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Regulierung der Netzentgelte

in der Strom- und Gaswirtschaft

Zu Rechtsfragen der Berechnung von Erlösobergrenzen und auf dieser Grundlage der Netznutzungsentgelte vgl. auch separaten Artikel zur Anreizregulierungsverordnung und im Zusammenhang mit dem Begriff Effizienzvorgabe vgl. auch den Artikel über den Effizienzwert.

A. Einleitung

Der Netzzugang als solcher führt zu keinem gewünschten Zustand aus dem Blickwinkel der Liberalisierung der Energiewirtschaft, wenn Netzbetreiber überhöhte Entgelte für die Netznutzung erheben. Da es sich bei Energieversorgungsnetzen um natürliche Monopole handelt, können die Betreiber zur Erzielung einer Monopolrendite durchaus geneigt sein. In solchen Fällen ist der Energiepreis beim Endkunden trotz Wettbewerbs zwischen den Lieferanten überhöht. Darüber hinaus treten Wettbewerbsverzerrungen auf, wenn der Netzbetreiber im gleichen Unternehmen bzw. zumindest im gleichen Konzern vereint ist, wie ein Erzeuger oder Lieferant.

Deshalb ist staatliche Überwachung der Entgelte für Netznutzung wesentlicher Bestandteil der Marktordnung und für Wettbewerb am Energiemarkt und für ökonomische Effizienz des Gesamtsystems unerlässlich.

Dieses Phänomen schildert auch folgendes Beispiel:

 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRNNE/Folie_45.jpg)


Das Beispiel zeigt, dass der Betreiber einer Erzeugungsanlage (zum Beispiel eines Kraftwerks) - sofern er auch über das Netz verfügt, das sein Wettbewerber ebenfalls nutzen muss - in der Lage ist, allein durch die (von tatsächlichen Kosten nicht gerechtfertigte) Erhöhung des Netzentgeltes seinen Wettbewerber der Wettbewerbsvorteile (im Hinblick auf Preise) zu berauben. A verdient dabei in Summe das Gleiche, obwohl er seinen Energiepreis selbst (künstlich) senkt. Es ist somit eine Wettbewerbsverzerrung möglich. An dieser Stelle setzt die Regulierung der Netzentgelte an.

B. Rechtsquellen
Die gesetzliche Grundlage der Netzentgeltregulierung ist in den § 21 EnWG und ff. enthalten, die in den Ausführungsverordnungen StromNEV, GasNEV und ARegV um Detailregelungen ergänzt werden.
Darüber hinaus sind bei der Festlegung von Netzentgelten im grenzüberschreitenden Bereich die europäischen Stromhandelszugangsverordnung Nr. 714/2009 und die Erdgaszugangsverordnung Nr. 715/2009 zu beachten.

C. Rechtlicher Rahmen im EnWG
Im EnWG wird der rechtliche Rahmen durch die § 21 EnWG, § 21a EnWG, § 23a EnWG, § 112a EnWG gebildet.
Dabei werden in § 21 I 1 EnWG die allgemeinen Regeln festgelegt. Demnach müssen die Netzentgelte:
  • angemessen
  • diskriminierungsfrei
  • transparent sein.

In § 21 EnWG wird darüber hinaus ein Vergleich der Effizienz und Strukturen der Netzbetreiber anhand ihrer Kosten vorgeschrieben. Daraus sollen dann Schlüsse darüber gewonnen werden, wie ein möglichst effizienter Netzbetrieb aussieht. Auf der Grundlage der so ermittelten Daten soll die sog. Anreizregulierung entsprechende Anreize zu Effizienzsteigerung der nicht optimal wirtschaftenden Netzbetreiber schaffen. Auf diese Weise sollen - vereinfacht ausgedrückt - die Netzentgelte auf ein Minimum "gedrückt" werden, wobei gleichzeitig eine angemessene, risikoangepasste und wettbewerbsfähige Verzinsung des Kapitals dennoch möglich ist.
Das Vergleichsverfahren wird durch die Regulierungsbehörde durchgeführt (§ 21 III EnWG).

