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Thüringer Bauordnung
[ThürBO]
Kommentar
Prof. Dr. Sven Müller-Grune




§ 88
Örtliche Bauvorschriften



(1) Die Gemeinden können durch Satzung im eigenen Wirkungskreis örtliche Bauvorschriften erlassen über

1. besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten zur Erhaltung und Gestaltung von Ortsbildern,

2. das Verbot von Werbeanlagen und Warenautomaten aus ortsgestalterischen Gründen,

3. die Lage, Größe, Beschaffenheit, Ausstattung und Unterhaltung von Kinderspielplätzen (§ 8 Abs. 2),

4. die Gestaltung der Stellplätze für Kraftfahrzeuge, der Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, der Stellplätze für bewegliche Abfallbehälter und der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke sowie über die Notwendigkeit, Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen,

5. von § 6 abweichende Maße der Abstandsflächentiefe, soweit dies zur Gestaltung des Ortsbildes oder zur Verwirklichung der Festsetzungen einer städtebaulichen Satzung erforderlich ist,

6. die Begrünung baulicher Anlagen,

7. die Untersagung oder Einschränkung der Herstellung von Stellplätzen und Garagen in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets oder für bestimmte Nutzungen in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets, wenn Gründe des Verkehrs oder städtebauliche Gründe dies rechtfertigen.

(2) Örtliche Bauvorschriften können auch durch Bebauungsplan oder, soweit das Baugesetzbuch dies vorsieht, durch andere Satzungen nach den Bestimmungen des Baugesetzbuchs erlassen werden. Werden die örtlichen Bauvorschriften durch Bebauungsplan oder durch eine sonstige städtebauliche Satzung nach dem Baugesetzbuch erlassen, so sind die Bestimmungen des Ersten und des Dritten Abschnitts des Ersten Teils, des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils sowie die §§ 13, 13a, 30, 31, 33, 36 und 214 bis 215a BauGB entsprechend anzuwenden.

(3) Anforderungen nach den Absätzen 1 und 2 können innerhalb der örtlichen Bauvorschrift auch in Form zeichnerischer Darstellungen gestellt werden. Ihre Bekanntgabe kann dadurch ersetzt werden, dass dieser Teil der örtlichen Bauvorschrift bei der Gemeinde zur Einsicht ausgelegt wird; hierauf ist in den örtlichen Bauvorschriften hinzuweisen.











Kommentierung






A. Normgeschichte







1. Historie







2. Gesetzesbegründung


Nach Absatz 1 kann die Gemeinde örtliche Bauvorschriften erlassen. Da diese eine der Bauleitplanung vergleichbare Bedeutung für die Ortsentwicklung und -gestaltung haben, werden sie im eigenen Wirkungskreis erlassen.

Nummer 1 ermöglicht besondere Gestaltungsanforderungen. Ziel der Satzung kann sowohl die "positive Gestaltungspflege" als auch der Erhalt bestehender Ortsbilder und die Abwehr von Verunstaltungen sein. Dabei erfordern insbesondere der Erhaltung dienende Festsetzungen eine umfassende Ermittlung der Gestaltungselemente des Baubestands. Die Satzungen müssen sich auf Regelungen zur Gestaltung beschränken und dürfen keine dem Bodenrecht vorbehaltene Regelungen enthalten. Merkmale, die die Frage des Einfügens im Sinne des § 34 BauGB betreffen, können grundsätzlich nicht Gegenstand einer Satzung aufgrund des § 88 sein.

Nummer 2 ermöglicht das Verbot von Werbeanlagen und Warenautomaten. Als minderschwerer Eingriff sind damit auch Regelungen zur Gestaltung dieser Anlagen möglich, soweit diese nicht bereits nach Nummer 1 zulässig sind. Das Verbot muss aus ortsgestalterischen Gründen erfolgen. Fragen des Gesundheits- oder Jugendschutzes dürfen dabei nicht ausschlaggebend sein. Bei geplanten Vorgaben für gewerblich geprägte Gebiete ist zu beachten, dass dort Werbeanlagen bauplanungsrechtlich grundsätzlich zulässig sind.

