Fallbeispiel: Überdimensionierte Sicherheitssoftware
Sachverhalt
Der Steuerberater Sparsam S beschäftigt in seinem Büro die sehr zuverlässige Angestellte Flink (F). F kümmert sich im Namen des S eigenverantwortlich um zahlreiche Kanzleiangelegenheiten, auch um die gesamte Technik (Computer, Drucker usw.). S ist sehr froh darüber, dass er sich mit diesem "technischen Krempel" nicht beschäftigen muss und ist auch mit allen Anschaffungen der F einverstanden.Nachdem F von den neuesten Hackerangriffen gehört hat, sucht sie nach einer ultimativen Absicherung des Kanzleinetzwerks. Sie erkundigt sich im EDV-Systemhaus des Gierig (G) nach einer Lösung und erhält eine Empfehlung für ein auch vom Militär eingesetztes Verschlüsselungs- und Firewallsystem. Das Softwarepaket kostet insgesamt 5.000,- EUR und würde nach der – im Kaufpreis inbegriffenen – Einrichtung durch G höchste Sicherheitsstandards garantieren.
F löst einen Auftrag aus, G kommt in die Kanzlei und richtet die Software ein, was auch reibungslos funktioniert. Allerdings ist S über den hohen Kaufpreis der Sicherheitslösung nicht erfreut und verweigert Zahlung der 5.000,- EUR. Es ist auch tatsächlich so, dass die Software für die Kanzlei ziemlich überdimensioniert ist und nicht wirklich notwendig wäre.
Frage
Kann G von S Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 5.000,- EUR verlangen?Beantworten Sie die Frage unter Nennung der gesetzlichen Voraussetzungen von eventuell einschlägigen, naheliegenden Rechtsinstituten. Gehen Sie stets systematisch entsprechend dem in der Lehrveranstaltung behandelten Prüfungsaufbau vor und erklären Sie Ihre Vorgehensweise. Begründen Sie Ihre Antwort auf die Frage.
Zulässige Hilfsmittel: BGB-Textausgabe
Lösungshinweise
Die Frage zielt auf einen Anspruch gem. § 433 Abs. 2 BGB. G kann von S Zahlung verlangen, wenn er:
- einen Anspruch erworben,
- diesen nicht verloren hat und
- der Anspruch auch durchsetzbar ist.
- er mit S einen Vertrag abgeschlossen hat,
- dieser Anspruch inhaltlich Kaufvertrag ist, wobei als Kaufpreis 5.000,- EUR vereinbart wurden,
- der Vertrag auch wirksam ist.
A. Vertragsschluss
Für einen Vertragsschluss werden benötigt:
- Angebot,
- Annahme,
- Annahmefähigkeit und
- Übereinstimmung.
1. Angebot
Als Angebot kommt der Auftrag in Betracht, den F ausgelöst hat. Dies ist ein Angebot, wenn:
Als Angebot kommt der Auftrag in Betracht, den F ausgelöst hat. Dies ist ein Angebot, wenn:
- damit eine Willenserklärung mit Inhalt Angebot vorliegt,
- sie abgegeben wurde und
- dem G zugegangen ist.
Ein Auftrag ist eine Willenserklärung. Aber sie stammt nicht von S, sondern von der F. Dies kann dennoch dem S zugerechnet werden, wenn F als Vertreterin handelte, also die Erklärung folgendermaßen abgegeben (so auf den Weg gebracht, dass mit Zugang zu rechnen ist) hat:
- den Auftrag für jemand anderen (S) erteilte und dies
- offengelegt hat.
F handelt normalerweise für S. Sofern sie dies auch hier gegenüber dem G tat, handelte sie als Vertreterin des S. Sie hat die Angebotserklärung abgegeben und sie ist G auch zugegangen.
Ein Angebot seitens S (vertreten durch F) liegt vor.
3. Voraussetzungen im Übrigen
Probleme in Bezug auf Annahmefähigkeit und Übereinstimmung nicht gegeben.
Probleme in Bezug auf Annahmefähigkeit und Übereinstimmung nicht gegeben.
4. Ergebnis zu Vertragsschluss
F hat für S einen Vertrag mit G über Lieferung der Software abgeschlossen
F hat für S einen Vertrag mit G über Lieferung der Software abgeschlossen
Im Vertrag wurden 5.000 EUR Kaufpreis vereinbart, es handelt sich um einen Kaufvertrag. Aufgrund dieses Vertrages kann G Zahlung von 5.000 EUR verlangen, sofern der Vertrag auch wirksam ist.
C. Wirksamkeit
Der Vertrag muss auch wirksam sein. Liegen Wirksamkeitshindernisse vor, ist er nicht wirksam.
1. Vertretungsmacht
Der Vertrag ist nicht für und gegen S wirksam, wenn sein Vertreter ohne Vertretungsmacht handelte, § 177 Abs. 1 BGB.
Der Vertrag ist nicht für und gegen S wirksam, wenn sein Vertreter ohne Vertretungsmacht handelte, § 177 Abs. 1 BGB.
F war von S beauftragt, jegliche Besorgungen für das Büro, auch in Bezug auf die technische Ausstattung, vorzunehmen. Zu diesen Besorgungen ist auch der Erwerb von Software zu rechnen. Damit ist Vertretungsmacht der F gegeben. Der Vertrag ist nicht gem. § 177 Abs. 1 BGB unwirksam.
andere Auffassung bei entsprechender Begründung möglich - wenn angenommen wird, dass die Software finanziell jeden Rahmen sprengt oder so....
2. Anfechtung
Ein Vertrag kann auch gem. § 142 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn er erfolgreich angefochten wurde. Dies ist also dann der Fall, wenn:
Ein Vertrag kann auch gem. § 142 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn er erfolgreich angefochten wurde. Dies ist also dann der Fall, wenn:
- der Vertrag anfechtbar ist,
- er angefochten wurde und
- die Anfechtung rechtzeitig erfolgte.
a. Anfechtungsgrund in Person des S
S ist über den Preis der Software verärgert, also möchte er den Vertrag vielleicht deswegen anfechten. Problematisch ist aber, auf welchen Anfechtungsgrund er sich berufen könnte. Er nahm am Vertragsschluss nicht teil. Deshalb sind eventuelle Willensmängel seinerseits irrelevant, § 166 BGB. Eine Anfechtung aus Sicht des S ist nicht m möglich.
S ist über den Preis der Software verärgert, also möchte er den Vertrag vielleicht deswegen anfechten. Problematisch ist aber, auf welchen Anfechtungsgrund er sich berufen könnte. Er nahm am Vertragsschluss nicht teil. Deshalb sind eventuelle Willensmängel seinerseits irrelevant, § 166 BGB. Eine Anfechtung aus Sicht des S ist nicht m möglich.
F kann sich auf § 119 II BGB berufen und eventuell auch auf § 123 I BGB, sofern G sie getäuscht hatte.
Ein Irrtum gem. § 119 II BGB liegt vor, wenn F über die Eigenschaften einer Person oder Sache (hier: Software) irrte. F wusste nicht, dass die Software für die Firma des S übertrieben war. Dies ist ein Eigenschaftsirrtum i. S. d. § 119 II BGB.
Ein Irrtum gem. § 123 I BGB ist möglich, wenn G die F getäuscht hatte. Aktiv tat er dies nicht, aber möglicherweise hat er ihr verschwiegen, dass die Software übertrieben und nicht wirklich nötig ist. Aus seinem überlegenen Wissen folgt auch eine Aufklärungspflicht, also ist sein Unterlassen der Aufklärung dem aktiven Tun gleichzusetzen.
Anfechtung ist möglich.