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Entflechtung der Netzbetreiber


Neben Regulierung des Netzzugangs und der Netzentgelte ist die Unabhängigkeit der Netzbetreiber eines der zentralen Institute des liberalisierten Energiemarktes. Die als Entflechtung bzw. Unbundling genannte Trennung des Netzbetriebes von den Marktbereichen der Energiewirtschaft (Gewinnung/Erzeugung oder Vertrieb) sieht einige Vorgaben für Energieversorgungsunternehmen vor, die hier im Einzelnen zu behandeln sind.

Nach einigen einführenden Informationen über Entflechtung und ihre gesetzliche Regelung (A.) wird die Frage der Pflicht zur Entflechtung behandelt (B.) und anschließend die einzelnen Anforderungen, die von Unternehmen im Rahmen der Entflechtung zu erfüllen sind (C.).

A. Einführung und Grundlagen


1. Problembeschreibung
Die Liberalisierung der Energiewirtschaft im Bereich der Stromerzeugung / Gasgewinnung auf der einen und des Energievertriebs auf der anderen Seite ist nur möglich, wenn der Zugangsweg der Lieferanten zum Kunden - also die Netze - allen Marktteilnehmern nach gleichen Regeln zur Verfügung stehen. Da die Gleichbehandlung bei Netzzugang nur dann wirklich gewährleistet werden kann, wenn der Netzbetreiber nicht vom Produzenten oder Verkäufer der durchzuleitenden Energie abhängig ist, ist eines der notwendigen Elemente der Liberalisierung die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Netzbetreiber. Erst die durch die Entflechtung erreichte Transparenz führt dazu, dass die diskriminierungsfreie Abwicklung des Netzbetriebes sichergestellt bzw. effektiv kontrolliert werden kann und eventuelle Quersubventionierungen anderer Geschäftsbereiche des Unternehmens aufgedeckt und anschließend unterbunden werden. Dies dient letztendlich einem übergeordneten Ziel: der Herstellung wirksamen Wettbewerbs.

Wie die - durch Entflechtung zu verhindernde - Quersubventionierung entstehen kann, zeigt die nachstehende Abbildung:

 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRUnbundling/folie_047.png)

2. Rechtsquellen
Die Pflicht zur Entflechtung der Netzbetreiber resultiert aus europäischem Recht. Sie ist in der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/72/EG) und in der Gasbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/73/EG) vorgegeben.
Im deutschen Recht sind die Richtlinievorgaben in den §§ 6 ff. EnWG umgesetzt worden. Diese Vorschriften stellen zugleich die Grundlage des Unbundling im nationalen Recht.

3. Gesetzlich vorgesehene Formen der Entflechtung
Das Unbundling hat mehrere Dimensionen. Damit ist Entflechtung in verschiedener Hinsicht denkbar und notwendig. Folgende Formen sind nach der geltenden Rechtslage zu unterscheiden:

a. Buchhalterisches Unbundling
Das buchhalterische Unbundling, welches auch unbundling of accounts genannt wird, bedeutet eine buchhalterische Trennung des Netzbetriebs von anderen Tätigkeitsbereichen des vertikal integrierten Unternehmens.

b. Informationelles Unbundling
Das informationelle Unbundling hat zum Ziel, sensible Informationen im Zusammenhang mit dem Netzbetrieb vor unbefugtem Zugriff (insbesondere aus anderen Bereichen eines vertikal integrierten Unternehmens) zu schützen. Deshalb schreibt § 6a EnWG eine getrennte Verarbeitung und Nutzung solcher Informationen vor.

c. Organisatorisches Unbundling
Das organisatorische Unbundling (auch operationelles Unbundling genannt) soll gem. § 7a Abs. 1 EnWG die Unabhängigkeit der Netzbetreiber von anderen Unternehmensbereichen eines integrierten Energieversorgungsunternehmens (EVU) hinsichtlich der Organisation, der Entscheidungsgewalt und der Ausübung des Netzgeschäfts sicherstellen.

d. (Gesellschafts-)Rechtliches Unbundling
Das rechtliche Unbundling, welches auch als legal Unbundling bezeichnet wird, ist im § 7 EnWG geregelt. Es sieht eine vollständige gesellschaftsrechtliche Trennung der Aktivitäten im Netzbetrieb von den übrigen Tätigkeitsbereiche des EVU. Der Netzbetrieb muss demnach ein eigenständiges Rechtssubjekt verantworten, i. d. R. eine speziell für diesen Zweck berufene Gesellschaft.

