Fallbeispiele Gesellschaftsrecht - Falllösung
Fall 12Die durch Erbschaft reich gewordenen Brüder A und B wollen ihrem arbeitslosen Freund F helfen. Zu dritt eröffnen sie daher im August 2002 in einer angemieteten Garage einen kleinen Baustoffhandel, der unter der Firma F-KG gegenüber Kunden, die ausschließlich Nachbarn und Freunde sind, und Lieferanten auftritt. F soll nach dem Gesellschaftsvertrag als persönlich haftender Gesellschafter das Unternehmen leiten, während A und B nur als Kommanditisten mit einer Einlage von jeweils 10.000 € beteiligt sein wollen. Allerdings sollen beide einen Beitrag von 15.000 € an die Gesellschaft leisten, was sie auch vereinbarungsgemäß tun. Das Unternehmen nimmt sofort nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Einverständnis aller Gesellschafter den Geschäftsbetrieb auf; Mitarbeiter werden nicht eingestellt. Aus Nachlässigkeit unterbleibt zunächst eine geplante Anmeldung zum Handelsregister. A kauft mit Zustimmung des F unter dem Namen der F-KG Ziegel und andere Baumaterialien im September 2002 zu einem Gesamtkaufpreis von 4.000 € bei Z, der eine Ziegelei betreibt. Nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister gemäß der gesellschaftsvertraglichen Verein-barungen im Dezember 2002 liefert Z nochmals Ziegel zum Kaufpreis von 5.000 €. Im Jahr 2002 hat das Unternehmen einen Gesamtumsatz von 12.500 €. Z erfährt im Februar 2003 von D, dass dieser den Anteil von B zwei Wochen zuvor für einen Preis von 16.000 € erworben habe. B hatte für den Verkauf seines Anteils die Zustimmung von A und F. D hat den Kaufpreis in Höhe von 13.000 € aus eigenen Mitteln aufgebracht; die restlichen 3.000 € hat er im Einverständnis mit A und F im Vorgriff auf den für das laufende Jahr zu erwartenden Gewinn zu Lasten seines Kapitalanteils entnommen. Die Forderungen des Z sind noch nicht beglichen. Z möchte wissen,1. ob er seinen Anspruch in Höhe von 4.000 € gegen A durchsetzen kann? 2. ob er von D den Kaufpreis in Höhe von 5.000 € verlangen kann? 3. ob und ggf. bis zu welcher Höhe B für die Forderung in Höhe von 5.000 € haftet? 4. ob und ggf. was noch im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht werden muss? |
Formulierungsvorschlag Fall 12
1. Ansprüche des Z gegen A in Höhe von 4.000 €
1.1 Z hat einen Anspruch gegen A auf Zahlung der 4.000 € nach § 176 I HGB, wenn A als Kommanditist für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, die aus einer mit Zustimmung des A aufgenommenen Geschäftstätigkeit vor Eintragung im Handelsregister stammen.
1.1.1 Die aus A, B und F bestehende Gesellschaft hat im August 2002 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen, obwohl sie erst im Dezember 2002 in das Handelsregister als KG eingetragen wurde.
1.1.2 Die Geschäftsaufnahme im August 2002 erfolgte mit Zustimmung des A.
1.1.3 Für die KG besteht gegenüber Z eine Verbindlichkeit nach § 433 II BGB in Höhe von 5.000 €.
1.1.4 A haftet als Kommanditist nach § 176 I HGB, wenn die Gesellschaft schon vor der Eintragung eine KG war. Nach §§ 123 II, 161 II HGB ist eine KG schon mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs entstanden. Die Haftung wie ein persönlich haftender Gesellschafter greift aber nach §§ 176 I 2, 2 HGB nur dann ein, wenn ein Handelsgewerbe nach § 1 II HGB vorliegt. Die F-KG als Kleinunternehmen ohne Angestellte mit einem Jahresumsatz von ca. 25.000 €, das nur einen begrenzten Kundenkreis hat, erfordert nach dem Gesamtbild keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb. Bei einem Kleinbetrieb – nach dem Handelsrechtsreformgesetz auch bei Handelsunternehmen – ist die Eintragung nach § 2 HGB konstitutiv für den Erwerb der Kaufmannseigenschaft.
1.1.5 Eine Haftung des A nach § 176 I HGB scheidet daher aus, weil er zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung kein Kommanditist war.
