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Thüringer Bauordnung | [ThürBO] | Kommentar | Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
§ 86 Ordnungswidrigkeiten |
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. einer nach § 87 Abs. 1 bis 4 erlassenen Rechtsverordnung oder einer nach § 88 Abs. 1 und 2 erlassenen Satzung zuwiderhandelt, sofern die Rechtsverordnung oder die Satzung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldbestimmung verweist, 2. einer vollziehbaren schriftlichen Anordnung der Bauaufsichtsbehörde zuwiderhandelt, die aufgrund dieses Gesetzes oder aufgrund einer nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnung oder Satzung ergangen ist, sofern die Anordnung auf diese Bußgeldbestimmung verweist, 3. ohne die erforderliche Genehmigung (§§ 62 und 63), Teilbaugenehmigung (§ 73) oder Zulassung der Abweichung (§ 66) oder abweichend davon oder abweichend von den nach § 61 eingereichten Vorlagen bauliche Anlagen errichtet, ändert, benutzt oder entgegen § 60 Abs. 3 Satz 2, 3 und 5 beseitigt, 4. Fliegende Bauten ohne Ausführungsgenehmigung (§ 75 Abs. 2 Satz 1) in Gebrauch nimmt oder ohne Anzeige und Abnahme (§ 75 Abs. 7) in Gebrauch nimmt, 5. entgegen den Bestimmungen des § 61 Abs. 3 oder des § 71 Abs. 6 Bauarbeiten beginnt, entgegen den Bestimmungen des § 81 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 Beginn und Beendigung bestimmter Arbeiten nicht anzeigt oder Arbeiten fortsetzt oder entgegen den Bestimmungen des § 81 Abs. 2 Satz 3 und 4 bauliche Anlagen benutzt, 6. die nach § 71 Abs. 8 vorgeschriebene Anzeige nicht oder nicht fristgerecht erstattet, 7. als Bauherr oder Unternehmer entgegen § 11 Abs. 4 Vorkehrungen zum Schutz von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Landschaftsbestandteilen nicht trifft, 8. Bauprodukte mit dem Ü-Zeichen kennzeichnet, ohne dass dafür die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 4 vorliegen, 9. Bauprodukte entgegen § 17 Abs. 1 Nr. 1 ohne das Ü-Zeichen verwendet, 10. Bauarten entgegen § 21 Abs. 1 oder einer aufgrund des § 21 Abs. 2 erlassenen Rechtsverordnung ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis oder Zustimmung im Einzelfall anwendet, 11. als Bauherr, Entwurfsverfasser, Unternehmer, Bauleiter oder als deren Vertreter den Bestimmungen des § 53 Abs. 1, des § 54 Abs. 1 Satz 3, des § 55 Abs. 1 oder des § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 zuwiderhandelt, 12. entgegen § 5 Abs. 2 Zu- oder Durchfahrten sowie Aufstell- und Bewegungsflächen nicht ständig frei hält oder Fahrzeuge dort abstellt, 13. Anlagen, die keiner Genehmigung nach § 63 bedürfen, entgegen § 50 nicht barrierefrei ausführt. (2) Ordnungswidrig handelt auch, wer wider besseres Wissen 1. unrichtige Angaben macht oder unrichtige Pläne oder Unterlagen vorlegt, um einen nach diesem Gesetz vorgesehenen Verwaltungsakt zu erwirken oder zu verhindern, 2. als Prüfingenieur unrichtige Prüfberichte erstellt, 3. unrichtige Angaben in dem Kriterienkatalog nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 macht. (3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden. (4) Ist eine Ordnungswidrigkeit nach Absatz 1 Nr. 8 bis 10 begangen worden, können Gegenstände, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht, eingezogen werden. (5) Zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 bis 10 die oberste Bauaufsichtsbehörde, in den übrigen Fällen die untere Bauaufsichtsbehörde. |
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
Die Regelungen über die Ordnungswidrigkeiten (bisher § 81) sind im Wesentlichen unverändert.
Absatz 1 bestimmt, welche Handlungen Ordnungswidrigkeiten darstellen.
Nummer 1 enthält keinen eigenständigen Ordnungswidrigkeitentatbestand, sondern ermöglicht die Festlegung des bußgeldbewehrten Verhaltens in einer aufgrund der Thüringer Bauordnung erlassenen Rechtsverordnung oder Satzung. Ergänzend zur Festlegung des Ordnungswidrigkeitentatbestands muss die Rechtsverordnung oder Satzung auf § 86 Abs. 1 Nr. 1 verweisen.