e. Eigentumsrechtliches Unbundling
Das eigentumsrechtliche Unbundling, welches auch ownership unbundling genannt wird, ist in §§ 8 ff. EnWG geregelt. Die eigentumsrechtliche Entflechtung sieht an sich eine vollständige (auch Eigentum an Netzen) Trennung des Netzbetriebs von den übrigen Sparten der Energieversorgung. Hiervon sieht der Gesetzgeber jedoch Ausnahmen vor, wonach alternativ zur Übertragung der Netze auf andere Eigentümer auch die Schaffung eines unabhängigen Systembetreibers (§ 9 EnWG) oder eines unabhängigen Transportnetzbetreibers (§ 10 - 10e EnWG) möglich sind.
Der unabhängige Systembetreiber ist dabei bereits in den Energiebinnenmarktrichtlinien vorgesehen und wird in deren englischen Fassung als Independent System Operator (ISO) genannt; der unabhängige Transportnetzbetreiber wird dabei Independent Transmission Operator (ITO) genannt. Diese Bezeichnungen und Abkürzungen werden für die Rechtsinstitute ebenfalls häufig verwendet.


B. Voraussetzungen, unter welchen Unbundling durchzuführen ist
Eine der Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Entflechtung stellen kann, ist die Frage, ob ein Energieversorgungsunternehmen Entflechtung - in einer oder mehreren der gesetzlich vorgesehenen Formen - durchführen muss. Inwiefern das Unternehmen zur Entflechtung verpflichtet ist, ist in Bezug auf die einzelnen Unbundlingformen unterschiedlich zu beantworten. Einige Fragen sind dabei allerdings gleich:

1. Adressat der Regelung: vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen
Adressat des § 6 EnWG und zugleich Grund für die Anordung der Entflechtung durch den Gesetzgeber sind die vertikal integrierten Unternehmen. Ist ein Unternehmen ein vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen, dann sind für dieses Unternehmen die §§ 6 ff. EnWG anzuwenden und es ist im Einzelnen zu prüfen, welche Formen der Entflechtung im Einzelnen umzusetzen sind.
Was ein vertikal integriertes Unternehmen in der Energiewirtschaft ist, definiert § 3 Nr. 38 EnWG. Einzelheiten zum Begriff des vertikal integrierten Unternehmens wurden im Lexikon des Energierechts vorgestellt.

2. Die de-minimis-Regelung
Ein Teil der Entflechtungsregelungen ist nur dann anzuwenden, wenn eine bestimmte Unternehmensgröße erreicht wurde (vgl. § 7 Abs. 2 EnWG bzw. § 7a Abs. 7 EnWG). Ist die Größe im Sinne dieser sog. de-minimis-Klausel nicht erreicht, ist kein rechtliches und kein organisatorisches Unbundling durchzuführen.
Unternehmen im Sinne der sog. de-minimis-Regelung sind Unternehmen mit weniger als 100.000 Kunden. Die Definition des Kunden ist in diesem Fall so zu verstehen, dass jeder Anschluss bzw. Haushalt am Elektrizitätsversorgungsnetz bzw. Gasversorgungsnetz des Energieversorgungsunternehmens als Kunde zu betrachten sind.
Eine Ausnahme, in deren Rahmen die sog. Konzernklausel greift, gilt, wenn ein vertikal integriertes Unternehmen von einem anderen kontrolliert wird und beide zusammen mehr als 100.000 Kunden haben. Dann wird die Kundenzahl entsprechend addiert und beide verbundenen Unternehmen sind verpflichtet, sowohl das operationelle wie das rechtliche Unbundling umzusetzen. Kontrolle bedeutet hier, dass ein Unternehmen die Kapitalmehrheit an dem anderen hält oder ein Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung an dem anderen hält, aber faktisch (z. B. durch Konsortialverträge mit anderen Anteilseignern o. ä.) eine Stimmenmehrheit in den kontrollierenden Gremien des Unternehmens hat.

3. Transportnetzbetreiber vs. Verteilernetzbetreiber
Aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass Transportnetzbetreiber anderen Regelungen unterliegen, als die Verteilernetzbetreiber. Während das
    • informationelle (§ 6a EnWG) und
    • buchhalterische (§ 6b EnWG)
Unbundling in allen Arten von Energieversorgungsunternehmen durchzuführen ist, sind die übrigen Entflechtungsformen je nach Art des integrierten Netzbetreibers unterschiedlich auszugestalten. Demnach gilt:
    • Verteilernetzbetreiber sind verpflichtet, das rechtliche (§ 7 EnWG) und das operationelle (organisatorische) Unbundling (§ 7a EnWG) umzusetzen;
    • Transportnetzbetreiber sind verpflichtet, das eigentumsrechtliche Unbundling (§§ 8 ff. EnWG) umzusetzen, alternativ einen ISO oder ITO zu bestimmen.


