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Thüringer Bauordnung [ThürBO]

Kommentar Prof. Dr. Sven Müller-Grune



§ 17
Verwendbarkeitsnachweis




(1) Ein Verwendbarkeitsnachweis (§§ 18 bis 20) ist für ein Bauprodukt erforderlich, wenn

1.
es keine Technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt,

2.
das Bauprodukt von einer Technischen Baubestimmung (§ 87a Abs. 2 Nr. 3) wesentlich abweicht oder

3.
eine Rechtsverordnung nach § 87 Abs. 5 Satz 1 es vorsieht.

(2) Ein Verwendbarkeitsnachweis ist nicht erforderlich für ein Bauprodukt, das

1.
von einer allgemein anerkannten Regel der Technik abweicht oder

2.
für die Erfüllung der Anforderungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften nur eine untergeordnete Bedeutung hat.

(3) Die Technischen Baubestimmungen nach § 87a enthalten eine nicht abschließende Liste von Bauprodukten, die keines Verwendbarkeitsnachweises nach Absatz 1 bedürfen.

Quelle










Kommentierung







A. Normgeschichte



1. Historie/Gesetzesbegründung


2014 (G.v.25.03.2014 - GVBL. 2014, 49)

Absatz 1 enthält die allgemeinen Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten.

Für Bauprodukte nach Satz 1 Nr. 1 sind die in der nach Absatz 2 bekannt gemachten Bauregelliste enthaltenen technischen Regeln maßgeblich. Entsprechen die Bauprodukte diesen Regeln, handelt es sich um geregelte Bauprodukte, die ohne weiteren Verwendbarkeitsnachweis eingesetzt werden dürfen. Entsprechen sie den Regeln nicht (ungeregelte Bauprodukte) ist nach Absatz 3 ein besonderer Verwendbarkeitsnachweis erforderlich. In beiden Fällen ist zusätzlich ein Übereinstimmungsnachweis im Sinne des § 22 erforderlich.

Nach dem bisher geltenden § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 dürfen Bauprodukte für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen unter anderem verwendet werden, wenn sie - Buchstabe a - nach den Vorschriften des Bauproduktengesetzes (BauPG) oder - Buchstabe b - nach Vorschriften zur Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen, insbesondere das Zeichen der Europäischen Union (CE-Kennzeichnung) tragen und dieses Zeichen die nach Absatz 7 Nr. 1 festgelegten Klassen- und Leistungsstufen ausweist oder die Leistung des Bauprodukts angibt. Die Bauproduktenrichtlinie ist durch Artikel 65 Abs. 1 der Verordnung(EU) Nr. 305/2011 aufgehoben worden. Da diese Verordnung unmittelbar gilt, bedarf sie keiner Umsetzung ins nationale Recht; die einschlägigen Transformationsvorschriften des Bauproduktengesetzes in der Fassung vom 28. April 1998 (BGBl. I S. 812) in der jeweils geltenden Fassung sind damit gegenstandslos, sodass ihre Inbezugnahme im bisherigen § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ins Leere geht. Buchstabe b ist an die neue Rechtslage anzupassen.

Die Sätze 2 und 3 enthalten weitere Alternativen der Verwendbarkeit von Bauprodukten. Bei beiden Varianten gibt es für die Bauprodukte allgemein anerkannte Regeln der Technik, die aber nicht durch Aufnahme in die Bauregelliste A verbindlich geworden sind. Die Bauprodukte dürfen unabhängig davon verwendet werden, ob sie diesen allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen oder nicht. Für sie ist weder ein Verwendbarkeits- noch ein Übereinstimmungsnachweis erforderlich. Für ihre Verwendbarkeit gelten aber die allgemeinen Anforderungen des § 3.

Absatz 2 bestimmt den Inhalt der Bauregelliste A und die Zuständigkeit zur Bekanntmachung. Die Bauregelliste A bestimmt für die in ihr aufgeführten Bauprodukte, welche technischen Regeln zu beachten sind. Bei wesentlichen Abweichungen ist ein Verwendbarkeitsnachweis nach Absatz 3 erforderlich. Bei unwesentlichen Abweichungen ist das Bauprodukt nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ohne weiteren Nachweis verwendbar. Die Bauregelliste A wird ebenso wie die Bauregelliste B nach Absatz 7 und die Liste C nach Absatz 3 Satz 2 vom Deutschen Institut für Bautechnik im Einvernehmen mit der obersten Bauaufsichtsbehörde bekannt gemacht.

