Urheberrecht
Fall 14 - Gedicht
Der 18-jährige S will seinen Eltern zu Weihnachten ein ganz besonderes Geschenk machen. Lyrisch sehr begabt überlegt er sich, ihnen ein Gedicht zu schreiben. Als dies fertig ist, möchte er sich noch eine zweite Meinung über die Qualität seines kleinen Meisterstücks einholen. Er zeigt es seinem 20-jährigen Klavierlehrer und gutem Freund K. Dieser ist schier auf begeistert und schlägt S vor, eine Melodie zu dem Gedicht zu schreiben und es als Lied groß zu vermarkten. S ist außer sich vor Freunde. Nachdem sie das Lied aufgenommen haben, schickt K es sogleich an den großen Musikproduzenten Dieter B. (B), der ihm ein ansehnliches Angebot unterbreitet. S ist hiervon nicht begeistert: „Wer bei B anfange, der könne doch nichts werden!“. Kann K das Angebot auch gegen den Willen des S annehmen? Abwandlung: S ist noch minderjährig. Als die Eltern ihr Geschenk an Weihnachten erhalten und sie von den großen Plänen ihres Sohnes erfahren, das Gedicht verknüpft mit der Melodie von K zu verwerten, toben sie vor Wut, weil sie K gar nicht gut leiden können und auch nicht wollen, dass sich ihr Sohn in die Musikbranche begibt. Sie geben daher S deutlich zu verstehen, dass sie dieses Vorhaben nicht billigen. S lässt sich hiervon nicht beeindrucken und teilt K mit, er solle das Angebot des B annehmen. Ist K hierzu befugt? |
LösungA. Ausgangsfall K könnte das Angebot grundsätzlich nur annehmen, wenn er Urheber des Liedes ist. Urheber ist jedoch nur, wer als Schöpfer des Werkes angesehen werden kann, vgl. § 7 UrhG. I. Hier besteht jedoch das Problem, dass das betreffende Lied aus zwei eigenständigen urheberrechtlichen Werken besteht: Zum einen aus dem Gedicht des S, welches ein Sprachwerk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG darstellt, zum anderen aus der Musik des K, einem Werk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Das bedeutet, dass K zur Annahme des Angebotes, welches auf die Nutzung beider Werke gerichtet ist, auch grundsätzlich der Zustimmung des S bedürfte, § 34 Abs. 1 S. 1 UrhG. S hat zwar grundsätzlich einer Verwertung zugestimmt, will sich aber auf das konkrete Angebot des B nicht einlassen. Eine Zustimmung zu dem konkreten Rechtsgeschäft ist daher nicht gegeben. II. Einer solchen bedarf es möglicherweise aber dann nicht, wenn es sich bei dem Lied um eine verbundenes Werk i.S.d. § 9 UrhG handelt. Ein verbundenes Werk entsteht durch einen Vertrag der einzelnen Urheber, der darauf gerichtet ist, die einzelnen Werke durch Verbindung miteinander gemeinsam zu verwerten. In diesem Fall bestünde zwischen den Parteien eine urheberrechtliche Verwertungsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Hier haben S und K ein Gedicht und eine Melodie mit dem Ziel, diese zu verwerten, miteinander verbunden. Eine Urhebergemeinschaft ist daher gegeben. Auch bei einer solchen Verbindung ist jedoch zu bedenken, dass nicht jeder der Urheber alleine Entscheidungen treffen kann, sondern nur gemeinschaftlich mit allen anderen beteiligten Urhebern (vgl. § 709 BGB). Nur unter den Voraussetzungen des Notverwaltungsrechts (§ 744 Abs. 2 BGB) kann auf die Einholung der Zustimmung der übrigen Urheber verzichtet werden. Eine solche Situation ist hier aber nicht gegeben, so dass eine Zustimmung auch weiterhin erforderlich bleibt. S hat K deutlich zu verstehen gegeben, dass er der Annahme des Angebots durch K nicht zustimmt. III. K ist daher nicht befugt, das Angebot des B anzunehmen. B. Abwandlung: Auch hier bedarf K der Zustimmung des S. Im Gegensatz zum vorhergehenden Fall hat S hier auch tatsächlich seine Zustimmung erteilt. I. Zu bedenken bleibt aber, dass S noch minderjährig ist. Gem. § 107 BGB bedarf es bei der Vornahme eines Rechtsgeschäfts der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, sofern es um ein nicht lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft handelt. Die Eltern des S haben jedoch der Verbindung der Werke vorher nicht zugestimmt. Sie verweigern ferner ihre Genehmigung, so dass der Vertragschluss über die Verbindung der beiden Werke unwirksam ist. Zwischen K und S besteht somit schon keine Urhebergemeinschaft i.S.d. § 9 UrhG. II. Auch ohne die Werkverbindung ist erforderlich, dass S der Nutzung seines Werkes zustimmt. Da es sich bei der einfachen Zustimmung um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt, bedarf er auch hierzu der Zustimmung durch seine Eltern. Eine solche ist hier aber nicht gegeben. III. Der K kann das Angebot des Produzenten nicht befugtermaßen annehmen. |
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