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Thüringer Bauordnung [ThürBO]

Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune



§ 58
Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden



(1) Die Bauaufsichtsbehörden haben bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, soweit nicht andere, sachnähere Behörden zuständig sind. Sie haben in Wahrnehmung dieser Aufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

(2) Soweit die Bestimmungen der §§ 12 bis 50 und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften nicht ausreichen, um die Anforderungen nach § 3 zu erfüllen, können die Bauaufsichtsbehörden im Einzelfall auch weiter gehende Anforderungen stellen, um erhebliche Gefahren abzuwehren.

(3) Bauaufsichtliche Genehmigungen und sonstige Maßnahmen gelten auch für und gegen Rechtsnachfolger.

(4) Die mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragten Personen sind berechtigt, in Ausübung ihres Amts Grundstücke und bauliche Anlagen einschließlich der Wohnungen zu betreten. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wird insoweit eingeschränkt (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 8 der Verfassung des Freistaats Thüringen).












Kommentierung







A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


Absatz 1 beschreibt umfassend die Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden. Die Regelung wird ergänzt durch spezielle Befugnisnormen wie insbesondere die §§ 11 bis 79. Die Worte "… soweit nicht andere, sachnähere Behörden zuständig sind" stellen eine Kollisionsregel für Fälle des positiven Zuständigkeitskonflikts dar. Die Aufgabenzuweisung an die Bauaufsichtsbehörden wird damit grundsätzlich subsidiär ausgestaltet; eine bauaufsichtliche Aufgabe besteht nicht, wenn die Überwachung der Einhaltung bestimmter öffentlich-rechtlicher Anforderungen anderen (Fach-) Behörden zugewiesen ist. Damit wird insbesondere auch der Möglichkeit von Doppelzuständigkeiten und daraus resultierenden widersprüchlichen Regelungen im Einzelfall vorgebeugt. Die Regelung beschränkt die in spezielleren Bestimmungen enthaltenen Befugnisse, die grundsätzlich ein Einschreiten bei allen Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften erlauben dahin gehend, dass eine Zuständigkeit dann nicht besteht, wenn andere sachnähere Behörden (auch) zuständig sind.

Absatz 2 ermöglicht den Bauaufsichtsbehörden in Ausnahmefällen weitergehende Anforderungen zu stellen, soweit im Einzelfall die materiellen Anforderungen des Bauordnungsrechts zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen. Der Anwendungsbereich wird sich auf seltene Fälle beschränken, da Gefahren vorrangig bei Sonderbauten zu erwarten sind und insoweit § 51 eine speziellere Regelung zur Gefahrenabwehr enthält.

Absatz 3 verallgemeinert den auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsatz der aus der Grundstücksbezogenheit folgenden "Dinglichkeit" bauaufsichtlicher Entscheidungen, die bewirkt, dass sie auch für und gegen die jeweiligen Rechtsnachfolger gelten.

Absatz 4 enthält ein für den Vollzug der Thüringer Bauordnung wesentliches Betretungsrecht für Grundstücke und Wohnungen. Dieses Betretungsrecht hat dann Bedeutung, wenn der Eigentümer oder sonstige Verfügungsberechtigte den Zutritt nicht freiwillig einräumt, was insbesondere bei der Verfolgung ungenehmigter Baumaßnahmen oder absehbaren Anordnungen zur Gefahrenabwehr der Fall sein kann. Die Durchsetzung des Betretungsrechts erfordert gegebenenfalls den Erlass einer Duldungsanordnung und die Einleitung von Verwaltungszwangsmaßnahmen nach dem Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz.


3. Verwaltungsvorschrift


58.1.1 Die Überwachungspflicht der Bauaufsichtsbehörden gilt unabhängig davon, ob es sich um verfahrens- oder genehmigungsbedürftige Anlagen handelt oder nicht. Auch gegen verfahrensfreie aber materiell rechtswidrige Baumaßnahmen ist i.d.R. einzuschreiten. Dabei sind unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geeignete Mittel zur Erreichung des Regelungszwecks der Vorschrift zu wählen (einschließlich Nutzungsuntersagung und Beseitigungsverfügung).

58.1.2 “Öffentlich-rechtliche Vorschriften” i.S. des Satzes 1 umfassen über das Bauordnungsrecht hinaus das gesamte öffentliche Recht, soweit dieses baulichen Bezug hat. Andere Behörden sind jedenfalls dann sachnäher und damit vorrangig zuständig, wenn die materielle Zulässigkeit einer Maßnahme vorrangig von einem anderen Fachrecht abhängt (so stellt die Verfüllung eines nach § 18 Abs. 1 Nr. 6 ThürNatG gesetzlich geschützten Hohlwegs mit belastetem Material nach § 2 Abs. 1 zwar auch eine bauliche Anlage dar, ist aber vorrangig unter umweltrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen). Das gilt jedoch nicht für die Durchführung der Baugenehmigungsverfahren, die immer Aufgabe der Bauaufsichtsbehörden ist.

58.1.3 Die allgemeine Befugnisnorm erlaubt es den Bauaufsichtsbehörden, zur Einhaltung der allgemeinen Anforderungen des § 3 Abs. 1 im Einzelfall Anforderungen zu stellen, die nicht ausdrücklich geregelt sind. So kann z.B. aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Einfriedung eines Baugrundstückes gefordert oder verboten werden (vgl. § 10 ThürBO 1994).

58.1.4 Schließt die Baugenehmigung andere Genehmigungen ein, beteiligt die Bauaufsichtsbehörde die jeweilige Fachbehörde bei der Überwachung der Baumaßnahme und gibt ihr Gelegenheit zur Teilnahme an Ortseinsichten. Werden bei der Überwachung Verstöße gegen die Baugenehmigung und sonstiges öffentliches Recht festgestellt, sollte zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen die Bauaufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen auch insoweit anordnen, als gegen fachrechtliche Auflagen verstoßen wurde. Eine andere Handhabung ist unter Berücksichtigung des Kriteriums der Sachnähe sinnvoll, wenn nur eine bestimmte Fachbehörde ausschließlich oder weit überwiegend betroffen ist und sich damit die Tätigkeit der Bauaufsichtsbehörde auf die Weiterleitung von Schreiben beschränken würde.

58.2 Zur Gefahrenabwehr und Sicherung der Schutzziele nach § 3 sind nicht nur bei Sonderbauten (§ 51) sondern bei allen Anlagen weiter gehende Anforderungen als nach den §§ 12 bis 50 möglich. Diese Auffangregelung ist geeignet, im begründeten Einzelfall zur Abwehr von erheblichen Gefahren erhöhte Anforderungen zu stellen.



B. Normauslegung

















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 58.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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