D. Anreizregulierung


1. Hintergrund
Die Anreizregulierung ist in Deutschland das behördliche Instrument der Wahl für die Marktregulierung des Netzmonopols in der Energiewirtschaft. Gründe für die Einführung der ARegV sind unter anderem, dass Netzbetreiber kein Eigeninteresse daran haben, ihre Kosten zu senken, um daraus generierte Gewinne an den Endverbraucher weiter zu geben. Sie soll Anreize schaffen, künftig Kosteneinsparpotenziale zu erkennen und zu nutzen.

2. Vergleich mit kostenbasierter Regulierung
Durch die Einführung der Anreizregulierung (ARegV) sollen mittelfristig die Erlöse von den Kosten eigentlich entkoppelt werden. Die Grundlage der Kostenrechnung baut auf den Bestimmungen der 2005 verabschiedeten Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), bzw. Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) auf. Einfach gesagt gibt die Anreizregulierung vor, welche beeinflussbare Kosten bei der Bildung der Erlösobergrenzen eine Rolle spielen und aus der Stromnetzentgeltverordnung lässt sich ableiten wie diese Kosten generell berechnet werden.
Die Unterschiede einer Anreizregulierung zu einer kostenorientierten Regulierung liegen in erster Linie darin, dass bei einer Anreizregulierung die Preise beziehungsweise Erlöse nicht vergangenheitsbezogen auf Basis der Kosten des Unternehmens ermittelt werden, sondern zukunftsorientiert ausgerichtet sind. Je nach Ausgestaltung bleibt dabei ein relativ hoher Grad an Flexibilität erhalten, solange die festgelegten Erlösobergrenzen eingehalten werden. Die Erlösobergrenzen werden für mehrere Jahre festgelegt, so dass regulierte Unternehmen zusätzlich Gewinne bis zur Neufestsetzung der Preis-/Erlösobergrenzen realisieren können. Folglich ergibt sich hier ein gewisser Gestaltungsspielraum für die Netzbetreiber.
Die Unterschiede fasst auch folgende Grafik zusammen:

 (image: https://ife.erdaxo.de/uploads/EnergieRNNE/Aenderungen_durch_ARegV.jpg)

3. Anreizregulierungsverordnung
Die ARegV wurde zum 1. 1. 2009 eingeführt und bildet die Vorgaben für die anreizregulierten Netznutzungsentgelte.
Der § 21a EnWG setzt den Rahmen für die Anreizregulierung und legt auch die Regulierungsperiode fest. Diese darf 2 Jahre nicht unter- und 5 Jahre nicht überschreiten (§ 21a III EnWG), wobei § 3 II ARegV eine Periode von 5 Jahren festgeschrieben hat. Anhand des Effizienzvergleichs werden Erlösobergrenzen festgelegt (§ 21a II EnWG i. V. m. § 4 I ARegV) und innerhalb dieser Grenzen können die Netzbetreiber ihre Netznutzungsentgelte festlegen.

4. Erlösobergrenze
Die Regulierung gem. ARegV erfolgt bezogen auf die sog. Erlösobergrenzen. Es werden demnach nicht die Netzentgelte selbst vorgegeben, sondern eine Obergrenze für die mit Netzentgelten zu erzielenden Einnahmen des Netzbetreibers. Insgesamt wird die Erlösobergrenze für einen Netzbetreiber in der Weise festgestellt, dass:
    • zuerst die aktuelle Kostensituation im Unternehmen nach Maßgabe der StromNEV/GasNEV ermittelt wird;
    • auf diese Kostenbasis einige Regulierungsfaktoren nach Maßgabe der §§ 8 ff ARegV angewendet werden, was sich aus der Regulierungsformel nach § 7 ARegV i. V. m. Anlage 1 ARegV ergibt; zentral ist in diesem Zusammenhang der dabei durchzuführende Effizienzvergleich;
    • schließlich das Saldo des Regulierungskontos i. S. d. § 5 ARegV zur Erlösobergrenze addiert wird (oder es wird abgezogen, wenn das Regulierungskonto negativ war).