Absatz 3 regelt die Verwendbarkeit von ungeregelten Bauprodukten. Dabei handelt es sich entweder um Bauprodukte, die von in der Bauregelliste A bekannt gemachten Regeln wesentlich abweichen oder um Bauprodukte, für die es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gibt. Für sie sind besondere Verwendbarkeitsnachweise erforderlich. Ob eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis erforderlich ist, wird nach § 19 ebenfalls in der Bauregelliste A bekannt gemacht. Nach Satz 2 ist bei in der Liste C aufgeführten ungeregelten Bauprodukten, die für die Erfüllung bauaufsichtlicher Anforderungen nur eine untergeordnete Bedeutung haben, kein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich.

Absatz 4 ermöglicht im Interesse der Hersteller von Bauprodukten, bei der Erteilung von Verwendbarkeitszeugnissen auch Anforderungen anderer Rechtsbereiche zu prüfen. Dadurch werden Doppelprüfungen vermieden. Aufgrund der bisher in § 20 Abs. 4 enthaltenen Ermächtigung wurde die Thüringer Verordnung zur Feststellung der wasserrechtlichen Eignung von Bauprodukten und Bauarten vom 20. Juli 2007 (GVBl. S. 94) in der jeweils geltenden Fassung erlassen.

Die Absätze 5 und 6 betreffen Bauprodukte, deren Herstellung, Einbau, Transport, Instandhaltung oder Reinigung besonderer Kenntnisse oder Sorgfalt oder besonderer Einrichtungen bedarf. Bei diesen Bauprodukten kann in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, in der Zustimmung im Einzelfall oder durch Rechtsverordnung der obersten Bauaufsichtsbehörde vorgeschrieben werden, dass der Hersteller besondere Anforderungen erfüllt oder der Umgang mit diesen Bauprodukten besonders überwacht wird. Eine entsprechende Bestimmung in allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen wird nicht vorgesehen, da deren Erteilung nach § 19 Abs. 1 nur für weniger problematische Bauprodukte in Betracht kommt.

Absatz 7 regelt den Inhalt der Bauregelliste B. Je nach klimatischen, geografischen oder sonstigen Besonderheiten in den Mitgliedstaaten können an Bauprodukte für einen bestimmten Verwendungszweck unterschiedliche Anforderungen zu stellen sein. Soweit Normen der Europäischen Union unterschiedliche Leistungsstufen oder -klassen regeln, kann in der Bauregelliste B festgelegt werden, welche für die Verwendung in Thüringen zu erfüllen ist. Nach Nummer 2 kann bekannt gemacht werden, inwieweit Regelungen der Europäischen Union die Grundanforderungen an Bauwerke nicht berücksichtigen und damit zusätzliche Anforderungen gestellt werden können oder müssen.

Thüringer Landtag Drucksache 5/5768





2018 (29.06.2018 - GVBl. 2018, 297)

§ 17 bestimmt nicht mehr positiv und abschließend, welche Bauprodukte verwendet werden dürfen (siehe Begründung zu § 16 b), sondern nur noch die Fälle, in denen ein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich ist.

Absatz 1 regelt, in welchen Fällen die in den §§ 18 bis 20 aufgeführten Verwendbarkeitsnachweise (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, Zustimmung im Einzelfall) erforderlich sind.

Ein Verwendbarkeitsnachweis ist vorbehaltlich des Absatzes 2 Nr. 2 nach Nummer 1 erforderlich, wenn es weder eine Technische Baubestimmung noch eine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt. Wenn eine allgemein anerkannte Regel der Technik existiert, bedarf es unabhängig davon, ob von dieser Regel abgewichen wird, keines Verwendbarkeitsnachweises. Das Bauprodukt kann dann aufgrund der §§ 16 b und 87 a Abs. 1 Satz 3 ohne weiteres verwendet werden.

Nach Nummer 2 ist ein Verwendbarkeitsnachweis bei wesentlichen Abweichungen von einer Technischen Baubestimmung erforderlich. Wird dagegen von einer allgemein anerkannten Regel der Technik (wesentlich oder unwesentlich) abgewichen, ist nach Absatz 2 Nr. 1 kein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich.