Nummer 2 enthält eine der Nummer 1 entsprechende Regelung für vollziehbare Anordnung der Bauaufsichtsbehörde.
Nummer 3 pönalisiert das Bauen ohne oder abweichend von einer erforderlichen Baugenehmigung, Teilbaugenehmigung oder Abweichung, die Beseitigung einer Anlage ohne Erstattung der Anzeige nach § 60 Abs. 3 Satz 2 bzw. vor Ablauf der dort geregelten Monatsfrist sowie das Bauen abweichend von den im Genehmigungsfreistellungsverfahren eingereichten Unterlagen, dem ein grundsätzlich vergleichbarer Unrechtsgehalt zukommt wie dem Bauen ohne oder abweichend von einer Baugenehmigung.
Nummer 4 bestimmt, inwieweit das formell unzulässige Betreiben eines Fliegenden Baus eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
Nach Nummer 5 stellen der vorzeitige Baubeginn, die Nichtanzeige von Bauarbeiten und die Nutzungsaufnahme vor Herstellung der erforderlichen Erschließungsanlagen und Abnahme der Abgasanlagen Ordnungswidrigkeiten dar.
Nach Nummer 6 ist das Bauen ohne Baubeginnsanzeige eine Ordnungswidrigkeit.
Nummer 7 soll den nach § 11 erforderlichen Schutz von Bäumen, Sträuchern und Landschaftsbestandteilen während der Bauarbeiten sicherstellen.
Nach den Nummern 8 bis 10 sind Verstöße gegen die Bestimmungen zur Verwendung von Bauprodukten bußgeldbewehrt.
Nach Nummer 11 sind Verstöße der am Bau Beteiligten gegen die für sie geltenden allgemeinen Verpflichtungen Ordnungswidrigkeiten.
Nummer 12 soll die Freihaltung der Flächen für die Feuerwehr gewährleisten. Die Bestimmung richtet sich nicht nur gegen den Eigentümer einer Anlage sondern auch gegen Dritte, insbesondere gegen Fahrzeugführer.
Nach Nummer 13 ist die entgegen § 50 nicht barrierefreie Ausbildung einer Anlage bußgeldbewehrt, wenn für die Errichtung oder Änderung der Anlage keine Baugenehmigung nach § 63 erforderlich ist. Dies betrifft sowohl nach § 60 verfahrensfreie Anlagen als auch solche Anlagen, für die ein Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 61 oder ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 62 durchgeführt wurde. Vorhaben, die nach § 63 zu genehmigen sind, werden ausgenommen, da bei diesen im Baugenehmigungsverfahren die Anforderungen der Bauordnung geprüft werden und damit die Verpflichtung zur barrierefreien Ausgestaltung durch die Baugenehmigung konkretisiert wird. Ein Verstoß gegen die Baugenehmigung ist jedoch bereits nach der Nummer 3 bußgeldbewehrt.
Absatz 2 Nr. 1 ist an § 213 Abs. 1 Nr. 1 BauGB angelehnt. Die Bestimmung erfasst nicht nur Handlungen in der Sphäre des Bauherrn, sondern auch von Dritten, beispielsweise von Nachbarn, die durch falsche Angaben Baumaßnahmen verhindern wollen. Ein aufgrund falscher Angaben erteilte Baugenehmigung kann nach § 48 ThürVwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen zurückgenommen werden. Nummer 2 soll die ordnungsgemäße Tätigkeit der Prüfingenieure auch ordnungswidrigkeitenrechtlich absichern. Neu aufgenommen wurde die Nummer 3, nach der unrichtige Angaben im Kriterienkatalog nach § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Ordnungswidrigkeiten sind. Die Aufnahme erfolgt, da bei unrichtigen Angaben eine an sich erforderliche Prüfung des Standsicherheitsnachweises unterbleibt, wodurch erhebliche Gefahren entstehen können.
Absatz 3 lässt Bußgelder bis zu fünfhunderttausend Euro zu.
Nach Absatz 4 können Gegenstände, auf die sich Ordnungswidrigkeiten beziehen, eingezogen werden. Ergänzende bei der Einziehung zu beachtende Voraussetzungen enthält § 22 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
Absatz 5 regelt die Zuständigkeiten für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. Abweichend von der allgemeinen Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde für den Vollzug des Gesetzes ist bei Verstößen gegen bauproduktenrechtliche Regelungen die oberste Bauaufsichtsbehörde zuständig. Diese Zuständigkeit korrespondiert auch mit den Aufgaben der obersten Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Verwendung von Bauprodukten.
3. Verwaltungsvorschrift
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 86.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
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