Der Prüfungsaufbau zur Frage, inwiefern die Festlegung der Erlösobergrenze ordnungsgemäß erfolgt ist, kann hier eingesehen werden. Zu wichtigeren Prüfungspunkten des Prüfungsaufbaus wurden nachstehend weitergehende Informationen zusammengefasst.

5. Ermittlung der Kostenbasis
Die §§ 4 StromNEV bis § 11 StromNEV bestimmen welche Kosten grundsätzlich zur Ermittlung der Netznutzungsentgelte herangezogen werden dürfen. Hier sind vor allem Kosten die das Eigenkapital mindern zu nennen, wie aufwandsgleiche Kostenpositionen § 5 StromNEV, Abschreibungen § 6 StromNEV, EK-Verzinsung § 7 StromNEV, Steuern § 8 StromNEV oder Netzverluste § 10 StromNEV. Diese Kosten sind aus der GuV des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres zu nehmen und es dürfen nur Kosten verwendet werden, die auch bei vergleichbaren Netzbetreibern entstehen. Die Kosten für die Kalkulation der Netznutzungsentgelte dürfen verschiedene Arten der Kostenaufstellung verwendet werden. In den § 14 StromNEV bis § 16 StromNEV sind dazu Kalkulationen nach Kostenstellen und Kostenträgern definiert.

6. Zentraler Regulierungsfaktor: Effizienzvergleich
Bei der Ermittlung der Erlösobergrenzen sind insbesondere die § 12 ARegV, § 16 ARegV, § 17 ARegV und § 18 ARegV zu beachten. § 12 ARegV regelt den im EnWG vorgeschriebenen, sog. Effizienzvergleich, der vor der eigentlichen Regulierungsperiode stattfindet und für die gesamten 5 Jahre (§ 3 II ARegV) gilt. Das Ergebnis des Effizienzvergleichs - die konkrete Effizienzvorgabe für den jeweiligen Netzbetreiber - ist zentraler Bestandteil der Anreizregulierung.

7. Sonstige Regulierungsfaktoren
Neben dem zentralen Regulierungsfaktor - der Effizienzvorgabe - enthält die ARegV einige weitere Faktoren, die Einfluss auf die Erlösobergrenze haben. Sie sind alle bei der Festlegung der Erlösobergrenze für den jeweiligen Netzbetreiber zu berücksichtigen, andernfalls ist die Erlösobergrenze nicht rechtmäßig ermittelt worden. Alle Regulierungsfaktoren sind bereits in der Regulierungsformel gem. § 7 ARegV (vgl. auch Anlage 1) enthalten.

a. Allgemeine Geldwertentwicklung
Gem. § 8 ARegV ist bei der Berechnung der Erlösobergrenze die allgemeine Geldwertentwicklung (i. d. R. Inflation) zu berücksichtigen. Demgemäß ist bei Ermittlung der Erlösobergrenze auf der Grundlage der Kosten eines vorangegangenen Zeitraums das Ergebnis jeweils mit dem Inflationsindex (d. h. mit dem Verhältnis zwischen Verbraucherpreisgesamtindex des vorletzten Jahres vor Geltungsjahr der Erlösobergrenze und dem Index für Basisjahr) zu multiplizieren.

b. Sektoraler Produktivitätsfaktor
Die Erlösobergrenze muss auch die Vorgabe der Effizienzsteigerung in der Branche berücksichtigen. Unabhängig davon, wie sich die Kosten an sich entwickeln müssen Netzbetreiber also gewisse Einsparungen Jahr für Jahr erreichen. Dies ist ausdrücklich in § 9 ARegV vorgesehen. Für die ersten beiden Regulierungsperioden sind entsprechend 1,25 % und 1,5 % vorgesehen.

c. Erweiterungsfaktor
Die Erlösobergrenze muss auch eventuelle Veränderungen im Wirkungsbereich des Netzbetreibers berücksichtigen. Mit dem sog. Erweiterungsfaktor gem. § 10 ARegV werden sowohl der Ausbau wie auch der Rückbau des Netzes sowie der gesamten Infrastruktur (Versorgungsleistung, Anzahl der Anschlüsse etc.) berücksichtigt.

