ich war hier: FallKomplizierteBestellung

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Dies ist eine alte Version von FallKomplizierteBestellung erstellt von WojciechLisiewicz am 2018-01-11 16:43:52.

 

Fallbeispiel: Eine komplizierte Bestellung des Angestellten


Sachverhalt


Angestellter A ist im kleinen Beratungsunternehmen der erfolgreichen B tätig. Eine explizite Verteilung der Aufgaben gibt es bei B nicht, dennoch kümmert sich A öfter um kleine und große Anschaffungen für B - mal die komplette Büroausstattung für 10.000 EUR bestellt, mal den Dienstwagen für die B besorgt. B ist damit zufrieden, weil sie sich um den Kleinkram nicht mehr kümmern muss - es reicht eine kurze Bitte an A und schon ist alles erledigt. Dabei nutzt der stets zuverlässige A entweder das Briefpapier des Unternehmens oder den E-Mail-Account mit dem entsprechenden Hinweis, dass es eine Dienst-E-Mail ist. Eine Handlungsvollmacht oder sonstige schriftliche Bevollmächtigung seitens B war bislang nie notwendig - alles lief immer reibungslos ab.

Nachdem A mittlerweile 3 Fahrzeuge im Autohaus des C im Namen der B geleast hatte, möchte er nun auch einen Dienstwagen fahren. Im Gespräch mit B einigen sich beide, dass A einen Dienstwagen gern leasen kann, wobei als Obergrenze ein Listenpreis von 40.000,- EUR vereinbart wird. A spricht im Autohaus des C vor und in einigen Terminen wird dem A klar, dass sein Traumauto mit dem vorgegebenen Budget nicht machbar sein wird. Er lässt sich von C am 10. 12. zwei Angebote geben:
  • eins über ein mager ausgestattetes aber mit einem 300-PS-V6-Motor bestücktes Fahrzeug zum Listenpreis von 43.000,- EUR,
  • ein weiteres über einen Wagen mit Vollausstattung, dafür aber mit lediglich 240 PS und 4-Zylinder-Motor zum Listenpreis von 45.000,- EUR.

Durch unterschiedliche Kalkulation kommt dabei für beide Varianten eine identische monatliche Leasingrate von 499,- EUR ohne Sonderzahlung zustande. A soll sich nun entscheiden und gegenüber C das Angebot seiner Wahl bis zum 25. 12. benennen. A überlegt lange und schreibt dem C einen Brief - wie gewohnt auf dem Briefbogen der B - am 19. 12. Er entscheidet sich dabei für den Wagen mit V6-Motor. Der auf den 20. 12. datierte Brief wird bei der Post allerdings falsch einsortiert und erreicht den C erst am 30. 12. Bei C wird der Brief und die Bestellung erst einmal nicht bearbeitet.

B erfährt von der Bestellung und nachdem sie von einer Leasingrate von 499,- EUR hört, bittet sie am 3. 1. um detaillierte Unterlagen zur Bestellung. Als sie vom Listenpreis des durch A bestellten Wagens liest, ist sie sauer und will alles rückgängig machen. A beruhigt sie und meint, nach seiner am 2. 1. eingeholten Auskunft bei C ist seine Bestellung gar nicht rechtzeitig angekommen, so dass es gar kein Problem gibt. B meint dazu nur soviel, dass sie das hoffe und andernfalls den Vertrag anfechten würde.

C besteht auf Übernahme des Fahrzeugs und auf Zahlung der Leasingraten, weil er die Bestellung des Wagens bereits ausgelöst habe.

Zurecht?


Lösungshinweise






Musterlösung


A. Anspruch C gegen B aus dem Leasingvertrag

C könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung der Leasingraten (499,- EUR monatlich) und Übernahme des Fahrzeugs gem. dem Leasingvertrag haben. Hierfür muss C den Anspruch erworben und nicht verloren haben. Ferner muss der Anspruch auch durchsetzbar sein.

C könnte den Anspruch erworben haben. Dafür ist erforderlich, dass zwischen B und C ein Vertrag abgeschlossen wurde, dieser Zahlung der geforderten Leasingraten zum Gegenstand hat und auch wirksam ist.

1. Vertragsschluss
B und C könnten einen Vertrag geschlossen haben. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen B und C einerseits Angebot und andererseits Annahme vorliegen, das Angebot bei Annahme noch annahmefähig war und Konsens besteht.

a. Angebot
Hier könnte seitens C ein Angebot i. S. d. §§ 145 ff. BGB vorliegen. Dies setzt voraus, dass eine Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot abgegeben wurde und dem Adressaten (hier B) zugegangen ist.

C hat dem A am 10. 12. zwei Fahrzeuge in konkreter Konfiguration vorgeschlagen und als alternative Angebote unterbreitet. Damit liegt eine Willenserklärung des C vor, die als Angebot zu qualifizieren ist. Sie wurde durch C auch abgegeben.
Das Angebot könnte B auch zugegangen sein. Das Angebot wurde der B vor Vertragsabschluss allerdings nicht vorgelegt. Damit ist es ihr persönlich nicht zugegangen. Das Angebot könnte B aber über einen Vertreter (§ 164 Abs. 3 BGB) zugegangen sein.
In diesem Fall ist ein Zugang dann erfolgt, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des A gelangt ist, dass seine Kenntnisnahme möglich ist und eine Zurechnung dieses Zugangs gem. § 164 Abs. 1 BGB erfolgen kann.

