 BGB bzw.
      • in § 822 BGB.
Dabei regelt § 816 BGB folgende Spezialfälle:
      • Anspruch gegen den entgeltlich zum Nachteil des Anspruchstellers verfügenden Nichtberechtigten, § 816 I 1 BGB;
      • Anspruch gegen den unentgeltlich zum Nachteil des Anspruchstellers erwerbenden Vertragspartner des Nichtberechtigten, § 816 I 2 BGB; dabei ist der Unterschied zwischen § 816 I 2 und § 822 - die ja beide den Fall einer unentgeltlichen Verfügung regeln - dass bei § 816 ein Nichtberechtigter verfügt, während § 822 eine Verfügung eines Berechtigten voraussetzt;
      • Anspruch gegen den Leistungsempfänger, der unberechtigt eine Leistung des Schuldners des Anspruchstellers erlangt hat, § 816 II BGB.


C. Umfang des Bereicherungsanspruchs


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