C. Anforderungen an die Entflechtung / Verstöße gegen Entflechtungsregelungen
Die einzelnen Unbundlingformen bringen für die betroffenen Energieversorgungsunternehmen eine Reihe von Verpflichtungen, die von diesen zu erfüllen sind und nachstehend behandelt werden.

1. Buchhalterisches Unbundling gem. § 6b EnWG
Das buchhalterische Unbundling haben sowohl Verteilernetzbetreiber als auch Transportnetzbetreiber umzusetzen. Es verlangt von Energieversorgungsunternehmen in erster Linie, getrennte Konten für verschiedene Aktivitäten des Unternehmens zu führen (siehe § 6b Abs. 3 EnWG). Der Netzbetrieb muss in jedem Falle klar von anderen Unternehmensbereichen getrennt sein. Ferner stellt es besondere Anforderungen an den Jahresabschluss und verlangt eine qualifizierte Prüfung des Jahresabschlusses mit Testat zur Erfüllung der Entflechtungsvorgaben (§ 6b Abs. 5 EnWG).
Die getrennte Kontoführung soll durch eine gesteigerte Transparenz der Kostenzuordnung zu einer besseren Vergleichbarkeit der Entgelte führen, die das integrierte Unternehmen von Wettbewerbern verlangt. Ferner sollen die Kosten, die innerhalb des Unternehmens oder Konzerns kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden, sichtbar werden.
Die buchhalterische Entflechtung greift insofern nicht in die Struktur des Unternehmens ein, sondern bewirkt lediglich eine Trennung entsprechender Unternehmensbereiche in der Buchführung.

2. Informationelles Unbundling
Das informationelle Unbundling, welches in § 6a EnWG geregelt ist, muss sowohl von Verteilernetz- wie auch von Transportnetzbetreibern zwingend umgesetzt werden. Ziel der informationellen Entflechtung ist dabei, aus dem Betrieb der Netze resultierende Informationsvorsprünge der vertikal integrierten Unternehmen gegenüber den nicht integrierten Wettbewerbern auszuschließen.
§ 6a EnWG verpflichtet zur getrennten Verarbeitung betriebswichtiger Informationen. Dies sind z. B. Daten der an das Netz angeschlossenen Verbraucher, die im Rahmen des Netzbetriebs gewonnen und auf den Märkten der Erzeugung bzw. des Energievertriebs zulasten der dort ebenfalls agierenden Wettbewerber nutzbar gemacht werden könnten. Da der Informationsfluss innerhalb von zusammenhängenden Unternehmensstrukturen schwer zu unterbinden ist, kann die informationelle Entflechtung partiell bereits eine strukturelle Trennung verschiedener Bereiche des Unternehmens bewirken. § 6a EnWG enthält zwei verschiedene Anwendungsbereiche der Informationstrennung. Abs. 1 befasst sich mit der Vertraulichkeitswahrung von wirtschaftlich sensibler Informationen (Beispiel: Netznutzerinformationen). Abs. 2 der Vorschrift regelt hingegen den Umgang mit sonstigen Informationen (Beispiel: Netzinformationen). Der Hauptunterschied in der Rechtsfolge liegt darin, dass erstere Informationen in jedem Falle vertraulich zu behandeln sind, letztere dagegen unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung (und nur so!) offen gelegt werden können.

3. Organisatorisches / operationelles Unbundling
Vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen, die in ihrem Unternehmen auch Verteilernetze betreiben, sind gem. § 7a Abs. 1 EnWG zum organisatorischen Unbundling verpflichtet (sofern nicht nach § 7a Abs. 7 EnWG die de-minimis-Klausel greift).
Zu den Anforderungen im Rahmen des organisatorischen Unbundling gehören insbesondere:
    • Schaffung personeller Unabhängigkeit und Ausstattung im Netzbetrieb,
    • Unabhängigkeit der Leitung des Netzbetriebs sowie Sicherung ihrer Entscheidungsbefugnisse,
    • Schaffung eines Gleichbehandlungsprogramms und Berufung eines Gleichbehandlungsbeauftragten,
    • etc.

