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Fall: Verträge der GmbH in Gründung


Sachverhalt

Geschäftig (G) und Kulant (K) gründen eine gemeinsame GmbH, die mit Industriedruckern handeln soll. Das Stammkapital von 100.000 EUR der PrinteX GmbH (P) übernehmen beide je zur Hälfte gem. notariellem Vertrag vom 15. 10. G und K zahlen je 25.000 EUR auf das Konto der P ein. Als Geschäftsführer der P wird im Gesellschaftsvertrag Tüchtig (T) ernannt.

Am 20. 10. meldet T bereits erste Erfolge seiner Akquisetätigkeit und teilt G und K mit, dass er dem ersten großen Kunden, dem Naiv (N) eine komplette Ausstattung für seine neue Druckerei zum Preis von 178.500 EUR verkaufen könnte. Dafür müsste er aber kurzfristig beim Hersteller Lustig (L) einige Geräte im Wert von 100.000 EUR bestellen. G und K sind damit einverstanden, dass T noch vor Registereintragung Geschäft generiert und begrüßen das Geschäft ausdrücklich.

Alle Geräte im Wert von insgesamt 100.000 EUR werden am 31. 10. durch L geliefert.

Variante 1

Die Anmeldung und Eintragung ins Handelsregister verzögern sich insgesamt, sollen aber noch vollzogen werden. L hat aber keine Zeit und verlangt Zahlung der 100.000 EUR bereits jetzt.
Welche Ansprüche und gegen wen hat L?

Variante 2

Am 1. 12. wird die P ins Register eingetragen, die Geräte werden an N geliefert und eine Rechnung in Höhe von 178.500 EUR wird gestellt, allerdings nicht durch N bezahlt. Weitere fällige Rechnungen sowie die ausgezahlte Vergütung des T führen dazu, dass die P kein Geld mehr hat. T stellt Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der mangels Masse abgewiesen wird.
Welche Ansprüche und gegen wen hat L in diesem Fall?



Lösungshinweise


zu Variante 1
Folgende Ansprüche sind im vorliegenden Fall denkbar und deshalb zu prüfen:

A. Anspruch L gegen P auf Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2 BGB
Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (100.000 EUR) gem. § 433 Abs. 2 BGB ist als erstes zu prüfen. Und dieser muss sich zunächst einmal gegen die Vor-GmbH richten, weil diese als Vertragspartner aufgetreten ist, vertreten durch ihren Geschäftsführer. Ein Anspruch gegen die (Voll-)GmbH macht zunächst einmal keinen Sinn, weil diese als solche noch nicht existiert.

Hauptprobleme sind dabei:

1. Zurechnung des Handelns der GmbH i. G. gegenüber
Das Problem bei der Zurechnung des RG besteht darin, dass nicht ganz klar ist, für wen der Geschäftsführer gehandelt hat:
    • für die Vor-GmbH oder
    • für die künftige GmbH.
In derartigen Fällen ist i. d. R. ein Handeln im Namen der Vor-GmbH zu bejahen, weil das schon existente Rechtssubjekt verpflichtet werden soll, wenn keine andere Lösung ausdrücklich gewählt wurde. Die Möglichkeiten bezogen auf den Prüfungsaufbau sind folgende:

Zurechnung gem. § 164 BGB / wegen der Organeigenschaft ist möglich, wenn:

a. Eigene WE der handelnden Person vorliegt

b. Im fremden Namen

c. Offenlegung

2. Vertretungsmacht
Ein weiteres Problem ist die Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer Vor-GmbH. Sie ist nicht derart umfassend, wie die Vertretungsmacht des Geschäftsführers der GmbH, sondern beschränkt sich auf die Eintragung der Gesellschaft; nur eine ordnungsgemäße Ermächtigung durch alle Gesellschafter kann zu einer Erweiterung der Vertretungsmacht führen.

Der Anspruch ist im vorliegenden Falle letztlich gegeben.

B. Anspruch L gegen T auf Zahlung gem. § 11 Abs. 2 GmbHG i. V. m. § 433 Abs. 2 BGB
Für die Zahlungspflicht kann unter Umständen auch der Handelnde gem. § 11 Abs. 2 GmbHG haften. L kann also den Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 GmbHG gegen T geltend machen.