1.2 In Betracht kommt eine Haftung des A nach § 176 I HGB analog, wenn er wegen des Auftretens der Gesellschaft im Geschäftsverkehr als KG wie ein Kommanditist vor Eintragung der Gesellschaft haftet.
1.2.1 Zum Teil wird eine solche analoge Anwendung des § 176 I HGB mit dem Argument vertreten, dass der Scheinkommanditist nicht besser stehen dürfe als der nicht eingetragene Kommanditist. Durch das Auftreten unter ihrer Firma als KG behaupte die Gesellschaft konkludent, sie sei eine nicht sie sei eine eingetragene KG eingetragene KG. Dann müsse der Scheinkommandi-tist zumindest in Anlehnung an § 176 I HGB unbeschränkt haften.
1.2.2 Dagegen wird argumentiert, dass eine Rechtsscheinshaftung des Scheinkommanditisten nicht weiterreichen dürfe als im hypothetischen Fall die Rechtswirklichkeit. Die irrige Annahme, das nichtkaufmännische Unternehmen werde als kaufmännisches geführt, werde nicht durch die Rechtsscheinshaftung geschützt. Der Geschäftspartner könne sich bei Firmierung als KG nur auf die unbegrenzte Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters verlassen. Auch die Vorschrift des § 176 I 2 HGB wäre weitgehend bedeutungslos, wenn man nicht eine beschränkte Haftung des Scheinkommanditisten annähme.
1.2.3 Insbesondere die letztgenannten Argumente der zweiten Meinung überzeugen. Der Rechtsschein durch Auftreten als Gesellschafter reicht nicht weiter als wäre der Schein Wahrheit, also beschränkt entsprechend dem Gesellschaftsvertrag. Damit scheidet eine analoge Anwendung des § 176 I HGB aus.
1.3 A könnte aber für die Verbindlichkeit der KG gegenüber Z i.H.v. 4.000 € nach § 718 BGB haften. Dafür muss die KG vor ihrer Eintragung eine GbR sein und A für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt haften.
1.3.2 Die grundsätzlich unbeschränkte Haftung des BGB-Gesellschafters nach § 718 BGB kann aber aufgrund der gesellschaftsvertraglich vereinbarten Regelungen eingeschränkt sein. Nach dem Parteiwillen kann davon ausge-gangen werden, dass der vertretungsbefugte Gesellschafter die zukünftig nur als Kommanditist haftenden Gesellschafter nur bis zur Höhe ihrer versprochenen Einlage verpflichten darf. Tritt die Gründungs-KG unter ihrer KG-Firma auf, ist diese beschränkte Vertretungsmacht offenkundig, weil die KG das typische Instrument zur Haftungsbeschränkung einzelner Gesellschafter ist. Danach haftet A auch bei der GbR nur in Höhe seiner Einlage, also in Höhe von 10.000 €. Da die Forderung des Z nur 4.000 € beträgt, haftet A für diese Verbindlichkeit der Gründungs-KG nach § 718 BGB weil der Betrag der Verbindlichkeit niedriger ist als der für B A im Handelsregister eingetragene Betrag der Einlage. Die Tatsache, dass er seine Einlage an die Gesellschaft schon geleistet hat, befreit A nicht von der Haftung. Die Leistung des versprochenen Beitrags durch die beschränkt haftenden Gesellschafter ist durch das Auftreten als KG nicht erkennbar.
1.4 Eine persönliche Haftung des A nach § 179 I BGB als handelnder Vertreter ohne Vertretungsmacht scheidet nach der Eintragung der KG aus, weil die Gesellschaft dadurch Schuldnerin der Verbindlichkeit wird.
Ergebnis: Z kann von A die Zahlung der Verbindlichkeit der F-KG in Höhe von 4.000 € nach § 718 BGB verlangen.
2. Haftung von D für die Verbindlichkeit der KG gegenüber Z in Höhe von 5.000 € nach § 173 HGB
2.1 Die Übertragung des Kommanditanteils von B auf D müsste wirksam sein.
2.1.1 Die Übertragung wart trotz des Wortlauts von §§ 161 II, 105 II HGB, 719 I BGB nach §§ 305 BGB, 161 I HGB als Übertragung der Beteiligung an einem Schuldverhältnis durch Vertrag zwischen B und D mit Zustimmung von A und F als neben B an dem gesellschaftsrechtlichen Schuldverhältnis Beteiligten möglich.