d. Qualitätselement
Auch die Qualität der Versorgung muss bei Berechnung der Erlösobergrenze berücksichtigt werden. Dies geschieht in Form des sog. Qualitätselements gem. § 19 ARegV. Details zur Bestimmung und Berücksichtigung des Qualitätselements in der Regulierungsformel regelt § 20 ARegV. Das Ziel dieses Regulierungsfaktors ist gem. § 18 ARegV die zur Sicherung eines langfristig angelegten, leistungsfähigen und zuverlässigen Netzbetriebs.


8. Netzentgelte auf der Grundlage der Anreizregulierung
Die eigentlichen Netznutzungsentgelte werden entsprechend § 17 ARegV bestimmt, der die Verteilung des Gesamterlöses (entsprechend der ermittelten Erlösobergrenze) in Netzentgelte regelt. Dabei verweist die Vorschrift auf Regelungen über Berechnung der Netzentgelte in der StromNEV/GasNEV (vgl. §§ 12-21).
Sofern die Vorgabe der Erlösobergrenze eine Absenkung der Netzentgelte notwendig macht, dann ist der Netzbetreiber hierzu verpflichtet. Andernfalls (wenn eine Netzentgelterhöhung notwendig ist) ist er dazu lediglich berechtigt, § 17 Abs. 2 ARegV.


E. Fallbeispiel
Der Energieversorger Stromausfall (S) betreibt ein Stromnetz in der Stadt Wattenhausen und in ihrer Umgebung. Die steigenden Betriebskosten des Netzes belasten immer stärker das Finanzergebnis des Unternehmens, weshalb seine Geschäftsführung eine "Netzentgeltoffensive" eröffnet. Ziel der Maßnahmen bei S ist eine vollständige Abdeckung der Kosten des Netzbetriebes in den Netzentgelten.

Da die Netzentgelte derzeit gemäß den Regeln der sog. Anreizregulierung gebildet werden sollen, sucht die Geschäftsführung von S eine Strategie für die Unternehmensführung, damit die o. g. Ziele erreicht werden können. Deshalb fragt die Geschäftsführung:

  1. Wie nach der aktuellen Rechtslage Entgelte für die Netznutzung festzulegen sind?
Antwort vgl. oben sowie folgende Baumstruktur .

  1. Welche Strategie dem Versorger zu empfehlen ist, wenn der Netzbetrieb profitabel erfolgen soll?
Da die Effizienzvorgabe nicht nur von den Kosten des Netzbetreibers selbst sondern von dem Effizienzniveau auch anderer Netzbetreiber abhängt, führt kein Weg an der Effizienzsteigerung vorbei. Um einen profitablen Netzbetrieb zu erreichen, muss der Netzbetreiber also an einer Reduzierung seiner Kosten arbeiten. War es früher möglich die Kosten mit in den Ansatz zu bringen (unter der Voraussetzung der Genehmigung der Kosten durch die Bundesnetzagentur), ist dies durch die Anreizregulierung nicht mehr möglich.

Durch die Vorgabe einer festen Erlösobergrenze ergibt sich die Rendite als Residualgröße aus der Erlösobergrenze abzüglich der Gesamtkosten. Die Gesamtkosten bestehen, wie schon bereits genannt, aus beeinflussbaren (anreizregulierte) und nicht beeinflussbaren Kosten. Deshalb hat das Unternehmen seine Effizienz zu erhöhen um die beeinflussbaren Kosten zu senken und somit eine höhere Rendite zu erzielen. Je schneller dabei das Unternehmen effizient wird, desto schneller und größer ist die Rendite.

Möglichkeiten zur Kostensenkung liegen unter anderem bei der Effizienz der Instandhaltung der Netze. Weiterhin sollten vor allem bürokratische Ineffizienzen (bspw. Verwaltung) abgebaut werden und eine effizientere Betriebsführung vorgenommen werden.



CategoryEnergierecht
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