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Thüringer Bauordnung | [ThürBO] | Kommentar | Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
§ 49 Stellplätze und Garagen, Abstellplätze für Fahrräder |
(1) Bei der Errichtung von Anlagen, bei denen ein Zu- und Abgangsverkehr zu erwarten ist, müssen geeignete Stellplätze oder Garagen hergestellt werden, wenn und soweit insbesondere unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse und des öffentlichen Personenverkehrs zu erwarten ist, dass der Zu- und Abgangsverkehr mittels Kraftfahrzeug erfolgt (notwendige Stellplätze und Garagen). Bei Änderungen oder Nutzungsänderungen ist nur der Mehrbedarf zu decken. Die Stellplatzpflicht nach den Sätzen 1 und 2 entfällt, wenn die Gemeinde durch örtliche Bauvorschrift nach § 88 oder durch städtebauliche Satzung die Herstellung von Stellplätzen und Garagen ausschließt oder beschränkt. (2) Die Stellplätze und Garagen sind auf dem Baugrundstück oder in zumutbarer Entfernung davon auf einem geeigneten Grundstück, dessen Benutzung für diesen Zweck öffentlich-rechtlich gesichert wird, herzustellen oder nach Absatz 3 abzulösen. (3) Die Stellplätze können mit Einverständnis der Gemeinde durch Zahlung eines Geldbetrags abgelöst werden. Die Höhe des Geldbetrags je Stellplatz ist durch Satzung festzulegen und kann insbesondere nach der Art der Nutzung und der Lage der Anlage unterschiedlich geregelt werden. Der Geldbetrag darf 60 vom Hundert der durchschnittlichen Herstellungskosten von Parkeinrichtungen nach Absatz 4 Nr. 1 einschließlich der Kosten des Grunderwerbs im Gemeindegebiet oder in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets nicht übersteigen. (4) Die Gemeinde hat den Geldbetrag nach Absatz 3 zweckgebunden zu verwenden für 1. die Herstellung zusätzlicher oder die Instandhaltung, Instandsetzung oder Modernisierung bestehender Parkeinrichtungen, 2. sonstige investive Maßnahmen zur Entlastung der Straßen vom ruhenden Verkehr. (5) Ist nach der Art oder Nutzung einer Anlage mit einem erheblichen Zu- oder Abgangsverkehr mit Fahrrädern zu rechnen, sind geeignete Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in dem erforderlichen Umfang herzustellen. |
Kommentierung |
A. Normgeschichte
1. Historie
2. Gesetzesbegründung
Nach Absatz 1 müssen baulichen Anlagen und anderen Anlagen, bei denen ein Zu- oder Abgangsverkehr mittels Kraftfahrzeugen zu erwarten ist, die erforderlichen Stellplätze zwingend zugeordnet werden (notwendige Stellplätze und Garagen). Ziel der Regelung ist in erster Linie, den öffentlichen Verkehrsraum dadurch von ruhendem Verkehr zu entlasten, dass die Fahrzeuge außerhalb öffentlicher Flächen abgestellt werden. Weiteres Ziel ist, die Kosten für die Herstellung der Stellplätze als Nebenfolge der Errichtung von Bauvorhaben beim Bauherrn zu belassen und nicht durch die Errichtung öffentlicher Stellplätze auf die Allgemeinheit zu übertragen. Art und Zahl der notwendigen Stellplätze richten sich nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls. Im Übrigen identische Anlagen können daher je nach Standort einen deutlich unterschiedlichen Stellplatzbedarf auslösen.
Konkrete Anforderungen an Lage und Ausgestaltung der Stellplätze werden nicht gestellt. Aus der Forderung, dass geeignete Stellplätze hergestellt werden müssen, ergibt sich aber unter anderem, dass die Stellplätze ausreichend groß und im erforderlichen Umfang befestigt sein müssen sowie nach ihrer Lage nicht zu unzulässigen Immissionen führen dürfen. Ergänzende Anforderungen enthält die Thüringer Garagenverordnung. Auch aus örtlichen Bauvorschriften nach § 88 Abs. 1 Nr. 4 oder städtebaulichen Satzungen können sich weitere Anforderungen ergeben.