Nach Nummer 3 ist ein Verwendbarkeitsnachweis erforderlich, wenn es eine Rechtsverordnung nach § 87 Abs. 5 Satz 1 vorsieht. Diese Regelung entspricht in Verbindung mit § 87 Abs. 5 dem bisherigen § 17 Abs. 4. Danach ist es auch im Interesse der Hersteller von Bauprodukten möglich, bei der Erteilung von Verwendbarkeitszeugnissen auch Anforderungen
anderer Rechtsbereiche zu prüfen. Dadurch werden Doppelprüfungen vermieden. Aufgrund der auch bisher bestehenden Ermächtigung wurde die Thüringer Verordnung zur Feststellung der wasserrechtlichen Eignung von Bauprodukten und Bauarten vom 20. Juli 2007 (GVBl. S. 94) in der jeweils geltenden Fassung erlassen.

Absatz 2 enthält zwei Ausnahmen zu den in Absatz 1 geregelten Fällen. Nummer 1 bestimmt, dass ein Verwendbarkeitsnachweis nicht erforderlich ist, wenn eine allgemein anerkannte Regel der Technik zwar existiert, das Bauprodukt aber von dieser abweicht. Dann kann das Bauprodukt aufgrund des § 16 b verwendet werden. Nach Nummer 2 sind Verwendbarkeitsnachweise nicht erforderlich für Bauprodukte, die nur eine untergeordnete Bedeutung für die Erfüllung der Anforderungen dieses oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Vorschriften haben.

Absatz 3 stellt klar, dass die in der Verwaltungsvorschrift nach § 87 a vorgesehene Liste von Bauprodukten, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen, nicht abschließend ist, weil eine abschließende Erfassung aller denkbaren Bauprodukte auch angesichts der technischen Entwicklung kaum möglich ist. Maßgeblich für das Erfordernis eines Verwendbarkeitsnachweises sind daher die Absätze 1 und 2.

In der Liste werden vorrangig die Bauprodukte aufgeführt werden, für die es weder Technische Baubestimmungen noch allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt und die für die Erfüllung der Anforderungen nach § 3 nicht von Bedeutung sind. Das entspricht der Liste C nach dem bisher geltenden § 17 Abs. 3 Satz 2. Außerdem können Bauprodukte in diese Liste aufgenommen werden, die für die Erfüllung der Anforderungen nach § 3 von Bedeutung sind, für die es allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt (auch wenn sie von diesen abweichen) und die ausreichend durch andere Zertifizierungs-/Zulassungssysteme abgedeckt sind (bisher "sonstige Bauprodukte" nach § 17 Abs. 1 Satz 2 und 3). Die Liste soll den am Bau Beteiligten zur Klarstellung dienen.

Thüringer Landtag Drucksache 6/3277


2. Verwaltungsvorschrift


Für Bauprodukte gilt die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 10. Die Bestimmungen für Bauprodukte richten sich an die Hersteller, sind jedoch auch bei den bautechnischen Nachweisen, der Bauausführung und der Bauüberwachung zu beachten.

Die Bauregellisten werden vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Abstimmung mit der Bauministerkonferenz erstellt und in den DIBt-Mitteilungen veröffentlicht (kostenfrei abruf-bar auf der Internetseite des DIBt.

Das System der Nachweise der Verwendbarkeit von Bauprodukten und Bauarten ist ausführ-lich in den Vorbemerkungen der vom DIBt veröffentlichten Bauregelliste A, Bauregelliste B und Liste C dargestellt.

17.5 Auf die Thüringer Verordnung über Anforderungen an Hersteller von Bauprodukten und Anwender von Bauarten (ThürHAVO) wird hingewiesen.

17.6 Auf die Thüringer Verordnung über die Überwachung von Tätigkeiten mit Bauprodukten und bei Bauarten (ThürÜTVO) wird hingewiesen.

VollzBekThürBO


B. Normauslegung


















Zitiervorschlag:
Müller-Grune Sven, Kommentar zur Thüringer Bauordnung, Schmalkalden 2017, § 17.





© Prof. Dr. Sven Müller-Grune





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