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Thüringer Bauordnung | [ThürBO] | Kommentar | Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
§ 17 Bauprodukte |
(1) [1] Bauprodukte dürfen für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen nur verwendet werden, wenn sie für den Verwendungszweck 1. von den nach Absatz 2 bekannt gemachten technischen Regeln nicht oder nicht wesentlich abweichen (geregelte Bauprodukte) oder nach Absatz 3 zulässig sind und aufgrund des Übereinstimmungsnachweises nach § 22 das Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) tragen oder 2. nach den Vorschriften a) der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates (ABl. L 88 vom 4. April 2011, S. 5), b) anderer unmittelbar geltender Vorschriften der Europäischen Union oder c) zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union, soweit diese die Grundanforderungen an Bauwerke nach Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 berücksichtigen, in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen, insbesondere die CE-Kennzeichnung (Artikel 8 und 9 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 tragen und dieses Zeichen die nach Absatz 7 Nr. 1 festgelegten Leistungsstufen oder -klassen ausweist oder die Leistung des Bauprodukts angibt. Sonstige Bauprodukte, die von allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht abweichen, dürfen auch verwendet werden, wenn diese Regeln nicht in der Bauregelliste A bekannt gemacht sind. Sonstige Bauprodukte, die von allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichen, bedürfen keines Nachweises ihrer Verwendbarkeit nach Absatz 3. (2) Das Deutsche Institut für Bautechnik macht im Einvernehmen mit der obersten Bauaufsichtsbehörde für Bauprodukte, für die nicht nur die Bestimmungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 maßgebend sind, in der Bauregelliste A die technischen Regeln bekannt, die zur Erfüllung der in diesem Gesetz und in Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes an bauliche Anlagen gestellten Anforderungen erforderlich sind. Diese technischen Regeln gelten als Technische Baubestimmungen im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1. (3) Bauprodukte, für die technische Regeln in der Bauregelliste A nach Absatz 2 bekannt gemacht worden sind und die von diesen wesentlich abweichen oder für die es Technische Baubestimmungen oder allgemein anerkannte Regeln der Technik nicht gibt (nicht geregelte Bauprodukte), müssen 1. eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (§ 18), 2. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (§ 19) oder 3. eine Zustimmung im Einzelfall (§ 20) haben. Ausgenommen sind Bauprodukte, die für die Erfüllung der Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes nur eine untergeordnete Bedeutung haben und die das Deutsche Institut für Bautechnik im Einvernehmen mit der obersten Bauaufsichtsbehörde in einer Liste C öffentlich bekannt gemacht hat. (4) Die oberste Bauaufsichtsbehörde kann durch Rechtsverordnung vorschreiben, dass für bestimmte Bauprodukte, auch soweit sie Anforderungen nach anderen Rechtsvorschriften unterliegen, hinsichtlich dieser Anforderungen bestimmte Nachweise der Verwendbarkeit und bestimmte Übereinstimmungsnachweise nach Maßgabe der §§ 17 bis 20 und der §§ 22 bis 25 zu führen sind, wenn die anderen Rechtsvorschriften diese Nachweise verlangen oder zulassen. (5) Bei Bauprodukten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, deren Herstellung in außergewöhnlichem Maße von der Sachkunde und Erfahrung der damit betrauten Personen oder von einer Ausstattung mit besonderen Vorrichtungen abhängt, kann in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, in der Zustimmung im Einzelfall oder durch Rechtsverordnung der obersten Bauaufsichtsbehörde vorgeschrieben werden, dass der Hersteller über solche Fachkräfte und Vorrichtungen verfügt und den Nachweis hierüber gegenüber einer Prüfstelle nach § 25 Satz 1 Nr. 6 zu erbringen hat. In der Rechtsverordnung können Mindestanforderungen an die Ausbildung, die durch Prüfung nachzuweisende Befähigung und die Ausbildungsstätten einschließlich der Anerkennungsvoraussetzungen gestellt werden. (6) Für Bauprodukte, die wegen ihrer besonderen Eigenschaften oder ihres besonderen Verwendungszwecks einer außergewöhnlichen Sorgfalt bei Einbau, Transport, Instandhaltung oder Reinigung bedürfen, kann in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, in der Zustimmung im Einzelfall oder durch Rechtsverordnung der obersten Bauaufsichtsbehörde die Überwachung dieser Tätigkeiten durch eine Überwachungsstelle nach § 25 Satz 1 Nr. 5 vorgeschrieben werden. (7) [2] Das Deutsche Institut für Bautechnik kann im Einvernehmen mit der obersten Bauaufsichtsbehörde in der Bauregelliste B 1. festlegen, welche Leistungsstufen oder -klassen nach Artikel 27 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 oder nach Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien der Europäischen Union Bauprodukte nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 erfüllen müssen, und 2. bekannt machen, inwieweit Vorschriften zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union die Grundanforderungen an Bauwerke nach Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 nicht berücksichtigen. [1] Absatz 1 in Kraft mit Wirkung vom 1. Juli 2013 [2] Absatz 7 in Kraft mit Wirkung vom 1. Juli 2013 |
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
Absatz 1 enthält die allgemeinen Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten.
Für Bauprodukte nach Satz 1 Nr. 1 sind die in der nach Absatz 2 bekannt gemachten Bauregelliste enthaltenen technischen Regeln maßgeblich. Entsprechen die Bauprodukte diesen Regeln, handelt es sich um geregelte Bauprodukte, die ohne weiteren Verwendbarkeitsnachweis eingesetzt werden dürfen. Entsprechen sie den Regeln nicht (ungeregelte Bauprodukte) ist nach Absatz 3 ein besonderer Verwendbarkeitsnachweis erforderlich. In beiden Fällen ist zusätzlich ein Übereinstimmungsnachweis im Sinne des § 22 erforderlich.