A hat das Angebot des C empfangen und zur Kenntnis genommen, so dass die Voraussetzungen des Zugangs erfüllt sind. Fraglich ist, ob A Vertreter der B ist. Es ist zu prüfen, ob A als Vertreter (und nicht als Bote) aufgetreten ist und offenkundig im fremden Namen gehandelt hat.
A tritt des öfteren im Namen der B auf, benutzt Briefpapier und E-Mail-Adresse des Unternehmens der B und will auch bei der Bestellung des Fahrzeugs nicht für sich persönlich handeln. Damit handelt er hier im fremden Namen und dies auch für Außenstehende sichtbar. Dabei überbringt er nicht etwa Erklärungen der B, sondern wählt bestellte Sachen selbst aus, so dass er kein Bote sondern Vertreter ist.
Damit ist A Vertreter der B und die Angebotserklärung des C kann ihm zugehen.

Es ist festzustellen, dass das Angebot des C der B über den Vertreter A auch zugegangen ist. Ein Angebot seitens C ist gegeben.

b. Annahme
B könnte das Angebot des C vom 10. 12. auch angenommen haben. Dafür ist zu prüfen, ob eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme seitens B abgegeben wurde und dem C zugegangen ist.

A schreibt dem C einen Brief, dass er sich für das Angebot mit dem V6-Motor entscheidet. Dies stellt eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme des Angebotes von C dar. Der Brief stammt allerdings nicht von B, so dass eine persönliche Abgabe der Willenserklärung durch sie nicht erfolgt ist.
Der B könnte allerdings die Abgabe der Annahmeerklärung durch einen Vertreter - den A - zugerechnet werden. Dafür müsste A als Vertreter der B gehandelt haben und die Annahmeerklärung so auf den Weg bringen, dass mit Zugang zu rechnen ist.

(1) Vertreter
A könnte Vertreter der B sein. Dafür muss er eine eigene Willenserklärung abgeben, dies im fremden Namen und auch offenlegen, dass er als Vertreter handelt.

Wie bereits oben festgestellt, gibt A regelmäßig eigene Willenserklärungen ab, so dass er als Vertreter in Betracht kommt. A least den Wagen auch nicht selbst, sondern betrachtet ihn als Dienstfahrzeug aus dem Unternehmen der B. Damit will er den Vertrag nicht für sich, sondern für die B abschließen, handelt also im fremden Namen (der B). Dabei benutzt A - wie schon oft - das Briefpapier der B. Damit sagt er zwar nicht ausdrücklich, dass er für B handelt, es ist aber auch für Außenstehende zumindest konkludent (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB) sichtbar, dass hier im Namen der B gehandelt wurde.

Es ist festzuhalten, dass A als Vertreter der B handelte.

(2) Abgabe durch Vertreter
A hat den Brief mit Annahmeerklärung nicht nur geschrieben, sondern auch an C abgeschickt. Damit hat er die Erklärung so auf den Weg gebracht, dass mit Zugang zu rechnen ist.

Die Annahmeerklärung müsste C auch zugegangen sein. Der Brief erreicht den C am 30. 12. Somit ist es C auch zugegangen.

Demzufolge ist das Angebot des C durch B (vertreten durch A) auch angenommen.

c. Bindung an den Antrag
C könnte bei Annahme durch A an seinen Antrag gebunden sein. Dafür muss die Annahme insbesondere rechtzeitig erfolgt sein. Dies setzt voraus, dass sie rechtzeitig dem Adressaten (dem C) zugegangen ist.

(1) Annahmefrist
Die Annahmefrist bestimmt sich nach den §§ 147 und 148 BGB. Ist die Annahmefrist nicht ausdrücklich festgelegt, gilt § 147. In diesem Fall hat C eine First allerdings genannt - A bzw. B sollte bis zum 23. 12. annehmen.
Der Brief des A kommt bei C erst am 30. 12. an. Damit ist die Annahme gem. § 148 BGB nicht rechtzeitig zugegangen.

(2) Fiktion des § 149 BGB
Die Verspätung des Zugangs des Briefes bei C könnte allerdings gem. § 149 BGB unbeachtlich sein. Dies setzt voraus, dass eine an sich verspätet zugegangene Annahme rechtzeitig abgegeben wurde, diese Verzögerung des Zugangs für den Adressaten (Antragenden) erkennbar war und er den Umstand dem Erklärenden nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

Die Annahme des A ist verspätet bei C zugegangen. Der Brief wurde aber bereits am 20. 12. abgeschickt. Normalerweise wäre der Brief auch vor dem 23. 12. zugegangen, die Verzögerung bei der Post war zumindest ungewöhnlich. Der Brief des A ist auf den 20. 12. datiert. Daraus konnte C erkennen, dass der Brief viel zu lange unterwegs war.
Fraglich ist, ob nun C diesen Umstand unverzüglich angezeigt hat. A teilt der B mit, dass er sich bei C am 2. 1. erkundigt hat und sein Brief verspätet angekommen ist. Darin könnte eine Anzeige der Verspätung gesehen werden. Diese muss aber gem. § 149 BGB unverzüglich nach dem Empfang der Annahmeerklärung erfolgen. Davon ist im Sachverhalt allerdings nicht die Rede, vielmehr sieht es nach einer Einholung der Information durch A aus. Insofern mangelt es an einer unverzüglichen Anzeige durch C.
Die Annahme durch A ist gem. § 149 BGB als rechtzeitig anzusehen.

