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Thema: Gesetzgebungskompetenz bezüglich Samstagsarbeit in Verkaufsstellen und arbeitszeitrechtliche Regelungen

Rechtsnormen: Art. 12 Abs. 1, 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11, Nr. 12 GG; § 17 Abs. 4 LadSchlG; ArbZG; § 12 Abs. 3 ThürLadÖffG

Schlagworte: Ladenschluss, Arbeitszeit, Gesetzgebungskompetenzen



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BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14.01.2015 – 1 BvR 931/12 (Rn. 1-19)




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ohne




 (image: http://ife.erdaxo.de/uploads/TiRVerfassungsrecht/Sachverhalt.png)


Das Ladenschlussgesetz (LadSchlG) ist eine bundesrechtliche Vorschrift. Sie wurde bereits 1956 erlassen und enthält in § 17 Abs. 4 LadSchlG folgende Regelung:

. (4) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen können verlangen, in jedem Kalendermonat an einem Samstag von der Beschäftigung freigestellt zu werden. 


Auch bei dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) handelt es sich um ein Bundesgesetz aus dem Jahre 1994. Es enthält Regelungen über die Arbeitszeiten von abhängig Beschäftigten an Werktagen sowie an Feiertagen.
Im Jahr 2006 wurde das Grundgesetz geändert und die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung des Ladenschlusses wurde dem Bund durch die neue Formulierung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ausdrücklich entzogen (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Das Recht zur Regelung der Arbeitszeiten blieb hingegen der konkurrierenden Materie in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG weiterhin zugeordnet.
Der Freistaat Thüringen hat bereits am 24. November 2006 das „Thüringer Ladenöffnungsgesetz“ (ThürLadÖffG – GVBl. S. 541) verabschiedet.
§ 12 Abs. 3 Satz 1 lautet:

. (3) Arbeitnehmer in Verkaufsstellen dürfen mindestens an zwei Samstagen in jedem Monat nicht beschäftigt werden.

Eine in der Möbelbranche tätige Unternehmerin, hat Verfassungsbeschwerde eingereicht, da sie sich in ihrem Recht auf Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt fühlt. Mit dem Thüringer Ladenöffnungsgesetz habe der Thüringer Gesetzgeber die Einsatzmöglichkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Samstagen in Verkaufsstellen eingeschränkt, ohne hierfür die Gesetzgebungsbefugnis zu haben.




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Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, da das Land Thüringen die Gesetzgebungskompetenz für die maßgebliche Regelung des Thüringer Ladenschlussgesetzes hat. Der über die Regelung herbeigeführte Eingriff in das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.




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Spannende verfassungsrechtliche Fragestellungen ergaben sich hier im Hinblick auf die formelle Rechtmäßigkeit des Gesetzes (dazu 1), während die materielle Rechtmäßigkeit insbesondere im Hinblick auf die Rechtfertigung des Eingriffs keine besonderen Schwierigkeiten aufwarf (dazu 2).

1. Formelle Rechtmäßigkeit

Hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit ergaben sich zwei Fragestellungen:

- Unterliegt die maßgebliche Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG der konkurrierenden Gesetzgebung (dazu a)?

- Hat der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht (dazu b)?


a) Zuordnung zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz, Art. 72, 74 GG

Im Zuge der Beantwortung der ersten Frage war zuerst zu entscheiden, ob die maßgebliche Norm des § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG der Regelungsmaterie des Ladenschlusses im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG oder aber der Regelungsmaterie der Arbeitszeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zuzuordnen ist.

Bei einer Zuordnung zum Ladenschluss im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG hätte die Prüfung an dieser Stelle beendet werden können, da der Ladenschluss durch die ausdrückliche Herausnahme aus der Vorschrift eindeutig der Regelungskompetenz der Länder zugeordnet ist (Art. 70 Abs. 1 GG). In dem Fall hätte trotz des weiterhin existenten LadSchlG keine echte Konkurrenz bestanden. Nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG ersetzt Landesrecht die entgegenstehende bundesrechtliche Vorschrift. Der Thüringer Gesetzgeber hätte also ohne weiteres die Regelung erlassen dürfen.