2.1.2 Für die Übertragung war weder eine Zustimmung, noch eine Benachrichtigung des Z erforderlich, weil Z nur Gläubiger der KG, nicht aber an ihr beteiligt ist.
2.1.3 Die Übertragung des Kommanditanteils war wirksam.
2.2 D ist als Sonderrechtsnachfolger von B in die KG eingetreten und haftet deshalb nach § 173 HGB für alle Verbindlichkeiten der KG, die vor seinem Eintritt entstanden sind.
2.3 Für die KG besteht gegenüber Z eine Verbindlichkeit in Höhe von 5.000 € nach § 433 I BGB, die vor dem Eintritt von D in die KG entstanden ist.
2.4 D haftet für die Verbindlichkeit der KG gegenüber Z unbeschränkt, weil der Betrag der Verbindlichkeit niedriger ist als der für D in das Handelsregister eingetragene Betrag seiner Einlage.
2.5 Die Haftung von D ist nach § 171 I HGB ausgeschlossen, weil D Sonderrechtsnachfolger von B ist, dessen Haftung ausgeschlossen war, und weil die Haftung von D durch die Entnahme von 2.000 € nicht nach § 172 IV 2 HGB wieder aufgelebt ist.
Ergebnis: D haftet nicht für die Verbindlichkeit der KG gegenüber Z.
3. Anspruch des Z gegen B in Höhe von 5.000 € nach §§ 171 I, 161 II, 128, 159 I, II HGB
3.1 B war Kommanditist der KG und haftet deshalb nach §§ 171 I, 161 II, 128 HGB für alle Verbindlichkeiten der KG, die vor seinem Ausscheiden aus der KG entstanden sind.
3.2 Für die KG besteht gegenüber Z eine Verbindlichkeit nach § 433 II BGB in Höhe von 5.000 €, die vor dem Ausscheiden von B aus der KG begründet worden ist.
3.3 B haftet für die Verbindlichkeit der KG gegenüber Z unbeschränkt, weil der Betrag der Verbindlichkeit niedriger ist als der für B im Handelsregister eingetragene Betrag der Einlage.
3.4 Durch die Zahlung der 15.000 € an die KG, ist nach § 171 I HGB die Haftung des B in vollem Umfang ausgeschlossen.
3.5 Wiederaufleben der Haftung von B
3.5.1 Die Haftung von B lebt nicht deswegen nach § 172 IV HGB wieder auf, weil B bei seinem Ausscheiden nicht nach §§ 161 II, 105 II HGB, 738 BGB abgefunden worden ist.
3.5.2 Die Haftung des B lebt auch deswegen nicht wieder nach § 172 IV 1 HGB auf, dass B seinen Kommanditanteil und mit ihm seinen Kapitalanteil auf D übertragen hat, sofern im Handelsregister eingetragen ist, dass D als Sonderrechtsnachfolger von B in die KG eingetreten ist.
3.5.3 Die Haftung von B lebt nicht nach § 172 IV 2 HGB wieder auf, weil der Kapitalanteil von D in Höhe von 15.000 € trotz der Entnahme von 3.000 € nicht unter den im Handelsregister eingetragenen Betrag von 10.000 € gesunken ist.
Ergebnis: Angesichts der ausgeschlossenen und nicht wieder aufgelebten Haftung für den Kommanditisten B haftet dieser gegenüber Z nicht.
4. Eintragungen im Handelsregister
4.1 Nach §§ 162 III, I, 161 II, 106 II Nr. 1, 108 I, 143 I, II HGB sind von den Gesellschaftern A, D, und F sowie von B, das Ausscheiden von B und der Eintritt von D zum Handelsregister anzumelden.
4.2 Dieser Anmeldung entsprechend werden das Ausscheiden von C B und der Eintritt von D in Spalte 5 des für die KG beim zuständigen Amtsgericht in Abteilung A des Handelsregisters geführten Registerblatts eingetragen.
4.3 Nach §§ 10 I, 162 II HGB werden nur Aus- und Eintritt eines Kommanditisten im Bundesanzeiger und mindestens einem anderen Blatt bekannt gemacht.
4.4 Nicht erforderlich, aber möglich und mit Rücksicht auf die Haftung von B zweckmäßig, ist die Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung, dass D als Sonderrechtsnachfolger von B in die KG eingetragen ist.
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