Das Angebot des C war bei Annahme durch A im Namen der B annahmefähig.

d. Konsens
A nimmt eines der Angebote des C vorbehaltlos und uneingeschränkt an, die Erklärungen stimmen damit überein.

Somit wurde ein Vertrag zwischen C und B abgeschlossen.

2. Vertragsinhalt
Der Vertrag müsste ein Leasingvertrag sein, bei dem sich B zur Zahlung von 499,- EUR monatlich als Leasingraten und zur Übernahme des Fahrzeugs verpflichtet hat. Dies ist hier der Fall.

3. Wirksamkeit
Der Vertrag könnte wirksam sein. Der Vertrag ist wirksam, wenn keine Wirksamkeitshindernisse vorliegen. Der Vertrag könnte insbesondere gem. § 177 Abs. 1 BGB wegen einem Mangel der Vertretungsmacht unwirksam sein. Dies ist nicht der Fall, wenn das Rechtsgeschäft von der Vertretungsmacht gedeckt war. Die Vertretungsmacht kann sich aus einer in diesem Fall rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht ergeben oder kraft Rechtsscheins anzunehmen sein. Möglich ist auch, dass der Vertretene das Rechtsgeschäft genehmigt.

a. Vollmacht der B
A könnte sich auf eine Vollmacht von B berufen. Voraussetzung dafür ist, dass B dem A eine Vollmacht erteilt hat, sie nicht erloschen ist, das von A vorgenommene Geschäft vom Umfang dieser Vollmacht gedeckt ist und A die Vollmacht nicht missbraucht hat.

Laut Sachverhalt spricht A mit B über die Beschaffung eines Dienstwagens und dabei einigen sich beide, dass A dies darf, und zwar bis zu einem Wert (Listenpreis) von 40.000 EUR. Damit erteilt B dem A eine Vollmacht, den Wagen zu beschaffen.
Im Sachverhalt fehlt jegliche Angabe darüber, dass B dem A die erteilte Vollmacht entzogen hat. Damit ist sie auch nicht erloschen.
B hat dem A im Hinblick auf die Fahrzeugbeschaffung eine Obergrenze beim Listenpreis gesetzt (40.000,- EUR). A hat allerdings ein Angebot angenommen, bei dem das geleaste Fahrzeug laut Liste 43.000,- EUR kostet. Auch wenn die Leistung der B in der Zahlung von Leasingraten besteht, die bei unterschiedlichen Listenpreisen auch gleich ausfallen können (siehe Sachverhalt), bezieht sich die erteilte Vollmacht auf eine Grenze im Listenpreis. Damit handelt A nicht innerhalb der Vollmacht, wenn er sich an die Vorgabe nicht hält.

Das Rechtsgeschäft ist vom Umfang der dem A erteilten Vollmacht nicht gedeckt.

b. Vollmacht kraft Rechtsscheins
A könnte sich auf eine Vollmacht kraft Rechtsscheins berufen. Eine Duldungsvollmacht würde unter anderem voraussetzen, dass hier v ergleichbares Verhalten des A bereits in der Vergangenheit vorlag und durch die B geduldet wurde. Ein Dienstfahrzeug für A wurde bislang aber gar nicht beschafft, so dass von vergleichbaren Rechtsgeschäften keine Rede sein kann.
A könnte hier aber kraft Anscheinsvollmacht gehandelt haben. Dies setzt voraus, dass der vorliegende Fall eine Analogie ermöglicht, das Verhalten der B hier einen Anschein des Bestehens einer Vollmacht erweckt hat, dies von B hätte erkannt werden müssen (bzw. sie hat es infolge Fahrlässigkeit nicht erkannt) und der Vertragspartner (der C) zurecht auf diesen Anschein vertraut hatte.
Die Voraussetzung der Analogie sind insbesondere das Vorliegen einer Regelungslücke und eine vergleichbare Rechts- und Interessenlage. Im vorliegenden Fall ist eine Vollmacht erteilt, allerdings überschritten worden. In solchen Fällen sieht der Gesetzgeber vor, dass das Rechtsgeschäft gem. § 177 Abs. 1 BGB nicht für und gegen den Vertretenen wirken soll.
Deshalb kommt hier eine Vollmacht kraft Rechtsscheins nicht in Betracht.

c. Zwischenergebnis
A handelte ohne Vollmacht
















Verloren und durchsetzbar?






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