Eine solche Zuordnung des § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG zur Regelungsmaterie des Ladenschlusses lehnt das Bundesverfassungsgericht aber mit überzeugenden Gründen (Rn.31 bis Rn.40) ab. Unter Ladenschluss sei nämlich der gesetzlich geregelte Rahmen der Ladenöffnungszeiten zu verstehen.

Somit ergibt sich für die Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG eine lediglich konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Das regelt § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürLadÖffG aber ebensowenig wie § 17 Abs. 4 LadSchlG. Daran ändern auch die Bezeichnungen des Gesetzeswerkes nichts, maßgeblich ist der jeweilige Regelungsinhalt.

Damit besteht hinsichtlich der fraglichen Regelung keine alleinige Gesetzgebungskompetenz des Landes Thüringen nach Art. 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.


b) Fehlende Sperrwirkung der Regelungstätigkeit des Bundes

Die maßgebliche Bestimmung des ThürLadÖffG rechnet das Bundesverfassungsgericht dem Arbeits- und Arbeitsschutzrecht gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu. Damit gehören diese Bereiche zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Somit haben die gesetzlichen Regelungen des Bundes, soweit vorhanden, Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen des Landes. Hat der Bund aber keine abschließenden Regelungen getroffen, können die Länder eigene Gesetze erlassen. Eine solche Sperrwirkung im Sinne einer abschließenden Regelung kann das Bundesverfassungsgericht aber weder in § 17 Abs. 4 LadSchlG noch im ArbZG erkennen. Es gesteht insbesondere § 17 Abs.4 LadSchlG zwar eine „faktisch abschließende Wirkung“ (Rn. 45) zum Zeitpunkt der Entstehung zu, da die Länder noch nicht über die Gesetzgebungskompetenz zum Ladenschluss verfügten. Die mit der Föderalismusreform einhergehende Änderung des Kompetenzgefüges führt für das Gericht zu einer anderen Lesart. Es soll nicht hinreichend erkennbar gewesen sein, dass die Vorschrift abschließend sein soll (Rn 46 bis 50). Damit steht Art. 72 Abs. 1 GG mangels erschöpfender Regelung durch das LadSchlG der Regelung des ThürLadÖffG nicht entgegen (Rn 51).

Dieses auch hinsichtlich der Begründung überraschende Ergebnis erging nicht einstimmig. In dem sehr lesenswerten Sondervotum hat Richter Paulus mit deutlich überzeugenderen Argumenten dargelegt, warum es sich bei § 12 Abs. 4 LadSchlG sehr wohl um eine abschließende Regelung handeln muss. Konsequent hält er deshalb die landesrechtliche Regelung wegen des Widerspruchs zur bundesrechtlichen Regelung für nichtig (Sondervotum, Rn. 15ff).



2. Materielle Rechtmäßigkeit

Der durch die Regelung bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist gerechtfertigt. Betroffen ist die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin. Nach Ansicht der Richter handelt es sich um einen Eingriff, dem kein hohes Gewicht zukomme, der auf Gemeinwohlbelange abstelle und der verhältnismäßig ist (Rn. 55ff). Dem tritt Richter Pauly in seinem Sondervotum jedenfalls teilweise entgegen. Arbeits-und Verdienstmöglichkeiten an einem Samstag lägen nämlich durchaus auch im Interesse von Arbeitnehmern, womit sich der Beschluss jedoch nicht auseinandergesetzt habe (Sondervotum Rn. 19). Tatsächlich hätte sich dies durchaus im Rahmen der Bewertung der Verhältnisprüfung widerspiegeln müssen.




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Für die Gesetzgebungspraxis ist dieses Urteil nicht förderlich, sondern verstärkt eher Unsicherheiten. Zutreffend führt Richter Pauly im Sondervotum auf, dass der Beschluss zu einer Vernebelung der Kompetenzregelung des Grundgesetzes nach Sachmaterien führt. Er rät dem Bundesgesetzgeber, in einer Art „salvatorischen Klausel“ die Abschließlichkeit einer Norm vorsorglich in den Gesetzeswortlaut aufzunehmen. Dieser Empfehlung ist nichts hinzuzufügen, auch wenn das Fehlen einer solchen Klausel dann ein Indiz für eine Öffnung zugunsten des Landesgesetzgebers darstellte.




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http://www.bverfg.de/e/rs20150114_1bvr093112.html





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© Prof. Dr. Sven Müller-Grune

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