Von den einzelnen Voraussetzungen der Entstehung eines Anspruchs aus § 11 II GmbHG, d. h.:
  • der Vorgang findet während der Gründung einer GmbH statt (vor Eintragung),
  • der Anspruchsgegner war "Handelnder" (Geschäftsführer oder faktischer Geschäftsführer),
  • er hat die Handlung (persönlich oder zurechenbar) vorgenommen,
  • es handelte sich um eine rechtsgeschäftliche Handlung und
  • diese Handlung erfolgte im Namen der Gesellschaft
ist die letztgenannte Voraussetzung (Handeln im Namen der Gesellschaft) umstritten. Nach älterer Rechtsprechung fallen hierunter nur Handlungen für die künftige GmbH. In der Literatur wird diese Meinung gegenwärtig abgelehnt und angenommen, dass auch das Handeln für die Vor-GmbH die Haftung begründet. Die Lösung des Falles hängt an dieser Stelle davon ab, welcher Meinung gefolgt wird.

Gemäß der Meinung in der (früheren) Rechtsprechung (noch um 2001-2003 in Urteilen anzutreffen) haftet T nicht, im Übrigen ist seine Haftung zu bejahen. Aber auch im letzteren Falle hat T eigentlich einen Freistellungsanspruch gegen die Vor-GmbH, denn er handelte in diesem Fall ordnungsgemäß für diese. Bei ordnungsgemäßer Verpflichtung der Vor-GmbH ist die zweitgenannte Auffassung insofern für den handelnden Geschäftsführer ohne Folgen, der Kaufpreis muss am Ende durch die Vor-GmbH beglichen werden.

C. Anspruch L gegen G und K
Auch hier kommt die Handelndenhaftung gem. § 11 Abs. 2 GmbHG wie oben beschrieben in Betracht. Allerdings ist diese nach h. M. für die Gesellschafter ausgeschlossen. Handelnder muss der Geschäftsführer sein oder zumindest eine Person, die sich wie ein Geschäftsführer verhält (faktischer Geschäftsführer).

Möglich ist allerdings - für den Fall, dass die Vor-GmbH keine ausreichende finanzielle Ausstattung mehr hat, die Rechnung des L zu begleichen - die sog. Verlustdeckungshaftung gemäß den vom BGH entwickelten Grundsätzen. Diese Haftung besteht allerdings in der Regel nur im Verhältnis zwischen der Vor-GmbH und den Gesellschaftern und nicht im Außenverhältnis. Die Gläubiger der Gesellschaft können sich auf diese Regeln meist nicht berufen.

Was L unternehmen könnte, ist eventuell die Pfändung eines Anspruchs der Vor-GmbH gegen die Gesellschafter. Sofern also die Vor-GmbH nicht zahlt, ist dieser Anspruch aus Verlustdeckungshaftung zu überlegen. Solange die Vor-GmbH noch in der Lage ist, zu zahlen, besteht hierfür kein Bedarf.


zu Variante 2
Hier unterscheidet sich die Rechtslage von der Variante 1 in folgenden Punkten:
  • ein Anspruch gegen die Vor-GmbH ist nicht mehr möglich, da diese nicht mehr existiert;
  • ein Anspruch gegen die P als nunmehr eingetragene GmbH aus § 433 Abs. 2 BGB ist gegeben, aber verspricht wegen Insolvenz der P keinen Erfolg für L,
  • der Anspruch aus § 11 Abs. 2 GmbHG ist zwar entstanden, ist aber durch die Eintragung der Gesellschaft nach ganz h. M. erloschen; insofern kommt der Anspruch weder gegen T noch gegen G oder K in Betracht;
  • möglich sind lediglich Ansprüche - die dem L allerdings nicht zustehen - aus der Kapitalaufbringung oder Verlustdeckungshaftung (nach der Eintragung als Unterbilanzhaftung zu bezeichnen) gegen die Gesellschafter; deshalb kann L die Ansprüche der P gegen G und K pfänden lassen und im Rahmen der Vollstreckung geltend machen:
    • auf Leistung der noch nicht geleisteten Einlagen, § 14 GmbHG i. V. m. der Übernahmeerklärung der G und K,
    • auf Ausgleich der Differenz nach den Grundsätzen der Verlustdeckungshaftung.

Im Hinblick auf die zweite Frage ist festzustellen, dass folgende Ansprüche denkbar sind:
  • P gegen G und K auf Zahlung der Einlagen gem. § 14 GmbHG i. V. m. der Übernahmeerklärung,
  • P gegen K in Bezug auf die von G übernommene aber nicht gezahlte Einlage gem. §§ 14 und 24 GmbHG
  • P gegen K in Bezug auf die Verlustdeckungshaftung, die dem Grunde nach den G treffen würde, die G aber nicht erfüllen kann (§ 24 GmbHG analog).

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