Nummer 3 erlaubt Vorschriften über Kinderspielplätze. Dabei muss es sich um Kinderspielplätze nach § 8 Abs. 2 handeln, die bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen hergestellt werden müssen. In Betracht kommen werden vorrangig Regelungen, die die Anforderung "ausreichend groß" in § 8 Abs. 2 Satz 1 konkretisieren. Regelungen über die Unterhaltung werden im Allgemeinen entbehrlich sein, da der Eigentümer ohnehin zur ordnungsgemäßen Unterhaltung verpflichtet ist.

Nach Nummer 4 können Anforderungen an die Gestaltung verschiedener Nebenanlagen gestellt werden. Die Möglichkeit, die Nutzung von Vorgärten als Stellplatz für Kraftfahrzeuge, Arbeits- oder Lagerfläche zu untersagen, wurde aufgehoben, da es sich dabei um bodenrechtliche Regelungen "im Gewande von Baugestaltungsvorschriften" handeln würde (vgl. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2005, Az. 4 B 14.05).

Nummer 5 lässt ebenso wie § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB die Festlegung von § 6 abweichender Maße der Abstandsflächen. Während die Festsetzung nach dem Baugesetzbuch aus städtebaulichen Gründen zulässt, erfolgen Festlegungen nach Nummer 5 aus ortsgestalterischen Gründen und sind damit auch ohne Aufstellung eines Bebauungsplans möglich.

Nummer 6 erlaubt Anforderungen an die Begrünung baulicher Anlagen zu stellen. Dabei muss die Gemeinde nicht nur die dadurch verursachten Kosten mit ihren Gestaltungszielen abwägen, sondern auch berücksichtigen, dass Anforderungen an die Begrünung die Nutzung erneuerbarer Energien erschweren können.

Nummer 7 ermöglicht, die Errichtung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge vollständig oder teilweise zu untersagen. Folge ist, dass nach § 49 Abs. 1 Satz 3 insoweit die Stellplatzpflicht entfällt und auch keine Ablösebeträge zu errichten sind. Keine Untersagung in diesem Sinne stellt es dar, wenn die Gemeinde lediglich bestimmte Arten von Stellplätzen untersagt (offene Stellplätze, oberirdische Stellplätze) oder lediglich die Errichtung von Einzelstellplätzen verbietet und Gemeinschaftsanlagen vorschreibt.

Nach Absatz 2 können örtliche Bauvorschriften auch in Satzungen nach dem Baugesetzbuch integriert werden, soweit die nach dem Baugesetzbuch möglich ist (vgl. § 9 Abs. 4 BauGB). Satz 2 bewirkt, dass dann, wenn eine örtliche Bauvorschrift durch Bebauungsplan oder durch sonstige städtebauliche Satzung erlassen wird, die einschlägigen Vorschriften des Bauplanungsrechts insbesondere über das Aufstellungsverfahren und die Abweichung von Planinhalten sowie zur Planerhaltung einheitlich auch für die in dem Bebauungsplan oder der sonstigen städtebaulichen Satzung enthaltenen örtlichen Bauvorschrift gelten; damit werden auch schwierige Abgrenzungsfragen zwischen Städtebau- und (ortsgestalterischem) Bauordnungsrecht vermieden.

Absatz 3 ermöglicht die Aufnahme zeichnerischer Darstellungen in die Satzung. Dieser Teil der Satzung muss nicht zusammen mit dem Satzungstext bekannt gemacht werden. Ausreichend ist das Bereithalten bei der Gemeinde und ein Hinweis in der örtlichen Bauvorschrift. Wie bei der vergleichbaren Regelung des § 10 BauGB muss der zeichnerische Teil grundsätzlich zu dem Zeitpunkt zur Einsicht bereitliegen, zu dem die Satzung über die örtliche Bauvorschrift in Kraft tritt.


3. Verwaltungsvorschrift







B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 88.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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