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Konzernrecht

Überblick über Regelungen des Gesellschaftsrechts betreffend Konzerne

Unternehmensrecht III an der Fakultät Wirtschaftsrecht der Hochschule Schmalkalden

A. ratio legis für Konzernrecht
Primär aus dem Blickwinkel von Interessenkonflikten ist Konzernrecht notwendig. Das Interesse der Gesellschafter und anderer beteiligten Personen an Zielen der Gesellschaft ist durch Konzernverbindungen in der Weise gefährdet, dass einzelne Gesellschaften Konzernzwecken unterordnet werden können - was den Interessen der Gesellschaft als Einheit schaden kann. Klassisches Gesellschaftsrecht ist dabei nur auf die Interessen der Gesellschaft als solcher fokussiert, was im Konzern einerseits nicht sachgemäß ist und andererseits auch Missbrauch zur Folge haben kann.
Beispiel 1: Vgl. folgendes Fallbeispiel

Beispiel 2: Eine Mehrheitsbeteiligung an 2 Tochtergesellschaften kann eine Arbeitsteilung in folgender Weise sinnvoll machen:
- Muttergesellschaft = Vertrieb, Strategie, Controlling,
- Tochtergesellschaft 1 = Erbringung der Leistungen,
- Tochtergesellschaft 2 = Produktentwicklung etc.
Diese Aufteilung kann bei Strategieänderung schnell zum "Ausbluten" einer der Tochtergesellschaften führen, wenn die Muttergesellschaft ihr einziger oder nahezu einziger Kunde ist.
 
Ungeachtet der Interessenkonflikte dürfen Konzerne rechtlich nicht als eine negative Erscheinung gewertet werden. Das Ziel der Regelung kann insofern auch nicht die - nach Möglichkeit - Verhinderung der Konzernbildung. Konzerne sind rechtlich nicht verboten - im Gegenteil, der Gesetzgeber sieht sie vor. Für beteiligte Unternehmen kann die Bildung eines Konzerns auch klare Vorteile bieten (übergeordnete Gesellschaft kann verlässlich planen und Aufgaben verteilen; die Untergesellschaft kann günstig Infrastruktur oder Marktmacht der Konzernmutter nutzen. Ziel der Regelung ist insofern nur die Verhinderung des möglichen Missbrauchs und Schutz der beteiligten Rechtssubjekte (Gesellschaften, Gläubiger etc.) vor Nachteilen durch die Gestaltung der Konzernstrukturen und -beziehungen.

B. Grundbegriffe


1. Begriff des Konzerns
Konzern ist
    • eine Unternehmensverbindung,
    • aber: selbst kein Unternehmen = keine Rechtsperson; demzufolge kann es keine Mitarbeiter, Schulden, Forderungen haben;
    • die Unternehmen, die im Konzern verbunden sind, sind eigenständige (vgl. § 15 AktG) juristische Personen und einzige Rechtssubjekte;

2. Definitionen im Einzelnen
Die nachstehend genannten Voraussetzungen müssen erfüllt sein (erste 3 Punkte), damit ein Konzern im gesetzestechnischen Sinne vorliegt. Vgl. dazu auch die Übersicht bei Kuhlmann/Ahnis, S. 10.

a. Unternehmen als Teil eines Konzerns
Unternehmen im konzernrechtlichen Sinne (insbesondere das herrschende Unternehmen) ist:

(1) jeder Gesellschafter, gleich welcher Form
D. h. auch ein privater Gesellschafter, sofern

(2) mit gesellschaftsfremden Interessen wirtschaftlicher Art
= neben dem Interesse am Erfolg der zu schützenden, beherrschten Gesellschaft hat er eine maßgebliche Beteiligung an einem anderen Unternehmen, so dass er dort Einfluss üben kann (Kleinaktionäre fallen nicht hierunter)