4. Rechtliches Unbundling
Das rechtliche Unbundling, welches auch als legal unbundling bezeichnet wird, ist in § 7 EnWG vorgesehen. Demnach ist eine vollständige gesellschaftsrechtliche Trennung des Netzbetriebs von den übrigen Tätigkeiten eines Energieversorgungsunternehmens vorzunehmen, wobei das Gesetz aber keine bestimmte Rechtsform vorschreibt. Allein durch die separate Rechtsperson wird dem Netzbetrieb eine eigenständig agierende Geschäftsleitung vorangestellt.
Ziel dieser Entflechtung ist es, die Transparenz nochmals bei den wechselseitigen Beziehungen zwischen den Sparten zu erhöhen, um die Kontrolle der Quersubventionierungen und Diskriminierung von anderen Marktteilnehmern zu erleichtern.
Die infolge der rechtlichen Entflechtung entstehenden Gesellschaften können allerdings innerhalb einer Unternehmensgruppe verbleiben und voneinander abhängig sein. Die rechtliche Entflechtung führt somit nur zu einer unechten strukturellen Trennung verschiedener Unternehmensbereiche und nicht zu einer eigentumsrechtlichen Abtrennung der Netzsparten.

5. Verschärftes Unbundling für Transportnetzbetreiber
Diese Form der Entflechtung stellt den intensivsten Eingriff in die unternehmerischen Entscheidungen des Energieversorgungsunternehmens dar. Es gilt allerdings nur für Transportnetzbetreiber.
Die eigentumsrechtliche Entflechtung sieht an sich eine vollständige - auch im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse - Trennung des Netzbetriebs von den übrigen Sparten der Energieversorgung. Hiervon sieht der Gesetzgeber jedoch Ausnahmen vor, wonach alternativ zur Übertragung der Netze auf andere Eigentümer auch die Schaffung eines unabhängigen Systembetreibers (§ 9 EnWG) oder eines unabhängigen Transportnetzbetreibers (§ 10 - 10e EnWG) möglich sind.
Entflechtung ist hierbei jedochverschiedenen Sparten eines integrierten Unternehmens.
Ziel dieses Unbundlings ist die Unterbindung von Diskriminierungsanreize, welches zur Folge hat, dass es zu einer echten strukturellen Trennung der verschieden Tätigkeitsebenen kommt, wobei das vertikal integrierte Unternehmen alle formalen Eigentumsrechte an den auszugliedernden Netzsparten verliert. Dies steht jedoch im Konflikt zu Art. 14 GG, in welchem eine verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie vorgesehen ist.
Transportnetzbetreiber haben die Möglichkeit das eigentumsrechtliche Unbundling durch die Benennung eines unabhängigen Systembetreibers nach § 9 EnWG oder eines unabhängigen Transportnetzbetreibers nach § 10 EnWG zu umgehen. Bei dem Modell des unabhängigen Systembetreibers, welcher auch als ISO (Independent System Operator) bezeichnet wird, verbleibt das gesamte Netzeigentum beim Mutterkonzern, wobei für den gesamten Netzbetrieb ein Art Treuhänder verantwortlich ist, der von den Produktions- und Vertriebsinteressen des Mutterkonzerns genauso unabhängig ist, wie ein eigentumsrechtlich entflochtener Netzbetrieb. Bei dem Modell des unabhängigen Transportnetzbetreibers, welcher auch als ITO (Independent Transmission Operator) bezeichnet wird, bleiben die Netze weiterhin im Eigentum der Tochtergesellschaft, der Mutterkonzern darf aber die Hälfte plus einen der Aufsichtsratmitglieder selbst bestimmen.

Die Optionen fasst die nachstehende Grafik zusammen:


 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRUnbundling/folie_050.png)


D. Fallbeispiel
Das Gasversorgungsunternehmen Primagas (P) versorgt in der Region seiner Hauptniederlassung Kunden mit Erdgas. In einigen weiteren Regionen verfügt das Unternehmen über mehrere kleinere Standorte, an denen weitere Kunden mit Erdgas versorgt werden. Das vertikal integrierte Unternehmen verfügt über eine Vertriebsabteilung, die bundesweit Gas anbietet. Das Gas wird überwiegend vom russischen Partner bezogen (Gasimport). Darüber hinaus verfügt P über ein Gasversorgungsnetz in der Stadt der Hauptniederlassung, aus dem ca. 80.000 Kunden versorgt werden.

Derzeit überlegt die Geschäftsleitung den Erwerb eines weiteren Unternehmens, das ein Gasversorgungsnetz in einer anderen Region Deutschlands betreibt, an welches insgesamt weitere 40.000 Kunden angeschlossen sind. Dabei ist die Frage aufgetreten, inwiefern P eine Entflechtung des Netzbetriebes und entsprechende Trennung von anderen Unternehmenssparten (insbesondere vom Vertriebsbereich) vollziehen muss.

