Version [8972]
Dies ist eine alte Version von FallBriefAufUmwegen erstellt von WojciechLisiewicz am 2010-12-09 11:31:52.
Fall: Brief auf Umwegen
A. Sachverhalt
Jung (J) begibt sich am 10.10.2010 zum Antiquitätenhändler Alt (A) und fragt, ob A für ihn einen bestimmten antiken Tisch mit 6 Stühlen aus dem 18. Jahrhundert besorgen könnte. J hätte viel Geld, aber kaum Zeit, seine Wunschmöbelstücke selbst zu suchen. Dabei zeigt J auch ein entsprechendes Bild.
A kann den Wunsch des J nicht aus seinem Bestand erfüllen, er meint aber, dass er für 3.200,- EUR inklusive aller Kosten dies in Auftrag nehmen könnte. J ist einverstanden, dass er dem A etwas Zeit einräumt. Beide vereinbaren, dass A versuchen wird, die Sachen für J bis zum 31.10.2010 zu besorgen. J verabschiedet sich mit der Aussage, dass er bis zum 31.10. warten und sich danach anderweitig umsehen werde.
A findet die Möbel und hat sie bereits am 21.10.2010 bei sich stehen. Er schreibt den J mit einem Einschreiben am gleichen Tag an mit der Aussage, dass J die Möbel für 3.100,- EUR abholen könne - sogar unter dem vereinbarten Preis. Der Brief des A gelangt jedoch infolge einer Störung im Verteilzentrum der Post zwischen Steuerräder einer Sortiermaschine und wird zerrissen, wodurch sich die Zustellung um einiges Verzögert. Am 30.10.2010 soll der durch die Post umverpackte und zusammengeklebte Brief inklusive eines Entschuldigungsschreibens zugestellt werden. J wird aber in seiner Wohnung nicht angetroffen, weshalb er lediglich einen Abholschein für ein Einschreiben vorfindet. Er holt den Brief erst am 02.11.2010 ab und wundert sich über die Verpackung, das Schreiben der Post und den zerrissenen Brief des A. Im Entschuldigungsschreiben der Post liest er, dass der Brief an sich bereits am 23.10. bei ihm angekommen wäre, aber durch die Umstände nun alles länger gedauert hat.
J kümmert sich nicht mehr um die Angelegenheit, weil er davon ausgeht, dass in diesem Fall A Pech gehabt hat, wenn sein Brief zu spät angekommen ist.
Nach einiger Zeit meldet sich A bei J und verlangt Bezahlung der Möbelstücke und Abholung.
B. Frage
Darf er das?
C. Musterlösung
A könnte gegen J einen Anspruch auf Zahlung von 3.100,- EUR sowie Abholung der Möbel gem. § 433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung dafür ist, dass der Anspruch erworben, nicht verloren wurde und durchsetzbar ist.
Den Anspruch könnte A durch einen wirksamen Kaufvertrag mit dem J gem. § 433 BGB erworben haben.
Zwischen A und J könnte ein Vertrag zustande gekommen sein. Ein Vertrag wird durch Angebot und Annahme geschlossen, wobei die Willenserklärung inhaltlich übereinstimmen und die Annahme zu einem Zeitpunkt erfolgt, in welchem eine Bindung an das Angebot noch gegeben ist.
1. Angebot
Zunächst ist zu prüfen, ob hier ein verbindliches Angebot vorliegt. Dafür müsste eine der Parteien gegenüber der anderen eine Willenserklärung abgegeben haben, die dem Adressaten zugegangen ist und inhaltlich alle Bestandteile eines Angebotes i. S. d. § 145 BGB enthält.
J könnte gegenüber A ein Angebot am 10.10. abgegeben haben, indem er erklärte, dass er einen antiken Tisch mit 6 Stühlen kaufen möchte. Bei dieser Erklärung fehlt allerdings die Angabe des Kaufpreises, so dass darin kein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages gesehen werden kann.
A könnte J ein Angebot über Lieferung der Möbel für 3.200,- EUR gemacht haben. A sagte, dass er für 3.200 EUR den Auftrag ausführen könnte. Dies ist eine Willenserklärung. Dies ist eine Erklärung, welche den Kaufpreis und den Kaufgegenstand hinreichend genau bestimmt. Die Erklärung ist auch durch A abgegeben und dem J zugegangen. Damit hat A gem. § 145 BGB ein Angebot abgegeben.
2. Annahme
J ist mit dem Vorschlag des A einverstanden. Damit hat J das Angebot des A angenommen.
3. Annahmefähigkeit des Angebotes
J hat das Angebot sofort mündlich angenommen. Damit wurde das Angebot zu einem Zeitpunkt angenommen, in welchem es noch bindend war.
4. Übereinstimmung
Die Erklärungen der Parteien könnten auch übereinstimmend sein. J gibt dem A bis zum 31.10. Zeit die Möbel zu besorgen. Ansonsten würde er sich anderweitig umsehen. Somit erweitert er das Angebot um eine Frist. Es liegt keine Übereinstimmung vor.
Dies ist eine Annahme unter Erweiterungen bzw. Einschränkungen. Sie kann nur als ein neues Angebot i. S. d. § 150 Abs. 2 BGB angesehen werden. Voraussetzung für den Vertragsschluss auf diesem Wege wäre, dass eine erneute Annahme erfolgt, Annahmefähigkeit und Übereinstimmung vorliegen.
D. Lösungshinweise