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Urheberrecht


Fall 18 - Paperboy


P hat den Suchdienst „Paperboy“ entwickelt, ein System, das automatisiert und systematisch die Online-Ausgaben von Nachrichtenanbietern und Tageszeitungen durchsucht. Auf konkrete Anfragen hin liefert „Paperboy“ seinen Nutzern eine Auflistung der Fundstellen von Artikeln aus den jeweiligen namentlich genannten Zeitungen, die den durch den Nutzer vorgegebenen Suchkriterien entsprechen. Das Suchergebnis wird durch einen Hyperlink (Deep-Link) auf die einzelnen Artikel angzeigt. Zugleich werden aus der betreffenden Veröffentlichung Stichworte und – zumindest teilweise – Satzteile oder Sätze angegeben, um den Inhalt der Artikel näher zu beschreiben. Weiterhin kann der Nutzer bei „Paperboy“ eine „persönliche Tageszeitung“ bestellen. Dabei werden entsprechend der vom Nutzer gewählten Suchbegriffe wiederum Fundstellen von Artikeln in Form von Deep-Links zusammengestellt und dem Nutzer per E-Mail übermittelt. H, ein großer deutscher Zeitungsverlag, sieht in diesem Vorgehen, welches sich auch auf seine Zeitungen erstreckt, eine Verletzung seiner Urheberrechte und verlangt Unterlassung. Zudem sei das Verhalten von P als wettbewerbswidrig anzusehen.

Ist diese Auffassung richtig?



Lösung


A. H könnte gegen P eine Anspruch auf Unterlassung gem. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG haben.

I. Dann müsste zunächst ein urheberrechtlich geschütztes Werk vorliegen. Als schutzfähiges Werk kommen hier sowohl die einzelnen Artikel als Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG in Betracht, wobei die hieran entstandenen Rechte durch die Autoren wohl ausschließlich auf H übertragen worden sind, als auch der im Internet zugängliche geordnete Bestand einer Vielzahl von Artikeln und Beiträgen aus beiden Presseerzeugnissen als Datenbank i.S.d. § 87a UrhG.

II. Fraglich ist, ob die hieran bestehenden Rechte des H verletzt worden sind.

1. Es könnte zunächst ein Eingriff in die Rechte, die dem H an den einzelnen Artikeln zustehen, vorliegen.

a. Durch das Setzen des Hyperlinks könnte P in die Vervielfältigungsrechte des H aus §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG eingegriffen haben. Ein Link ist jedoch lediglich eine elektronische Verknüpfung der den Link enthaltenden Datei mit einer anderen in das Internet eingestellten Datei. Allein wenn der Nutzer den Link anklickt, um die entsprechende Datei abzurufen, kann es zu einer urheberrechtlich relevanten Vervielfältigung kommen. Durch den Hyperlink selbst wird also das Werk nicht i.S.d. § 16 UrhG vervielfältigt.
Eine Urheberrechtsverletzung ist aber dadurch, dass P eine Vervielfältigungshandlung des Nutzers in kausaler Weise beeinflusst bzw. herbeiführt, unter dem Aspekt der Störung denkbar. Durch die von P gesetzten Links können die Nutzer dieses Systems diese anklicken, um auf die Dateien zuzugreifen. Im Rahmen dieses Prozesses findet eine kurzfristige Zwischenspeicherung statt, welche als Vervielfältigungshandlung angesehen werden kann (Umkehrschluss aus § 44 a UrhG). Es bleibt aber zu bedenken, dass die Möglichkeit des Abrufs und der Nutzung des Werkes durch den Berechtigten selbst geschaffen worden sind. Hierdurch wird jeder beliebige Nutzer in die Lage versetzt, das Werk auch ohne Verwendung des Hyperlinks aufzurufen. In dieser Funktion kommt dem Deep-Link lediglich die Funktion einer technischen Erleichterung für den Abruf der ohnehin zugänglichen Datei zu. Der Hyperlink dient damit als Fundstelleninformation. Durch sein Setzen wird kein urheberrechtlich relevanter Störungszustand geschaffen. Ein anderes Ergebnis wäre lediglich dann denkbar, wenn H technische Schutzmaßnahmen gegen die unmittelbare und direkte Aufrufbarkeit seiner Inhalte im Wege des Deep-Links ergriffen hätte. Hierfür enthält der Sachverhalt aber keine Angaben. Dass es sich nicht um eine Störung handelt, wird zudem durch einen Blick auf § 44 a UrhG bestätigt. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber kurzfristige und technisch notwendige Kopien vom ausschließlichen Verfügungsrecht des Urhebers über die Vervielfältigung ausgenommen. Hierdurch wird verdeutlicht, dass beim Browsing anfallenden Zwischenspeicherungen als zulässig erachtet werden. Da schon wegen § 44 a UrhG die anfallenden Vervielfältigungshandlung der Nutzer der Disposition des Urhebers entzogen werden, scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt eine Störerhaftung aus.