Bei Nutzungs- und anderen Änderungen ist nur der dadurch verursachte Mehrbedarf an Stellplätzen zu befriedigen, da auch nur insoweit die Ziele der Stellplatzregelung berührt werden. Die Pflicht zur Errichtung von Stellplätzen entfällt, wenn die Gemeinde die Errichtung von Stellplätzen untersagt hat. Damit entfällt auch die Verpflichtung, diese Stellplätze abzulösen. Maßgebend ist hierfür die Überlegung, dass die Untersagung der Herstellung von Stellplätzen nur dann möglich ist, wenn dadurch keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen. Wenn dies aber der Fall ist, ist es nicht gerechtfertigt, die Bauherren mit Kosten zu belasten.
Nach Absatz 2 sind Stellplätze und Garagen entweder auf dem Baugrundstück oder einem anderen Grundstück herzustellen oder durch Zahlung eines Geldbetrags gegenüber der Gemeinde abzulösen. Die drei Möglichkeiten stehen gleichberechtigt nebeneinander mit der Folge, dass der Bauherr grundsätzlich ein Wahlrecht hat. Für die Geeignetheit eines anderen Grundstücks gelten die gleichen Anforderungen wie bei der Herstellung der Stellplätze auf dem Baugrundstück selbst. Dabei ist auch zu beachten, dass nach § 12 Abs. 2 und 3 BauNVO die Errichtung von Fremdstellplätzen bauplanungsrechtlich unzulässig sein kann.
Absatz 3 regelt die nach Absatz 2 grundsätzlich zulässige Stellplatzablösung. Auch wenn der Bauherr ein Wahlrecht hat, setzt die Stellplatzablösung eine Zustimmung der Gemeinde voraus, da die Ablösegebühr auf einen Teil der tatsächlich entstehenden Kosten begrenzt ist und damit die Gemeinde nicht nur die Verpflichtung der zweckentsprechenden Verwendung der Ablösebeträge eingeht, sondern auch die Verpflichtung zur ergänzenden Finanzierung. Satz 2 stellt klar, dass die Gemeinden nicht verpflichtet sind, den maximal möglichen Geldbetrag je abgelösten Stellplatz festzulegen oder grundsätzlich je abgelösten Stellplatz die gleichen Gebühren zu verlangen. Vielmehr kann auch nach der Art der Nutzung unterschieden werden. Dadurch können beispielsweise städtebaulich in den Innenstädten erwünschte Nutzungen bevorzugt werden, die zu einer Belebung der Innenstädte beitragen und dadurch eventuelle Mindereinnahmen ausgleichen.
Nach Absatz 4 besteht die Verpflichtung, die Einnahmen aus der Stellplatzablösung zweckgebunden zu verwenden. In Betracht kommen entweder die Herstellung, Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung von Stellplätzen oder sonstige investive Maßnahmen zur Entlastung der Straßen vom ruhenden Verkehr und damit zur Verminderung des allgemeinen Stellplatzbedarfs. Als sonstige investive Maßnahmen kommen beispielsweise der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder die Anlegung innerstädtischer Radwege in Betracht. Dagegen wäre eine Verwendung der Ablösebeträge zur Deckung eines allgemeinen Defizits im öffentlichen Personennahverkehr unzulässig.
Nach Absatz 5 sind auch Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu schaffen, wenn mit einem erheblichen Zu- oder Abgangsverkehr mit Fahrrädern zu rechnen ist. Das kann insbesondere bei Schulen, Sportstätten, Kinos und anderen Versammlungsstätten der Fall sein. Die Zahl der erforderlichen Fahrradabstellmöglichkeiten richtet sich nach den konkreten Gegebenheiten. Nicht ausgeschlossen ist die Schaffung der Fahrradabstellmöglichkeiten auf einem anderen Grundstück. Aus der Forderung, dass geeignete Abstellmöglichkeiten zu schaffen sind, ergibt sich aber, dass die Entfernung zwischen Baugrundstück und anderem Grundstück nicht so groß sein darf, dass die angebotenen Abstellmöglichkeiten nicht angenommen werden. Ergänzende Anforderungen zur Ausgestaltung der Abstellmöglichkeiten kann eine örtliche Bauvorschrift nach § 88 Abs. 1 Nr. 4 enthalten.
3. Verwaltungsvorschrift
B. Normauslegung
Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 49.
© Prof. Dr. Sven Müller-Grune |
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