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Übungsszenario: Große Verhandlung in der IT-Industrie
Neue Prozessoren für eine bekannte Computermarke
A. Einführung
In der Übung soll die Dynamik einer Verhandlung erlebt werden. Die Verhandlung soll vorbereitet und nach Möglichkeit professionell durchgeführt werden. Ein Ergebnis steht zu Beginn nicht fest. Die Aufgabe besteht darin, alle Gesichtspunkte der Situation, in der sich die Parteien befinden, möglichst zu würdigen. Die Zwänge und Nöte, denen die Parteien der Verhandlung ausgesetzt sind, müssen berücksichtigt werden. Am Ende soll - sofern möglich und sinnvoll - eine Vereinbarung über die wichtigsten Punkte der Zusammenarbeit stehen. Beide Parteien müssen ihre Interessen weitestgehend berücksichtigen - die Margen auf dem Markt sind gering, also darf nichts verschenkt werden!
B. Beschreibung
Der große Computerhersteller Birne (B) bezieht die Prozessoren (CPU-s) für die hergestellten Rechner vom Weltmarktführer Kostetviel (K). Da K fast 80 % des Weltmarktes für CPU-s beherrscht, diktiert er praktisch die Preise. Deshalb sind die Preise bei K recht hoch. Darüber hinaus hat B kaum Möglichkeit, den Riesen K dazu zu bewegen, auf spezielle Wünsche von B hinsichtlich Konstruktion und Merkmale der Prozessoren einzugehen.
Vor diesem Hintergrund nimmt B Gespräche mit dem größten und dennoch deutlich kleineren Wettbewerber von K auf - mit dem Prozessorhersteller Genausogut (G). Die ersten Gespräche haben ergeben, dass prinzipiell Bereitschaft auf beiden Seiten besteht, eine enge Zusammenarbeit aufzubauen. In zwei Expertenteams (Techniker und Juristen), die sich aus Spezialisten beider Unternehmen zusammensetzten, wurden die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ermittelt und analysiert. Aus Sicht der Experten macht die Zusammenarbeit Sinn, für die Entscheider in beiden Unternehmen sind die genauen Konditionen und Bedingungen der Kooperation allerdings noch nicht zufriedenstellend. Sie sollen nun in einer Verhandlung diskutiert und final abgestimmt werden. Am Ende soll - sofern möglich - die künftiger Zusammenarbeit vereinbart sein.
Die bisherige seitens G vertreten Position ist:
- G bietet mobile CPU-s (ähnlich stromsparend wie bei K) zum Preis von 80 Dollar/Stück (Preis bei K bei etwas höherer Leistungsfähigkeit: 120 Dollar / Stück); Mindestabnahmemenge seitens G wäre 4.000.000 Stück im Jahr;
- CPU-s für stationäre Rechner bietet G zum Preis von 50 Dollar/Stück bei Mindestabnahme 2.000.000 Stück pro Jahr;
Angebot von B lautet:
- mobile CPU-s bei einer Abnahme von 4.000.000 Stück im Jahr - 60 Dollar/Stück;
- Desktop-CPU-s bei einer Abnahme von 2.000.000 Stück pro Jahr - 45 Dollar/Stück.
C. Die Rollen
- Birne (B) = Computerhersteller
- Kostetviel (K) = Wettbewerber von G, von dem B gegenwärtig seine CPU-s bezieht
- Genausogut (G) = potentieller Lieferant des Computerherstellers
- Juristen (J) = juristische Berater in der Verhandlung, die als gemeinsam berufenes Team beiden Parteien gleichermaßen zur Verfügung stehen
- Techniker (T) = technische Experten in der Verhandlung, die als gemeinsam berufenes Team beiden Verhandlungsparteien zur Verfügung stehen
- Coach bei B, Coach bei G (CB und CG) = Verhandlungsberater in den Teams von B und G
1. Computerhersteller B
B leidet an den hohen Preisen von K. Durch die teuer eingekauften Prozessoren schrumpft die Marge bei B. Preiserhöhungen sind kaum möglich, weil die Wettbewerber von B qualitativ schlechtere Produkte anbieten, die aber billiger hergestellt werden können. Qualitativ schlechtere Produkte billiger anzubieten ist für B jedoch keine Alternative, weil die Stammkundschaft gerade wegen der Qualität, des Designs und der Stabilität der Produkte B gegenüber treu ist.
Wenn die seitens B gegenüber G angebotenen Preise akzeptiert würden, könnte die Computer zu einem um 20 % niedrigeren Preis bei stabiler Marge anbieten. Dies ist genau die Differenz zu vergleichbaren Premium-Angeboten anderer Hersteller, wobei Geräte von B nach wie vor viele Alleinstellungsmerkmale hätten. So könnte die letzte Hürde zum Siegeszug der Produkte von B. Dabei müsste G im Preis für die Prozessoren eigentlich noch entgegenkommen können, weil die von B vorgeschlagenen Preise eigentlich den Großhandelspreisen für Prozessoren von G entsprechen, welche auf dem Markt immer wieder zu beobachten sind.
