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Fall: Onlinehandel für Computerspiele

Sicherungsübereignung vs. Eigentumsvorbehalt


A. Sachverhalt
Paulchen (P) hat seit langem den Traum vom eigenen Onlinehandel für Computerspiele. Am 1. 12. 2022 geht er zur Bank (B) in Erfurt und bittet um einen Kredit in Höhe von 40.000 EUR für einen Geschäftsstart. Zur Sicherung des Kredites vereinbaren P und B eine Abtretung aller – gegenwärtiger wie künftiger – Forderungen des P gegen seine Kunden bis zu einem Wert von 110 % des Kreditrahmens.

B erklärt, Forderungen, die einem branchenüblichen, verlängerten Eigentumsvorbehalt unterfallen, auf Verlangen des Lieferanten – soweit der gesicherte Anspruch noch nicht getilgt ist – an diesen abzutreten oder ihn aus dem eingezogenen Erlös zu befriedigen. Überdies verpflichtet sich P, sein Konto bei der B als alleinige Zahlungsadresse gegenüber allen Kunden anzugeben, wobei die Übertragung der Forderungen nicht angezeigt wird. Die auf diesem Konto verbuchten Beträge sollen der Bank ebenfalls als Sicherheit für alle ihre Ansprüche dienen, weshalb sie sich die freie Verfügung über das Konto vorbehält.
Ende Dezember schließt P mit einem Spielehersteller (S) einen Vertrag ab, auf dessen Grundlage P von S Spiele und Merchandising-Artikel hierzu (Kostüme, Spielfiguren, T-Shirts etc.) beziehen soll. Dabei erwirbt P Produkte im Wert von 15.000 EUR. Wie für die Branche üblich, vereinbaren P und S, dass die Ware bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung im Eigentum des S verbleibt sowie die Vorausabtretung der Forderungen aus dem Weiterverkauf. P wird ermächtigt, die Forderungen aus dem Weiterverkauf einzuziehen.

P verkauft Produkte des S im Wert von 10.000 EUR. Die Kunden bezahlen auf sein Konto bei B. Im Juni wird es aber schwieriger, da Konkurrenten besser sind. S bringt keine neuen Spiele heraus und seine Produkte sind nicht mehr so gefragt. P droht Insolvenz. Währenddessen bedient sich B gemäß der Verfügungsabrede am Kontoguthaben in Höhe von 15.000 EUR, weil sie Zahlungsausfall des P befürchtet. Die Forderungen des S (die o. g. 15.000 EUR) hat P noch nicht gezahlt.
S verlangt von B Zahlung der 15.000 EUR, da B den verlängerten Eigentumsvorbehalt von S zunichte gemacht hat. Darauf erwidert B, dass sie doch teilweise auf die Forderungen verzichte. Zudem brauche sie nicht einmal eine Abtretung von Forderungen, da sie über das Konto von P verfügen darf.

Hat S Anspruch gegen B?


S (Lieferant der Ware) verlangt von der B (Bank) Zahlung von 15.000 EUR

B. Anspruchsgrundlagen
=> Vertragliche Ansprüche scheitern an Fehlen einer vertraglichen Beziehung
=> vertragsähnliche / dingliche / deliktische sind auch nicht denkbar
=> nur Bereicherungsrecht!
  • Leistungskondiktion (-), da keine Leistungsbeziehung
  • (allgemeiner Fall der) Nichtleistungskondiktion gem. § 812 I 1, 2. Alt. BGB ist wegen der Prämisse "auf Kosten" des Anspruchsberechtigten problematisch und scheitert letztlich daran - ungeachtet des Verhältnisses zu § 816 BGB (spezieller?)
  • § 816 Abs. 2 BGB => aber die Bank hat keine Leistung empfangen, war lediglich Zahlstelle; Empfänger der Leistung war P, also keine Leistung an Nichtberechtigten im Sinne der Vorschrift;
  • Anwendung des § 816 Abs. 2 BGB wegen § 242? möglich!

