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Fallbeispiel: Klage gegen EG-Vertragsänderung
Die Regierungen der EG-Mitgliedstaaten unterzeichnen einen Vertrag zur Änderung des EG-Vertrages (EGV). Die Änderung betrifft insbesondere die bisher nur in Ansätzen erfolgte Integration in den Bereichen Steuern und Sicherheitspolitik. Unter anderem enthält der neue EGV Folgende Regelung:
"Die Europäische Gemeinschaft ist für die Rechtsetzung hinsichtlich der Steuern und Abgaben ausschließlich zuständig. Die Einnahmen aus Steuern und Abgaben jeder Art stehen der Europäischen Gemeinschaft zu. Die Mitgliedstaaten erhalten Finanzmittel aus dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaft nach einem in einer Rechtsverordnung des Rates festgelegten Schlüssel."
Der Bundestag und der Bundesrat stimmen dem Vertrag ordnungsgemäß per Gesetz zu. Der pensionierte Richter A akzeptiert eine "derartige Aushöhlung des Staates Bundesrepublik Deutschland" nicht, wie er sich ausdrückt. Er erhebt gegen die Änderung des EGV umgehend Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Frage 1: Ist die Klage des A zulässig?
Frage 2: Wäre die Klage des B begründet?
Lösungsskizze (keine ausführliche Formulierung):
A. Frage 1
Die Klage ist zulässig, wenn die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Gerichts erfüllt sind. Hier kommen die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Betracht gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, §§ 90 ff. BVerfGG erfüllt sind
gegen die Änderung des EGV eine Rechtsschutzmöglichkeit hat.
1. Beschwerdegegenstand
Wichtige Vorüberlegung: Wogegen will A vorgehen? Wenn er gegen die Änderung des EGV wörtlich vorgehen möchte, dann handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der gemäß dem Katalog des § 13 BVerfGG nicht als Klagegegenstand in Betracht kommt. Damit kann A einen völkerrechtlichen Vertrag vor einem deutschen Gericht nicht angreifen. Auch die Mitwirkung der deutschen Regierung bei Abschluss des Vertrages kann nicht angegriffen werden, weil ohne Ratifizierung eines völkerrechtlichen Vertrages kann dieser keine rechtliche Wirkung im Inland erzielen. Er kann aber gegen das Zustimmungsgesetz zur Änderung des EGV klagen, weil Gesetze als Klagegegenstand einiger Verfahren nach § 13 BVerfGG vorgesehen sind.
Da ein Rechtsschutz gegen völkerrechtliche Verträge vor deutschen Gerichten grundsätzlich nicht möglich ist, kommt hier ausschließlich eine Klage gegen das Zustimmungsgesetz zur Änderung des EGV in Betracht. Da A eine Privatperson ist, kann er grundsätzlich nur eine Verfassungsbeschwerde im Sinne des Art. 93 I 4) GG und § 13 Pkt. 8a) BVerfGG erheben.
Anschließend sind die übrigen Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zu prüfen:
2. Beschwerdefähigkeit
= natürliche Person grundsätzlich grundrechtsfähig (+)
3. Beschwerdebefugnis
geschützte Rechtsgüter = in Betracht kommen Art. 2 GG (allgemeines Freiheitsgrundrecht) und Art. 38 GG (Wahlrecht);
- Art. 2 GG - kann vor übermäßiger Besteuerung schützen, hier liegt aber eine reine Übertragung auf EG, keine konkrete Regelung vor; damit wäre zu prüfen, ob diese Übertragung dazu führen könnte, dass der Beschwerdeführer nicht mehr in seinem Freiheitsgrundrecht geschützt wäre (vgl. Maastricht-Entscheidung des BVerfG, BVerfGE 89, 155 ff.); nach der Rechtsprechung des BVerfG sind die Organe der EG aber an die deutschen Grundrechte gebunden; nach abweichender Meinung hat die EG einen eigenen Grundrechtsschutz, der Voraussetzung ist für Übertragung von Kompetenzen und Beteiligung der BRD an der EG/EU (Art. 23 GG); in jedem Falle aber büßt der Beschwerdeführer keine Rechte durch Übertragung der Steuerkompetenz ein, also ist ein Eingriff in Art. 2 GG nicht denkbar;
- Art. 38 GG - Wahlrecht zum Bundestag ist aber nicht betroffen; hier aber Maastricht: Art. 38 schütze nicht nur Wahlrecht zum BT, sondern auch den Inhalt dahinter, die Legitimation der Gewalt durch das Volk; Art. 38 GG enthalte das Recht des Einzelnen, Verwirklichung des Demokratieprinzips zu verlangen; dies wäre auch eigenes (steht jedem Bürger zu), durch Erlass des Zustimmungsgesetzes unmittelbar und gegenwärtig betroffenes Recht des Antragstellers; vorausgesetzt, bei der Geltendmachung des Art. 38 GG ist
4. Erschöpfung des Rechtsweges
5. Subsidiarität
6. Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts
7. Postulationsfähigkeit, Legitimation
8. Formalien
- Form und Frist
- Prozessfähigkeit = §§ 51 ZPO, 62 VwGO; keine Anhaltspunkte, dass sie fehlt (volle Geschäftsfähigkeit)
B. Frage 2
vgl. ähnlicher Fall sehr ausführlich:
Falltext: http://www.saarheim.de/Faelle/vertraege-fall.htm
Falllösung: http://www.saarheim.de/Faelle/vertraege-loesung.htm