(3) so dass die Gefahr besteht, dass diese Interessen vorrangig (zu Lasten der beherrschten Gesellschaft) verfolgen wird
Dabei sind Interessen, die auch nicht in einem anderen wirtschaftlichen Unternehmen stecken, ausreichend für die Qualifikation als beherrschendes Unternehmen. Dies ist insbesondere im Falle der öffentlichen Hand (Land, Kommune) denkbar, die sich an einer Gesellschaft beteiligen und dennoch öffentliche Zwecke verfolgen (Beispiel: Dienstleistungen einer GmbH will der staatliche Mehrheitsgesellschafter seinen Bürgern kostenfrei zur Verfügung stellen...)


b. Abhängigkeit als Anknüpfungspunkt für Konzernregeln
Die Abhängigkeit im Sinne des § 17 AktG ist auf der einen Seite Teil der Definition des Konzerns, indem sie in die widerlegbare Vermutung in § 18 Abs. 1 S. 3 AktG fließt.
Teilweise knüpfen aber Vorschriften des Konzernrechts nicht an die Konzerneigenschaft, sondern direkt und allein an die Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG an. In beiden Fällen ist die Abhängigkeit ein wesentliches Merkmal des Konzernrechts, das genau zu klären ist.

c. Einheitliche Leitung als Voraussetzung des Konzerns
Auch im Hinblick auf die einheitliche Leitung sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit der einheitlichen Leitung durch Vermutung oder sie kann tatsächlich vorliegen und sich aus den Umständen des Falles ergeben.

d. Rechtsnatur und Folgen des Beherrschungsvertrages
Der Beherrschungsvertrag bringt folgende Konsequenzen mit sich:
      • das beherrschte Unternehmen wird unter das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gestellt, § 308 Abs. 1 AktG;
      • damit ist direkt die Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens betroffen
      • der Vertrag sieht die Übernahme unternehmerischer Entscheidungen zumindest im Rahmen von eines der Felder Beschaffung, Finanzierung, Organisation oder Absatz (Vertrieb),
      • die Geschäftsführung in eigener Verantwortung durch den Vorstand (§ 73 AktG) gilt nicht mehr
      • das herrschende Unternehmen ist verpflichtet, Bilanzverluste auszugleichen (die Minderheitsgesellschafter müssen einen Ausgleich gem. § 304 AktG, siehe unten bei Voraussetzungen als Inhalt des Vertrages).

Ein Beherrschungsvertrag setzt voraus:
      • in formeller Hinsicht:
        • dass er schriftlich abzufassen ist,
        • das geschäftsführende Organ der abhängigen Gesellschaft der Zustimmung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung bedarf (Vertretungsmacht in der abhängigen Gesellschaft insofern eingeschränkt),
        • in der beherrschten Gesellschaft mit mindestens 3/4 Mehrheit beschlossen wird, § 293 Abs. 1 AktG, wobei für die GmbH überwiegend ein einstimmiger Beschluss gefordert wird;
        • im Handelsregister eingetragen wird.
      • in materieller Hinsicht:
        • das beherrschte Unternehmen ist eine inländische Gesellschaft (AG, KGaA, GmbH, ausnahmsweise auch eine Personengesellschaft möglich) - herrschendes Unternehmen kann irgendein Unternehmen, auch ausländisches, sein;
        • zwischen den Unternehmen besteht ein Abhängigkeitsverhältnis,
        • im Vertrag ist ein angemessener Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre vorgesehen, § 304 AktG.

3. Konzernarten
Möglich ist die Unterscheidung nach:
    • Rechtsform - GmbH-Konzern vs. AG-Konzern,
    • Rechtsgrundlage - Vertragskonzern (Beherrschungsvertrag gem. § 291 Abs. 1 S. 1 1. Alt. AktG oder Eingliederung gem. § 319 AktG) vs. faktischer Konzern; ein isolierter Gewinnabführungsvertrag genügt hier nicht für einen Vertragskonzern;
    • Rangverhältnis der verbundenen Unternehmen - Unterordnungskonzern vs. Gleichordnungskonzern.

