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Dies ist eine alte Version von InfoRFallloesungAutokauf erstellt von Jorina Lossau am 2013-02-28 16:01:52.
Informationsrecht
Fall 17 - Autokauf
Autoliebhaber Volker Vollgas (V) findet bei einer ausgiebigen Suche im Internet seinen Traumwagen auf der Seite der Upel-AG (U). Geistesgegenwärtig wirft er spontan alle Bedenken gegen diese Art des Autokaufs beiseite und bestellt das Modell. Eine ordnungsgemäße Belehrung findet dabei in allen relevanten Punkten statt. Eine Woche später steht der Wagen komplett zugelassen und abholbereit auf dem Hof der entsprechenden Niederlassung der U. Die erste Euphorie bei V ist indes längst verflogen. Als er dann beim Abholtermin erstmals auch noch auf den immensen Benzinverbrauch des Wagens aufmerksam wird, verlässt ihn endgültig die Lust - er widerruft formgerecht den Vertrag. Die U verlangt demgegenüber Ersatz des Wertverlusts für die Erstzulassung des Wagens in Höhe von 5000 €. Zu Recht? |
Lösung
I. Ein Anspruch der U gegen V auf Zahlung der 5000 € könnte sich aus §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 ergeben.
1. Dazu müsste ein zunächst wirksamer Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer wirksam widerrufen worden sein. An einem wirksamen Kaufvertrag über den Wagen zwischen dem V in seiner Eigenschaft als Verbraucher und der ordnungsgemäß vertretenen U-AG als Unternehmerin bestehen keine Zweifel. Ein Widerrufsrecht i.S.d. § 355 Abs. 1 könnte hier aus einem Fernabsatzgeschäft gem. § 312b folgen. Der Vertrag zwischen U und V wurde via Internet, mithin mittels eines Fernkommunikationsmittels i.S.d. § 312b Abs. 2 geschlossen. Für einen Ausschluss nach § 312b Abs. 3 ist vorliegend nichts ersichtlich. Weiterhin hat V den Vertrag nach den Angaben des Sachverhalts form-, und infolge der Unverzüglichkeit am Tag der Warenübergabe jedenfalls auch fristgerecht (§ 355) widerrufen. Damit wären grundsätzlich nach der Rechtsfolge des § 346 Abs. 1 die empfangenen Leistungen und Nutzungen zurückzugewähren. Für Nutzungen ist, nach der Natur der Sache, regelmäßig entsprechender Wertersatz zu leisten, § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1.
2. Fraglich ist jedoch, ob es sich bei dem durch die Zulassung entstandenen Wertverlust um eine Nutzung handelt. Nutzungen sind gem. § 100 sowohl die Früchte einer Sache als auch deren Gebrauchsvorteile. Nach den Angaben des Sachverhalts hat V jedoch noch gar keinen Gebrauchsvorteil aus dem Wagen gezogen.
Ein Anspruch des U gegen V aus §§ 357, 346 Abs. 1 scheidet daher aus.
II. Ein solcher könnte sich aber aus §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ergeben.
1. Die Voraussetzungen für ein durch Widerruf des V bedingtes gesetzliches Rücktrittsrecht nach § 346 i.V.m. § 357 Abs. 1 liegen vor (s.o.).
2. Der empfangene Gegenstand müsste sich zudem gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 verschlechtert haben oder untergegangen sein. Durch die Zulassung des Wagens ist eine erhebliche Wertminderung in Höhe von 5000 € eingetreten. Eine Verschlechterung des Empfangenen ist damit in wirtschaftlicher Hinsicht zu bejahen.
3. Allerdings stünde der Berücksichtigung dieses Schadens § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a.E. entgegen, wenn es sich hierbei um die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache handeln würde. Die Zulassung eines Autos ist gerade eine zwangsläufige Bedingung dafür, es ordnungsgemäß im Straßenverkehr in Betrieb nehmen zu können. Demnach wäre der Wertverlust durch die Zulassung grundsätzlich nicht über § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 nicht ersatzfähig.
4. Gegenteiliges könnte sich jedoch wiederum aus § 357 Abs. 3 S. 1 ergeben, wenn V spätestens bei Vertragsschluss ordnungsgemäß auf diesen Umstand sowie Verhinderungsmöglichkeiten des Wertverlustes hingewiesen worden wäre. Laut Sachverhalt sind sämtliche Belehrungen im erforderlichen Maß erfolgt. Demzufolge müsste V hier gleichwohl der U den durch Zulassung entstandenen Schaden in Höhe von 5000 € gemäß §§ 357, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 357 Abs. 3 S. 1 ersetzen.
Uneinheitlich beantwortet wird in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, inwieweit § 357 Abs. 3 S. 1 europarechtlich richtlinienkonform ist. Art. 6 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie ordnet an, dass dem Verbraucher im Falle eines Widerrufs keine über die unmittelbaren Aufwendungen für die Rücksendung hinausgehenden Kosten entstehen dürften. Daher wird die mit § 357 Abs. 3 S. 1 verbundene Kostentragung von einer Auffassung als europarechtswidrig angesehen. Für diese Sichtweise könnte angeführt werden, dass es der Grundkonzeption des Verbraucherschutzes im BGB zuwider liefe, wenn der Verbraucher durch hohe (zwangsläufige) Begleitkosten von der effektiven Ausübung seines Widerrufrechts abgehalten würde. Demgegenüber spricht sich die Gegenmeinung unter Verweis auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Richtlinie für die Europarechtskonformität der Vorschrift aus. Demnach beziehe sich § 6 Abs. 2 FernAbsRL nur auf weitere Kosten, die dem Verbraucher nicht auferlegt werden dürften, wohingegen § 357 Abs. 3 S. 1 ausschließlich die Rückabwicklung von Vorteilen und Schäden betreffe, die durch die vorhergehende Nutzung entstanden sind. Diese Regelung sei jedoch der Ausgestaltung durch das Recht der Mitgliedsstaaten vorbehalten geblieben.
Ergebnis: Unter Zugrundelegung der letztgenannten Ansicht hat U daher einen Anspruch gegen V auf Zahlung von 5.000 € aus §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3.