C. Anspruch gem. § 816 II i. V. m. § 242 BGB


1. Leistung an B
Leistung an B an sich nicht - aber wenn die B die Zahlstellenfunktion missbraucht, dann ist die B so zu behandeln, als wäre die Leistung an sie erfolgt.
=> Zahlstelle + ausschließliche + Verfügungbefugnis = wie an B! Schuldnerschutzgedanke des § 407 BGB

2. an einen Nichtberechtigten
Liegt Leistung an Nichtberechtigten vor?
    • ja, wenn B keine Berechtigung im Hinblick auf die Forderung hatte. Diese könnte sich aus der Globalabtretung durch P ergeben;
    • Abtretung bindet?


a. Abtretungsvertrag
Voraussetzung ist, ob P als Berechtigter abgetreten hat, denn:
      • Erwerb vom Nichtberechtigten ist nicht möglich
      • P hat die Forderung auch an S abgetreten
      • Abtretungsreihenfolge entscheidend - Prioritätsgrundsatz
        • zuerst an B vereinbart - Zeitpunkt der Vereinbarung ist auch maßgeblich
        • Bestimmtheit bei künftigen Forderungen? (-) - aber Bestimmbarkeit reicht ebenfalls: Forderungen gegen Kunden aus verkauften Produkten?
=> Die einzelne Forderung muss individuell derart exakt bestimmt sein, dass es nur noch ihrer Entstehung bedarf, um die Übertragung mit der Entstehung ohne weiteres und zweifelsfrei wirksam werden zu lassen.
        • diese Folge bei Globalzession führt aber gezwungenermaßen und regelmäßig zur Bevorzugung des Darlehensgebers zulasten des Warenlieferanten - was problematisch ist;
=> mögliche Lösungen:
            • Näheprinzip / Surrogationsprinzip => Warenlieferant zu bevorzugen! - keine gesetzliche Wertung dafür erkennbar
            • besser: Teilungslehre! aber auch diese vermag die Wirkung der Globalzession nicht überzeugend zu verhindern - Teilnichtigkeit gem. § 139 BGB wäre nicht leicht zu handhaben, weil die Quotierung unklar wäre;

Zwischenergebnis: Forderung ist zugunsten der B (als Zahlstelle) abgetreten und dies wirkt hier.

b. Wirksam?
Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB!
=> bei Kreditsicherheiten sind relevant meist Übersicherung, Knebelung und Gläubigergefährdung...
        • Übersicherung = wegen Grenze 110 % kein Problem!
        • Knebelung = an sich kann P weiter arbeiten, die Globalzession stört nicht dabei
        • Gläubigergefährdung = Globalzession allein reicht nicht; andere gefährdende Handlungen zulasten des Gläubigers müssten hinzukommen (Beispiel: Täuschung) - war aber nicht;
        • aber: Vertragsbruch! => der verlängerte Eigentumsvorbehalt wird ständig gebrochen;
        • hilft die Teilverzichtsklausel nicht? NEIN, sie ist nicht ausreichend, um die Wirkung des Eigentumsvorbehalts irgendwie zu erhalten; keine Aussonderung etc. möglich;
        • die Sittenwidrigkeit ist nicht nur objektiv anzunehmen, sondern auch in der subjektiven Einstellung der B (bewusst!) zu erkennen;

3. Dem Berechtigten gegenüber wirksam
Die primäre Globalzession nichtig => berechtigt wäre also S aus dem verlängerten Eigentumsvorbehalt.
Ist die Leistung gegenüber S wirksam?
=> in rechtlicher Hinsicht passiert hier Folgendes:
      • Leistung an B durch Kunden des P - erfolgt gar nicht;
      • Leistung an P könnte eine Erfüllungswirkung haben; dadurch könnte sie als "wirksam" betrachtet werden - aber durch Zession an S müsste die Leistung an S weitergeleitet werden, was nicht erfolgt ist;
      • aber: S willigte ein, dass Weiterveräußerung erfolgt und Zahlungen für ihn durch P eingezogen werden;
      • da P gemäß Vereinbarung mit S gehandelt hat und die Waren weder verschleudert wurden noch das Geld verlorengegangen ist kann von einer wirksamen Leistung an B wegen Erfüllung gegenüber P (Zahlungsempfang durch P im Namen des S) gesprochen werden;
      • darüber hinaus spricht dafür der § 407 BGB - Zahlungen an P sind OK, auch wenn sie an S hätten weitergeleitet werden müssen;

=> in tatsächlicher Hinsicht ja...


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