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Fall: Nicht gegründete Gesellschaft


A. Sachverhalt
Geschäftig (G) handelt mit Industriedruckern. Sein Geschäft läuft gut, weshalb der als Einzel­kaufmann handelnde G eine andere Rechtsform für sein Unternehmen sucht. Er entscheidet sich, allein eine GmbH zu gründen, das Kapital dafür kann er mühelos aufbringen. Bevor er den Gesellschaftsvertrag notariell beurkunden lässt nimmt er Kontakt mit dem Druckereibetreiber Naiv (N) auf, dem er eine komplette Ausstattung für die neue Druckerei des N zum sehr günstigen Preis anbietet. Ein verbindliches Angebot diesbezüglich - unter der Bedingung einer Anzahlung in Höhe von 20% des Wertes der Lieferung - erstellt G als "Geschäftsführer der G-GmbH", obwohl die Gesellschaft noch gar nicht gegründet ist. N nimmt das Angebot an und überweist die Anzahlung in der Hoffnung auf rechtzeitige Lieferung - wie vereinbart - in 3 Monaten.

Unerwartet gerät G in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb er die G-GmbH gar nicht gründet. Persönlich hat er kaum noch Vermögen, das seine Schulden decken kann und mit Mühe sowie Hilfe seines Wettbewerbers Kulant (K) gründet er eine komplett neue G-und-K-GmbH, welche die Kunden des G übernimmt. Das restliche Geschäft des G wird komplett durch Banken übernommen, G bleibt in der neuen Gesellschaft auf guten Willen des K angewiesen. Die Lieferung an N kann G in keiner Weise vornehmen.

N verlangt von der "Gesellschaft des G" Lieferung oder Rückzahlung des Kaufpreises.

B. Frage
Hat N Ansprüche? Gegen wen?

C. Fallabwandlung
Wie wäre der Fall zu bewerten, wenn G vor dem Abschluss des Vertrages mit N bereits einen Gesellschaftsvertrag notariell ausgefertigt hätte und seine finanzielle Lage nur kurz vor der Eintragung der Gesellschaft aufgetreten wäre?
(dabei wurde aus der G-GmbH eine G-und-K-GmbH durch eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages nach Beitritt des K; nur die G-und-K-GmbH wurde eingetragen;)


D. Lösungsskizze


1. Ansprüche gegen die G-und-K-GmbH
N kann gegen die G-und-K-GmbH Anspruch auf Lieferung oder auch auf Rückzahlung nur dann haben, wenn er mit ihr einen Vertrag geschlossen hat bzw. an sie eine Zahlung geleistet hat. Dem N gegenüber ist allerdings die G-und-K-GmbH in keiner Weise aufgetreten, weshalb Ansprüche ausgeschlossen sind. Auch wenn G Gesellschafter der G-und-K-GmbH sein sollte, haben eventuelle Ansprüche gegen ihn nichts mit Verpflichtungen der GmbH zu tun, die ein eigenständiges Rechtssubjekt ist.

2. Anspruch gegen G-GmbH auf Lieferung gem. § 433 I BGB
Die Frage, ob N gegen eine G-GmbH einen Anspruch hat, macht nur dann überhaupt Sinn, wenn N seinen Anspruch gegen diese G-GmbH geltend machen kann, d. h. wenn sie der richtige Anspruchsgegner oder - anders ausgedrückt - passivlegitimiert ist.
Sie ist passivlegitimiert, wenn sie rechtsfähig ist und sich ein eventueller Anspruch des N gerade gegen sie richtet (und nicht gegen jemand anderen). Bereits bei der ersten Frage (Rechtsfähigkeit) bestehen in diesem Fall Zweifel. Eine GmbH wird mit der Eintragung ins Handelsregister rechtsfähig, § 11 GmbHG. Allerdings kann sie auch in der Gründungsphase teilweise Träger von Rechten und Pflichten sein. So auch im Falle einer Vorgesellschaft der GmbH, die bereits mit Abschluss eines (in der Regel notariellen) Vertrages gem. § 2 Abs. 1 GmbHG entsteht. Da hier aber nicht einmal der Gesellschaftsvertrag beurkundet wurde, handelt es sich nicht um eine Vorgesellschaft und damit um gar kein Rechtssubjekt.

G ist im vorliegenden Fall somit gegenüber dem N als Geschäftsführer einer nicht existenten Gesellschaft aufgetreten. Da die Gesellschaft nicht existent war, kann sie kein Träger von Rechten und Pflichten gewesen sein, gegen sie sind auch keine Ansprüche möglich.

Denkbar sind allerdings - auch wenn bei Mittellosigkeit nicht werthaltige:
3. Ansprüche gegen G

a. Schadensersatz gem. § 179 Abs. 3 BGB

b. Herausgabe des Erlangten gem. § 812 BGB

E. Lösung der Fallabwandlung
Hier wurde der Anspruch zwar auch nicht gegen eine existente, rechtsfähige Gesellschaft begründet. Eine juristische Person wird die GmbH erst dann, wenn sie ins Handelsregister eingetragen wird, § 11 Abs. 1 GmbHG. Ungeachtet dessen ist für die Gründungsphase ab Beurkundung des Gesellschaftsvertrages eine besondere Konstruktion der Vorgesellschaft anerkannt, die teilweise Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Da anerkannt ist, dass die Vorgesellschaft grundsätzlich am Rechtsverkehr teilnehmen kann, ist sie auch in diesem Stadium (Teil-)rechtsfähig. Damit können gegen sie auch Ansprüche geltend gemacht werden. Wird die Vorgesellschaft - ungeachtet eventueller Änderungen am Gesellschaftsvertrag - eingetragen, gehen auf die damit entstehende juristische Person alle Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft über.

Sofern G im vorliegenden Fall laut Gesellschaftsvertrag und nach dem Willen der jeweiligen Gründer handelte, kann N von der G-und-K-GmbH Lieferung der Ausstattung oder - je nach Konstellation - Rückzahlung des Kaufpreises verlangen.


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