b. Es könnte jedoch einen Eingriff in die Rechte auf öffentliche Zugänglichmachung gem. §§ 15 Abs. 2, 19 a UrhG gegeben sein. Es wird hier jedoch lediglich auf das Werk in einer Weise verwiesen, die den Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Es wird hier weder das geschützte Werk selbst öffentlich zum Abruf bereitgehalten, noch wird dieses auf Abruf an Dritte übermittelt. Somit liegt auch die Entscheidung, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt, nicht etwa bei P, sondern weiterhin allein bei H. Wird nämlich die Webseite mit dem geschützten Werk nach Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht der Link ins Leere.

c. Ein Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Artikel ist demgemäß nicht gegeben.

2. Denkbar ist aber ein Eingriff in die Rechte, die dem H als Datenbankhersteller zustehen.

a. Das nach § 87 a UrhG geschützte Recht des Datenbankherstellers ist gem. § 87 b UrhG gegen Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe der gesamten Datenbank oder wesentlicher Teile der Datenbank geschützt. Das Setzen von Deep-Links, die den Nutzern es ermöglichen, unmittelbar den Volltext der Artikel abzurufen, stellt jedoch aus den bereits dargelegten Gründen keine unter § 87 b UrhG fallende Nutzungshandlung dar.

b. Unter den Voraussetzungen des § 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG wird aber auch ein Schutz gegen eine wiederholte und systematische Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen, gewährt. Der Suchdienst des P geht über die bloße Verlinkung hinaus. Er gibt zusätzlich den Titel des Zeitungsartikels, sowie Stichworte und Satzteile aus der Veröffentlichung wieder, um deren Inhalt näher zu beschreiben. Es ist hier daher von einem „wiederholten und systematischen“ Vorgehen bei der Auswertung von Internetauftritten auszugehen. Allerdings wird die Datenbank des H hierdurch nicht beeinträchtigt, wenn möglichen Nutzern aus eingespeicherten Artikeln einzelne bruchstückhafte Bestandteile mitgeteilt werden, um hierdurch den Inhalt der Artikel anzudeuten. Hierdurch wird die Nutzung der Datenbank nicht ersetzt, sondern allenfalls erst angeregt. Diese Handlungen laufen folglich nicht einer normalen Auswertung einer Datenbank zuwider.

c. Ein Eingriff in die an der Datenbank bestehenden Rechte ist damit zu verneinen.


B. H könnte gegen P jedoch ein Anspruch auf Unterlassung gem. § 8 i.V.m. § 3 UWG zustehen.
Aufgrund dessen, dass urheberrechtliche Unterlassungsansprüche nicht gegeben sind, kommt ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nur dann in Betracht, wenn die Handlungen des P wegen Vorliegens weiterer besonderer Umstände gleichwohl als wettbewerbswidrig anzusehen sind.

I. Fraglich ist daher, ob solche Unlauterkeitsmerkmale vorliegend gegeben sind. Dies ist der Fall, wenn eine fremde Leistung durch einen Mitbewerber ohne einen eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang übernommen und auf diese Weise eine vermeidbare Herkunftstäuschung, eine Ausbeutung fremden Rufs oder eine wettbewerbswidrige Behinderung bewirkt wird.
Zunächst ist fraglich, ob in dem Verhalten des P die Übernahme einer fremden Leistung gesehen werden kann. Zwar ist P ein solches Angebot nicht möglich, wenn nicht auch Presseunternehmen wie H ihre Informationsangebote im Internet bereitstellen. P hat dabei aber lediglich den Zugriff auf die Artikel, die der Öffentlichkeit ohnehin zugänglich sind, vereinfacht. Durch die Auswertung der Artikel hat er eine eigene Leistung erbracht, mithin also nicht die Leistung des H übernommen. Für den Nutzer des Suchdienstes ist aufgrund der Namensnennung auch klar erkennbar, von welchem Anbieter die Information stammt. Die Herkunft der angezeigten Artikel wird folglich nicht verschleiert. Auch wird dadurch der gute Ruf der Presseunternehmen nicht ausgebeutet. Als unlauter könnte es jedoch angesehen werden, dass die Nutzer an der mit Werbebannern versehenen Homepage durch den Deep-Link vorbeigeleitet werden. Zu bedenken ist jedoch, dass ansonsten eine sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im Internet praktisch ausgeschlossen wäre. Insoweit ist dem Allgemeininteresse an der Funktionstüchtigkeit des Internets gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Webseitenbetreibers Vorzug zu geben.

II. Auch ein Anspruch gem. § 8 i.V.m. § 3 UWG scheidet also aus.






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