Nach dem bisher geltenden § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dürfen Bauprodukte für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen unter anderem verwendet werden, wenn sie - Buchstabe a - nach den Vorschriften des Bauproduktengesetzes (BauPG) oder - Buchstabe b - nach Vorschriften zur Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen, insbesondere das Zeichen der Europäischen Union (CE-Kennzeichnung) tragen und dieses Zeichen die nach Absatz 7 Nr. 1 festgelegten Klassen- und Leistungsstufen ausweist oder die Leistung des Bauprodukts angibt. Die Bauproduktenrichtlinie ist durch Artikel 65 Abs. 1 der Verordnung(EU) Nr. 305/2011 aufgehoben worden. Da diese Verordnung unmittelbar gilt, bedarf sie keiner Umsetzung ins nationale Recht; die einschlägigen Transformationsvorschriften des Bauproduktengesetzes in der Fassung vom 28. April 1998 (BGBl. I S. 812) in der jeweils geltenden Fassung sind damit gegenstandslos, sodass ihre Inbezugnahme im bisherigen § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ins Leere geht. Buchstabe b ist an die neue Rechtslage anzupassen.
Die Sätze 2 und 3 enthalten weitere Alternativen der Verwendbarkeit von Bauprodukten. Bei beiden Varianten gibt es für die Bauprodukte allgemein anerkannte Regeln der Technik, die aber nicht durch Aufnahme in die Bauregelliste A verbindlich geworden sind. Die Bauprodukte dürfen unabhängig davon verwendet werden, ob sie diesen allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen oder nicht. Für sie ist weder ein Verwendbarkeits- noch ein Übereinstimmungsnachweis erforderlich. Für ihre Verwendbarkeit gelten aber die allgemeinen Anforderungen des § 3.
Absatz 2 bestimmt den Inhalt der Bauregelliste A und die Zuständigkeit zur Bekanntmachung. Die Bauregelliste A bestimmt für die in ihr aufgeführten Bauprodukte, welche technischen Regeln zu beachten sind. Bei wesentlichen Abweichungen ist ein Verwendbarkeitsnachweis nach Absatz 3 erforderlich. Bei unwesentlichen Abweichungen ist das Bauprodukt nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ohne weiteren Nachweis verwendbar. Die Bauregelliste A wird ebenso wie die Bauregelliste B nach Absatz 7 und die Liste C nach Absatz 3 Satz 2 vom Deutschen Institut für Bautechnik im Einvernehmen mit der obersten Bauaufsichtsbehörde bekannt gemacht.
Absatz 3 regelt die Verwendbarkeit von ungeregelten Bauprodukten. Dabei handelt es sich entweder um Bauprodukte, die von in der Bauregelliste A bekannt gemachten Regeln wesentlich abweichen oder um Bauprodukte, für die es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gibt. Für sie sind besondere Verwendbarkeitsnachweise erforderlich. Ob eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis erforderlich ist, wird nach § 19 ebenfalls in der Bauregelliste A bekannt gemacht. Nach Satz 2 ist bei in der Liste C aufgeführten ungeregelten Bauprodukten, die für die Erfüllung bauaufsichtlicher Anforderungen nur eine untergeordnete Bedeutung haben, kein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich.
Absatz 4 ermöglicht im Interesse der Hersteller von Bauprodukten, bei der Erteilung von Verwendbarkeitszeugnissen auch Anforderungen anderer Rechtsbereiche zu prüfen. Dadurch werden Doppelprüfungen vermieden. Aufgrund der bisher in § 20 Abs. 4 enthaltenen Ermächtigung wurde die Thüringer Verordnung zur Feststellung der wasserrechtlichen Eignung von Bauprodukten und Bauarten vom 20. Juli 2007 (GVBl. S. 94) in der jeweils geltenden Fassung erlassen.
Die Absätze 5 und 6 betreffen Bauprodukte, deren Herstellung, Einbau, Transport, Instandhaltung oder Reinigung besonderer Kenntnisse oder Sorgfalt oder besonderer Einrichtungen bedarf. Bei diesen Bauprodukten kann in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, in der Zustimmung im Einzelfall oder durch Rechtsverordnung der obersten Bauaufsichtsbehörde vorgeschrieben werden, dass der Hersteller besondere Anforderungen erfüllt oder der Umgang mit diesen Bauprodukten besonders überwacht wird. Eine entsprechende Bestimmung in allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen wird nicht vorgesehen, da deren Erteilung nach § 19 Abs. 1 nur für weniger problematische Bauprodukte in Betracht kommt.
Absatz 7 regelt den Inhalt der Bauregelliste B. Je nach klimatischen, geografischen oder sonstigen Besonderheiten in den Mitgliedstaaten können an Bauprodukte für einen bestimmten Verwendungszweck unterschiedliche Anforderungen zu stellen sein. Soweit Normen der Europäischen Union unterschiedliche Leistungsstufen oder -klassen regeln, kann in der Bauregelliste B festgelegt werden, welche für die Verwendung in Thüringen zu erfüllen ist. Nach Nummer 2 kann bekannt gemacht werden, inwieweit Regelungen der Europäischen Union die Grundanforderungen an Bauwerke nicht berücksichtigen und damit zusätzliche Anforderungen gestellt werden können oder müssen.
3. Verwaltungsvorschrift
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 17.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
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