C. Systematik der gesetzlichen Regelungen
Die gesetzlichen Grundlagen des Konzernrechts lassen sich wie folgt systematisieren:

1. Allgemeine Regelungen, die für alle Rechtsformen gelten
Die allgemeinen Regelungen sind in den §§ 15 ff. AktG enthalten. Sie regeln die Begriffe und Grundfragen der Konzerne unabhängig von der Rechtsform der jeweiligen Konzernunternehmen.

2. Besondere Regelungen für bestimmte Rechtsformen
Für die AG sind in den §§ 20 - 22 sowie in §§ 291 - 328 AktG Regelungen enthalten, die für die Aktiengesellschaft zugeschnitten sind und die speziellen Gestaltungsmöglichkeiten, Rechte und Pflichten bei dieser Form der Kapitalgesellschaft bestimmen.

3. Ungeschriebenes, insbesondere Richterrecht
Zahlreiche Regeln im Konzernrecht stammen nicht aus dessen Kodifikation, sondern werden im Rahmen der allgemeinen Regelungen des Gesellschafts- oder Zivilrechts in der Rechtsprechung herangezogen, indem die besondere Situation des Konzerns bei der Auslegung dieser Regelungen berücksichtigt wird.

D. Haftung


E. Sonstige Folgen im Gesellschaftsrecht
Folgende Bedeutung hat die Zugehörigkeit zum Konzern in der Praxis der Gesellschaften:
  • § 311 Abs. 1 AktG - Verbot der Benachteiligung der abhängigen (untergeordneten) Gesellschaft
  • § 312 Abs. 1 AktG - Pflicht des Vorstands, einen Abhängigkeitsbericht aufzustellen
  • § 317 Abs. 1 AktG - Schadensersatzanspruch der abhängigen (untergeordneten) Gesellschaft, gerichtet auf Ausgleich der Nachteile durch mit der herrschenden Gesellschaft abgeschlossene Geschäfte
  • Mitteilungspflichten in den §§ 20 ff. AktG
Aber Achtung - wichtig: die §§ 311 ff. AktG sind auf die GmbH als abhängige Konzerngesellschaft nicht anzuwenden! Eine Analogie dieser aktienrechtlichen Vorschriften ist mangels vergleichbarer Interessenlage ausgeschlossen. Die Aktiengesellschaft unterscheidet sich von der GmbH dadurch, dass im Falle der AG der Grundsatz einer eigenverantwortlicher Leitung der Geschäfte durch den Vorstand vorgesehen ist. Dieser Grundsatz wird im Falle des Konzerns durchbrochen und die §§ 311 ff. AktG sollen den Umgang mit dieser besonderen Situation regeln. Im Falle der GmbH ist die Weisungsmöglichkeit der Gesellschafter stets gegeben, so dass ein (faktischer) Konzern keine Besonderheiten gegenüber dem Verhältnis einer unabhängigen GmbH zu ihren Gesellschaftern aufweist. Die Grenze der Einflussnahme der Gesellschafter einer GmbH liegt auch im Falle eines Konzerns im Grundsatz der Treuepflicht sowie in den allgemeinen GmbH-Vorschriften.


F. Folgen der Konzernzugehörigkeit für Fragen auf speziellen Rechtsgebieten
Eine Verbindung von Unternehmen in einem Konzern hat nicht nur gesellschaftsrechtliche Konsequenzen, sondern auch für spezielle Fragen aus anderen Rechtsgebieten.

1. Arbeitsrecht
Beispiel: Arbeitnehmer in der Untergesellschaft müssen bei etwaiger Mitbestimmung auf Ebene der übergeordneten Gesellschaft des Konzerns berücksichtigt werden.

2. Steuern und Bilanzierung
Beispiel: Möglichkeit der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen den Konzerngesellschaften. Bei der Bilanzierung sind Sondervorschriften des HGB in den §§ 290 - 315 zu beachten.

3. Kapitalmarktrecht
Für international tätige und am internationalen Kapitalmarkt auftretende Konzerne können auch internationale Rechnungslegungsvorschriften relevant sein.


Literatur

Einige Literaturempfehlungen zum Konzern- und Umwandlungsrecht sind hier zu finden.

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