Übungsszenario: Spannungen im Projektteam
nun sollen die integrierten Prozessoren für den Kunden entwickelt und an ihn ausgeliefert werden
A. Einführung
In einem kleinen Team soll ein Gespräch zur Problemlösung stattfinden. Der Vorgesetzte des Teams hat ein Problem: auf der einen Seite kann der das Team zu nichts zwingen, auf der anderen ist er als Vorgesetzter für das Ergebnis der Teamarbeit verantwortlich. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich möglichst professionell zu verhalten und die Rolle eines Moderators zu schlüpfen - er soll die Gruppe zur erfolgreichen Problemlösung führen, ohne Befehle zu erteilen oder Druck auszuüben.
B. Beschreibung der Situation
Die Verhandlung im Szenario über neue CPU-s für den Computerhersteller Birne (B) war erfolgreich. Das Verhandlungsgeschick beider Parteien führte dazu, dass ein beidseitig sinnvolles Vertragswerk unterzeichnet wurde. Beide Parteien erzielen bereits jetzt enorme finanzielle Vorteile und sie werden noch mehr erreichen, sofern die Zusagen eingehalten werden können.
Die Verträge wurden unter anderem unter der Bedingung geschlossen, dass der Prozessorhersteller Genausogut (G) innerhalb von 14 Monaten ab Vertragsschluss eine CPU mit integriertem Grafikkern ausliefern kann. Dabei wurden die Parameter der CPU (CPU- und Grafikleistung sowie maximaler Stromverbrauch und weitere Qualitätsmerkmale) genau vertraglich festgelegt.
Das Entwicklerteam bei G ist an sich auf dem richtigen Weg, das Ziel zu erreichen. Nach 8 Monaten Entwicklungsarbeit haben einige Prototypen die Zielvorgaben erreicht, jedoch ist eine Massenproduktion unter Einhaltung der Qualitätsauflagen noch nicht möglich. Aus unterschiedlichen - nicht weiter für die Problemlösung interessanten - Gründen kam es zu Aussetzern bei Tests, zeitlichen Verschiebungen bei qualitätssteigernden Maßnahmen etc. Es steht fest, dass die Ziele nur dann erreicht werden können, wenn das Team in den kommenden 4 Monaten insgesamt 600 Überstunden leistet. Wird das Ziel nicht erreicht, ist die Zielvereinbarung nicht erfüllt, so dass alle leistungsabhängigen Vergütungen hinfällig werden und auch die Existenz des gesamten Unternehmens bedroht ist. Ist das Vertrauen von B erst einmal verletzt, steht die weitere Zusammenarbeit aus Sicht von B auf dem Prüfstand.
Im Gespräch soll das Problem gelöst werden.
C. Rollen
Am Gespräch nehmen Teil:
- der Moderator und zugleich Vorgesetzter (Stück 1)
- ein Teammitglied namens Ehrgeiz (Stück 1)
- Teammmitglied(er) Freizeit (Stück 1-n)
- Teammitglied(er) Absicherung (Stück 1-n)
1. Moderator
Der Vorgesetzte des Teams ist zugleich der Moderator. Er soll nach Regeln der Kunst (vgl. Unterlagen aus der Lehrveranstaltung) das Team dazu bringen, die angestrebte Masse an Überstunden gerecht zu verteilen.
2. Teammitglied Ehrgeiz
Ich bin in erster Linie am Aufstieg im Unternehmen interessiert. Meine nächste Wunschstation ist die Position des Projektleiters, die gegenwärtig der Vorgesetzte und zugleich Moderator inne hat. Natürlich ist mir auch klar, dass ich als künftige Führungskraft (die ich werden will) an das Wohl des Unternehmens denken und Führungsqualitäten zeigen. Deshalb will ich dem Vorgesetzten zeigen, dass ich das mindestens genauso gut kann, wie er (sie).
Ich will den Vorgesetzten / Moderator aus zwei Gründen unterstützen: zum einen, um meine Führungsfähigkeiten zu zeigen; zum anderen - um dem Vorgesetzten zu helfen, weil von ihm gerade maßgeblich meine Beförderung abhängt. Was auch sinnvoll wäre, wenn ich jetzt schon etwas Führungsverantwortung im Team übernehmen könnte - z. B. durch eine Kontroll- oder Steuerungsaufgabe in einem der Teilprojekte. Wenn ich dies darf, dann bin ich gern bereit auch 40 Überstunden im Monat zu übernehmen. Wenn nicht, dann halte ich mich zurück und mache von mir aus ein Angebot von maximal 10 Überstunden im Monat - ich kann ja zu Überstunden nicht gezwungen werden.
Ich hoffe allerdings, dass die Prämie in diesem Jahr ausgezahlt wird...
3. Teammitglied Freizeit
Ich arbeite um zu leben - nicht umgekehrt. Deshalb ist mir meine Freizeit mehr Wert, als berufliche Erfolge. Natürlich brauche ich Geld, um meine zahlreichen Hobbys zu finanzieren. Dennoch hält sich meine Bereitschaft, Überstunden zu machen, in Grenzen. Auf der anderen Seite kann ich es mir nicht erlauben, die diesjährige Prämie oder gar den Job zu verlieren (wenn mein Arbeitgeber mich nicht mehr beschäftigen kann).
Kurz: ich übernehme Überstunden, falls es nicht anders geht. Mein Angebot ist max. 15 im Monat. Darüber hinaus mache ich nur dann Überstunden, wenn ich
1) diese in den ersten 2 Monaten leiste und
2) nach Projektende einen Freizeitausgleich erhalte.
4. Teammitglied Absicherung
Ich bin froh, einen Job zu haben. Die vielen arbeitslosen Ingenieure und Physiker, die ich kenne, machen mir Angst. Deshalb bin ich froh, wenn mein Arbeitgeber überlebt. Dabei will ich ihn nach Kräften unterstützen. Überstunden übernehme ich gern.
Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass mein Engagement durch andere im Unternehmen häufig ausgenutzt wird. Diesmal übernehme ich die Überstunden nur, wenn dabei eine gerechte Lastenverteilung erfolgt. Die Überstunden sollen entweder nach Köpfen verteilt werden oder freiwillig gegen Zusatzprämie, die dann entsprechend dem Verhältnis der übernommenen Überstunden ausgezahlt wird.
Kurz: ich bin bereit, Überstunden zu übernehmen, aber nur bei einem gerechten Schlüssel.