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Thüringer Bauordnung [ThürBO]

Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune



§ 38
Umwehrungen




(1) In, an und auf baulichen Anlagen sind zu umwehren oder mit Brüstungen zu versehen:

1. Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind und unmittelbar an mehr als 1 m tiefer liegende Flächen angrenzen; dies gilt nicht, wenn die Umwehrung dem Zweck der Flächen widerspricht,

2. nicht begehbare Oberlichte und Glasabdeckungen in Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind, wenn sie weniger als 0,50 m aus diesen Flächen herausragen,

3. Dächer oder Dachteile, die zum auch nur zeitweiligen Aufenthalt von Menschen bestimmt sind,

4. Öffnungen in begehbaren Decken sowie in Dächern oder Dachteilen nach Nummer 3, wenn sie nicht sicher abgedeckt sind,

5. nicht begehbare Glasflächen in Decken sowie in Dächern oder Dachteilen nach Nummer 3,

6. die freien Seiten von Treppenläufen, Treppenabsätzen und Treppenöffnungen (Treppenaugen),

7. Kellerlichtschächte und Betriebsschächte, die an Verkehrsflächen liegen, wenn sie nicht verkehrssicher abgedeckt sind.

(2) In Verkehrsflächen liegende Kellerlichtschächte und Betriebsschächte sind in Höhe der Verkehrsfläche verkehrssicher abzudecken. An und in Verkehrsflächen liegende Abdeckungen müssen gegen unbefugtes Abheben gesichert sein. Fenster, die unmittelbar an Treppen liegen und deren Brüstung unter der notwendigen Umwehrungshöhe liegen, sind zu sichern.

(3) Fensterbrüstungen von Flächen mit einer Absturzhöhe bis zu 12 m müssen mindestens 0,80 m, von Flächen mit mehr als 12 m Absturzhöhe mindestens 0,90 m hoch sein. Geringere Brüstungshöhen sind zulässig, wenn durch andere Vorrichtungen wie Geländer die nach Absatz 4 vorgeschriebenen Mindesthöhen eingehalten werden.

(4) Andere notwendige Umwehrungen müssen folgende Mindesthöhen haben:

1. Umwehrungen zur Sicherung von Öffnungen in begehbaren Decken und Dächern sowie Umwehrungen von Flächen mit einer Absturzhöhe von 1 m bis zu 12 m eine Mindesthöhe von 0,90 m,

2. Umwehrungen von Flächen mit mehr als 12 m Absturzhöhe eine Mindesthöhe von 1,10 m.

Quelle









Kommentierung







A. Normgeschichte



1. Historie/Gesetzesbegründung


2014 (G.v.25.03.2014 - GVBL. 2014, 49)

Absatz 1 bestimmt, welche Flächen zu umwehren sind. Erfasst werden Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen bestimmt sind (Nummern 1 und 2), Flächen, die zum auch nur zeitweiligen Aufenthalt bestimmt sind (Nummern 3 und 4) und Flächen, die an begehbare oder an Verkehrsflächen angrenzen. Ziel der Anforderung ist das Vermeiden von unbeabsichtigtem Abstürzen. Daraus ergibt sich auch, in welcher Weise die Umwehrung zu erfolgen hat.

Absatz 2 verlangt die Abdeckung von Schächten an und in Verkehrsflächen, da durch eine Umwehrung die Funktion der Verkehrsfläche durch die Einengung regelmäßig eingeschränkt würde und durch die Hindernisse auch neue Gefahrenstellen entstehen können. Dementsprechend ist eine Abdeckung bei Schächten an Verkehrsflächen entbehrlich, wenn sie umwehrt werden (siehe Absatz 1 Nr. 7).

In den Absätzen 3 und 4 werden die erforderlichen Höhen der Absturzsicherungen festgelegt und dabei nach der möglichen Absturzhöhe differenziert. Die Höhe von Fensterbrüstungen wird gegenüber anderen Umwehrungen reduziert, da zum einen das Risiko des unbeabsichtigten Absturzes geringer ist und zum anderen die übliche Breite von Fensterbrüstungen psychologisch eine zusätzliche Sicherung darstellt.

Thüringer Landtag Drucksache 5/5768


2. Verwaltungsvorschrift


Die Regelung ergänzt und konkretisiert die Bestimmungen des § 16 zur Verkehrssicherheit baulicher Anlagen. Auf die als Technische Baubestimmung eingeführte DIN 18065 „Gebäudetreppen“ wird hingewiesen.

Entsprechend sind in Gebäuden, in denen mit der Anwesenheit von unbeaufsichtigten Klein-kindern zu rechnen ist, Umwehrungen so zu gestalten, dass ein Überklettern durch Kleinkinder erschwert wird. Davon nicht betroffen sind in der Regel industrielle und gewerbliche Anlagen sowie Bereiche von Gebäuden, die vornehmlich zur Wartung und Unterhaltung betreten werden und die nicht allgemein zugänglich sind

38.1.1 „Im Allgemeinen zum Begehen bestimmt“ sind z.B. Dachterrassen, Balkone, Emporen und Galerien. Nicht hierunter fallen Flachdächer, die nur gelegentlich für die Durchführung von Inspektions- oder Reparaturarbeiten betreten werden. Es kommt nicht auf die objektive Eignung, sondern auf die subjektive Bestimmung der Flächen an.

38.1.2. „Begehbar“ sind Flächen, wenn sie durchtrittsicher ausgebildet sind. Zu den Anforderungen an begehbare Glasbauteile siehe „Anforderungen an begehbare Verglasungen; Empfehlungen für das Zustimmungsverfahren (Fassung November 2009)“, DIBt Mitteilungen, Heft Nr. 1/2010.

38.1.3 „Zeitweilig“ i.S. des § 38 Abs. 1 Nr. 3 grenzt von dem längeren Aufenthalt ab, wie er z.B. auf einem Dachgarten erfolgt. Erfasst sind hiervon Flächen, auf denen sich Personen kurzfristig aufhalten, z. B. um einen Dachgarten zu erreichen. Nicht erfasst ist der Aufenthalt von Personen zur Durchführung von Wartungs-, Reparatur- oder Inspektionsarbeiten; insofern sind nach § 32 Abs. 8 andere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich.
38.3. Die Höhe der Brüstung ist i.d.R. von der Oberkante Fertigfußboden bis zur Oberkante Fensterbank oder eines anderen feststehenden brüstungsähnlichen Bauteiles ohne Hinzurechnung des Fensterrahmens zu messen. Befinden sich vor der Fensterbrüstung Bauteile, wie Leitungsschächte oder Lüftungskanäle, die zum Daraufsteigengeeignet sind, ist von der Ober-kante dieser Bauteile zu messen.

VollzBekThürBO


B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 38.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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