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Urheberrecht


Fall 22 - Skulpturen


Der bekannte Künstler A.R.P. (A) verstarb sehr plötzlich – Alleinerbin des Verstorbenen ist die Witwe (W). A schuf neben Gedichten und Bildern auch Plastiken, wobei er letztere als Abdrucke aus Gussformen herstellte. Er verkaufte alle Exemplare zu Lebzeiten und verbrauchte den Erlös. W muss nach dem Ableben ihres Mannes nicht nur ihre Trauer, sondern auch finanzielle Schwierigkeiten bewältigen. Deshalb beschließt sie den befreundeten Künstler K aufzusuchen, der weitere Plastiken mit Hilfe der vorhandenen Gussformen herstellen soll. Diese will sie dann als Originale anbieten, um ihr Konto zu entlasten. Dieser Schritt ist für die W ein schwerer, da sie weiß, dass ihr verstorbener Mann mit der Erzeugung neuer Plastiken nie einverstanden gewesen wäre. W lässt trotz ihrer Bedenken durch K 15 Skulpturen anfertigen. Der „alte Freund“ K nutzt jedoch die Gelegenheit und stellt weitere 5 Skulpturen her, ohne die W davon in Kenntnis zu setzen. Diese 5 Skulpturen möchte K verkaufen, um selbst auch noch einen finanziellen Vorteil erlangen zu können. W holt die fertigen Skulpturen einige Zeit später ab und trägt das Künstlerzeichen des A auf ihnen ein. Sie veräußert diese als aus dem Nachlass des A stammende Originale. K kann seine Skulpturen ebenfalls an „Kunstkenner“ veräußern, denen gar nicht auffällt, dass diese gar nicht vom Künstler signiert wurden.

Rechtslage?


Lösung


A. Beurteilung des Verhaltens der W

I. Fraglich ist, ob W als Alleinerbin des A das Recht hat, weitere Plastiken aus den Gussformen herzustellen, obwohl sie den entgegenstehenden Willen des A kennt.

1. § 28 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 1922 BGB bestimmt, dass der Erbe in die Rechtsstellung des Urhebers insgesamt einrückt. Das Urheberrecht an den Gussformen geht also auf die W über, so dass diese die urheberrechtlichen Befugnisse nach ihrem Belieben ausüben kann. Davon umfasst wird auch das Vervielfältigungsrecht (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG) – W war hiernach also befugt, weitere Plastiken aus den Gussformen herzustellen.

2. Dagegen könnte jedoch sprechen, dass W an den Willen des A gebunden ist und folglich keine weiteren Plastiken schaffen darf.

a. Für eine Befolgung des letzten Willens spricht, dass die Werke des Künstlers nach dessen Tod vor Beeinträchtigungen geschützt werden müssen, um so gleichzeitig einen Schutz der persönlichkeitsrechtlichen Interessen gewährleisten zu können. Denn postmortale Vervielfältigungen, die die Auflagen steigern, mindern zugleich den Wert der Originale. Deshalb wird teilweise vertreten, dass der Erbe das Urheberpersönlichkeitsrecht nur im Sinne des verstorbenen Urhebers ausüben dürfe und folglich an den ihm bekannten Willen gebunden sei.

b. Das UrhG bestimmt jedoch etwas anderes: Beschränkungen des Urheberpersönlichkeitsrechts sind nicht gewollt, da der Erbe anderenfalls einer extremen Beschränkung des Werkes unterliegen würde. Also kann der Erbe die urheberrechtlichen Befugnisse ohne Einschränkungen ausüben.

3. Um eine derartige Einschränkung zu vermeiden, kann der Erbe den entgegenstehenden Willen des verstorbenen Urhebers ignorieren. Also ist W befugt, weiter Plastiken herzustellen.

II. Zweifelhaft erscheint, ob die W die postmortal erstellten Skulpturen mit dem Künstlerzeichen des A versehen durfte. Dies sollte den Eindruck erwecken, dass A selbst diese Skulpturen geschaffen und signiert hat.

1. Die nach dem Tode des A hergestellten Skulpturen stellen keine Originalwerke dar. Ein solches liegt nach der Verkehrsanschauung nur vor, wenn das Werkexemplar entweder vom Künstler selbst geschaffen wurde oder aber vom Künstler als sein Werk autorisiert wurde (dies erfolgt in der Regel durch Signatur). Eine derartige Autorisierung ist nach dem Tod des Künstlers nicht mehr möglich; also sind postmortale Herstellungen trotz Gleichartigkeit keine Originale.

2. W begeht somit eine Straftat nach § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG durch das unzulässige Anbringen der Urheberbezeichnung auf der Plastik.

3. Außerdem stellt die signierte Plastik eine zusammengesetzte Urkunde i.S.v. § 267 StGB dar. Das Künstlerzeichen ist das Beweiszeichen, welches dazu dient, im Rechtsverkehr den Beweis über die Urheberschaft zu liefern. Das Werk ist das Augenscheinsobjekt. Dieses ist mit dem Beweiszeichen zu einer Einheit miteinander verbunden. Hier ist die Signatur falsch, da sie im Verkehr den Anschein erweckt, dass A selbst das Künstlerzeichen auf der Plastik eingetragen habe, was aber durch W geschah. Also hat W eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB begangen

III. Durch den Verkauf der postmortal hergestellten Plastiken als Originale des A begeht W zudem noch einen Betrug gem. § 267 StGB.

IV. Zusammenfassend ist also festzustellen, dass W die Plastiken nach dem Tod des A zwar herstellen durfte, jedoch nicht das Recht hatte, diese zu signieren und ohne Hinweis auf die postmortale Herstellung zu veräußern.


B. Beurteilung des Verhaltens des K

I. Auch K begeht einen Betrug gem. § 267 StGB durch den Verkauf der Plastiken als Originale.

II. Der W steht als Alleinerbin des A das Vervielfältigungsrecht aus §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG zu (s.o.). Dieses verletzte K, indem er ohne ihre Einwilligung weitere Plastiken herstellt. Durch den heimlichen Missbrauch der (ihm aus vertraglicher Beziehung überlassenen) Gussformen verletzt K außerdem eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Werkvertrag mit W.





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