Deshalb stellt die Geschäftsleitung von P die Frage:
1. Inwiefern ist P verpflichtet, die Entflechtungsregelungen im eigenen Unternehmen umzusetzen?
2. Wie ändert sich die Situation durch den o. g. Erwerb eines weiteren Gasversorgungsunternehmens?


1. Inwiefern hat P Entflechtungsregelungen umzusetzen?
P muss Regelungen über die Entflechtung befolgen, wenn er zu den Adressaten der entsprechenden Regelungen (§§ 6 ff. EnWG) gehört. Dies ist dann der Fall, wenn P:
    • ein vertikal integriertes Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 38 EnWG ist und
    • zugunsten von P keine gesetzliche Ausnahme von der Unbundling-Verpflichtung gilt.

a. Vertikal integriertes Unternehmen
Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 38 EnWG sind in folgender Struktur erfasst. Demnach finden die Unbundlingregeln auf P Anwendung, wenn P:
      • als einzelne Gesellschaft oder im Konzernverbund tätig ist und
      • sowohl Netzbetrieb (oder andere in § 3 Nr. 38 EnWG genannten Tätigkeiten) wie auch Energievertrieb innehat.
Im Falle des Unternehmens P handelt es sich um ein Gasversorgungsunternehmen. Es besitzt sowohl ein Gasnetz sowie auch Gasvertrieb, wodurch es sich um ein vertikal integriertes Unternehmen handelt.

b. Ausnahme von der Pflicht zur Entflechtung
Die Ausnahmen von der Pflicht zur Entflechtung gelten nur im Hinblick auf einzelne Pflichten (vgl. auch folgende Struktur). Während §§ 6a und 6b EnWG uneingeschränkt gelten, sind die Pflichten aus § 7 EnWG (legal unbundling) sowie aus § 7a EnWG (management unbundling) nur dann einschlägig, wenn die sog. de-minimis-Regelung nicht greift (§ 7 Abs. 2 EnWG bzw. § 7a Abs. 7 EnWG) - was detailliert geprüft werden muss.

Die sog. de-minimis-Regelung schließt die Anwendung der §§ 7 und 7a EnWG aus. Demnach gilt für kleinere Versorger (unter 100.000 an das Netz angeschlossene Kunden) keine Verpflichtung, rechtliches oder organisatorisches Unbundling (Details siehe oben) einzuführen. Bis zur geplanten Übernahme hat P 80.000 Kunden, was eindeutig weniger als 100.000 Kunden sind, weshalb diese Pflichten für P nicht in Betracht kommen.
Ungeachtet dessen ist P verpflichtet, das buchhalterische und informationelle Unbundling im Unternehmen umzusetzen! Die einzelnen daraus folgenden Pflichten sind hier zusammengefasst.


2. Welche Änderung der Rechtslage tritt durch Erwerb eines weiteren Netzes ein?
Durch die Übernahme des Unternehmens könnten die Vorschriften für das rechtliche und organisatorische Unbundling anwendbar sein. Denn durch den Erwerb eines weiteren Unternehmens könnte die de-minimis-Grenze überschritten werden, weshalb die Unbundlingvorschriften uneingeschränkt anzuwenden wären.

Die Klausel des § 7 Abs. 2 EnWG (ebenso wie die des § 7a Abs. 7 EnWG) bezieht sich allerdings nicht auf die Gesamtsumme der (Liefer-)Kunden eines Unternehmens, sondern auf die an das Netz des Unternehmens angeschlossenen Kunden. Hier werden zwei Netze von zwei unterschiedlichen Unternehmen zunächst einmal nur im Konzernverbund zusammengefasst, insofern führt die Übernahme eines weiteren Unternehmens mit seinen angeschlossenen Kunden nicht zwangsläufig zur Anwendung der §§ 7 und 7a EnWG.

Es ist allerdings zu beachten, dass die de-minimis-Regelung dann nicht greift, wenn im gesamten Konzern die Schwelle von 100.000 an das Netz (bzw. die Netze) angeschlossenen Kunden überschritten wird (sog. Konzernklausel). Dies führt dazu, dass die Übernahme eines weiteren Netzbetreibers zur Addition der Netzkunden führen muss und die de-minimis-Grenze dadurch überschritten wird. Nach Übernahme des im Sachverhalt genannten Unternehmens muss das Unternehmen auch §§ 7 und 7a EnWG beachten.






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