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Wirtschaftsprivatrecht I


Fall 37 - Unfallwagen



A will von Gebrauchtwagenhändler B ein Auto kaufen. Als B von A bei den Vertragsverhandlungen gefragt wird, ob der Wagen bereits Unfallschäden aufweist, verneint dies der B, obwohl er weiß, dass es sich bei dem von A ausgesuchten Autos um einen Unfallwagen handelt. Es kommt zum Vertragsschluss.

Kann A anfechten?

Abwandlung 1: Wie ist die Rechtslage, wenn der A nicht nach der Unfallfreiheit gefragt hätte und der B die Unfallschäden verschweigt?

Abwandlung 2: Wie ist die Rechtslage, wenn B zwar nichts von den Unfallschäden wusste, dem A aber ohne weitere Nachforschungen zu tätigen, zusicherte „ es sei ganz sicher kein Unfallwagen“?


Lösung


A. Anfechtungsgrund: arglistige Täuschung gem. § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB


I. Objektiver Tatbestand


1. Täuschung: jedes Verhalten, durch das Tatsachen vorgespiegelt, entstellt oder unterdrückt werden. Hier (+)

2. Widerrechtlichkeit: nach Wortlaut nur für Drohung erforderlich. Jedoch muss eine teleologische Reduktion der Vorschrift erfolgen, so dass die Täuschung auch widerrechtlich ist. Auch die Falschbeantwortung einer unzulässigen Frage soll den
Fragenden nicht zur Anfechtung berechtigen.
Hier keine Rechtfertigungsgründe, somit Rechtswidrigkeit (+)

3. Irrtumserregung: (+)

4. Ursächlichkeit für Abgabe der Willenserklärung: (+)


II. Subjektiver Tatbestand
Arglist: mindestens bedingter Vorsatz (+)

B. Anfechtungserklärung gem. § 143 BGB

C. Anfechtungsfrist gem. § 124 Abs. 1 BGB: 1 Jahr

D. Rechtsfolge: Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ex tunc; keine Pflicht zum Ersatz des Vertrauensschadens des Anfechtenden gem. § 122 Abs. 1 BGB.


Abwandlung 1:

Fraglich ist hier unter welchen Voraussetzungen eine Täuschung nicht nur durch aktives Tun sondern durch Unterlassen in Betracht kommt. Ein Unterlassen ist nur tatbestandsmäßig, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln, hier zur Aufklärungbesteht.

1. allgemeine Pflicht zur Aufklärung über sämtliche mit dem Vertragsabschluss verbundenen Risiken (-) => natürlicher Interessengegensatz zwischen den Vertragspartnern. Jeder muss sich vor Vertragsabschluss die für ihn relevanten Informationen selbst verschaffen

2. Aufklärungspflicht gem. § 242 BGB nur hinsichtlich solcher Tatsachen,


a) nach denen vom Geschäftspartner ausdrücklich gefragt wurde

b) die der Vertragspartner zwar nicht ausdrücklich nachgefragt hat, für seine
Entscheidung aber erkennbar von besonderer Bedeutung sind und er die Mitteilung unter Berücksichtigung des Interessengegensatzes nach Treu und Glauben erwarten durfte.
Unfallschaden stets verbunden mit Minderwert, fachgerechte Reparatur kann von Käufer nicht nachgeprüft werden, somit ungefragt zu offenbarender Umstand

Täuschung durch Unterlassen(+)


Abwandlung 2:

Fraglich ist, ob Arglist vorliegt. Zumindest bedingter Vorsatz erforderlich

1. B hielt nicht mal für möglich, dass es sich um einen Unfallwagen handeln könnte, somit ist dies nicht einmal dolus eventualis

2. Jedoch Vorsatz bezüglich der Tatsache, dass er keinerlei Informationen über die Unfallfreiheit hatte und damit hinsichtlich der Angabe von Tatsachen ohne Bestehen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage („Angaben ins Blaue hinein“). Somit Arglist (+)









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