Ein weiteres Problem, das B hat, ist der Umstand, dass K nicht bereit ist, besonders energiesparende Prozessoren mit integrierter Grafik für B zu entwickeln, weil dafür aus Sicht von K ein zu kleiner Markt existiere. Die vermuteten 2.000.000 von B benötigten Exemplare im Jahr stellen für K eine zu geringe Menge dar - und andere Abnehmer sieht K dafür nicht. Diese Art von Prozessoren würde B aber für neuartige Mobilgeräte brauchen. Da bisher außer K niemand die benötigten Prozessoren in ausreichender Stückzahl bauen konnte, musste B die Pläne für ein völlig neuartiges Produkt - eine Art mobiler Computer ohne Tastatur - auf Eis legen.
B benötigt jährlich ca. 10 Mio. Prozessoren für Notebooks (mobil) und ca. 8 Mio. Stück für stationäre Rechner (Desktop). Im laufenden Jahr wird B bis auf 2 Mio. Stück mobiler CPU-s (die noch eingekauft werden müssten) durch K umfassend "versorgt". Ab dem Folgejahr, in dem einige Verträge mit K auslaufen, könnte B von G bis zu 5 Mio. Stück im mobilen und 4 Mio. Stück im Desktop-Bereich jährlich beziehen. Im übernächsten Jahr laufen weitere Verträge mit K aus, so dass weitere 2 Mio. mobile CPU-s von einem anderen Anbieter bezogen werden könnten. Verkaufen sich die Rechner von B besser, als bisher, wären noch mehr CPU-s nötig.
2. Prozessorhersteller G
Die wirtschaftliche Lage des Konzerns ist katastrophal. Das ständige "dem K Hinterherrennen" führt zum aufreibenden Preiskampf, bei dem die Marge unter die Rentabilitätsgrenze sinkt. Teilweise muss G seine Produkte dadurch mit Verlust verkaufen - sie decken nicht mal die Kosten. Damit muss nun Schluss sein. G kann ja günstig herstellen, aber dies ist nur dann möglich, wenn die Abnahme stabil auf hohem Niveau ist. Und dies war bisher schwierig, weil K mit Knebelverträgen die Computerhersteller weltweit beeinflusst. Dazu laufen ja auch schon Kartellverfahren gegen K - sowohl in den USA wie auch in Europa.
Ein weiteres Problem von G ist auch, dass das kürzlich übernommene Grafikchip-Unternehmen enorme Kosten verursacht und die Synergien aus der Übernahme noch nicht am Markt verkauft werden können - kaum jemand ist bereit, die CPU-s mit Grafikprozessoren zusammen zu kaufen. Das ist eigentlich Schade, weil die Integration der Grafikchips mit Hauptprozessoren die Zukunft der IT ist.
Kurz: G muss möglichst schnell möglichst viel Umsatz machen, sonst sieht die Zukunft düster aus. Die Prozessoren sollen allerdings auch zu einem vernünftigen Preis verkauft werden, weil ohne Kostendeckung ist das Überleben auch nicht möglich. Je mehr Prozessoren verkauft werden, je länger eventuelle Verträge laufen, desto mehr kann G im Bereich Forschung und Entwicklung an neuen Produkten feilen und den gerade zu beobachtenden technologischen Vorsprung von K aufholen. Dies ist ein weiterer, lebenswichtiger Punkt für G.
Der technologische Vorsprung von K führt auch dazu, dass die immer mit großem zeitlichen Abstand bestellten Prozessoren manchmal gar nicht mehr verkauft werden können, weil die Computerhersteller lieber auf leistungsfähigere, neue Versionen warten. Auch jetzt sitzt G gerade auf einem "Haufen" von 3 Mio. Desktop-Prozessoren, die nur in aktueller Generation von Rechnern eingebaut werden könnten, für die Zukunft aber nicht mehr in solchen Mengen bestellt werden. Deshalb stellen die teuer hergestellten Produkte für G praktisch nur Elektroschrott dar und werden höchstwahrscheinlich nach Fernost verramscht - vergleichbare Prozessoren verbaut B gerade in seinen Rechnern und zahlt pro Stück 90 Dollar an K. Ob B hier noch so kurzfristig auf die Prozessoren von G umsteigen könnte?
3. Coach in jedem Team
In jedem Team hat jeweils eine Person allein die Aufgabe, das Verhandlungsteam hinsichtlich der Verhandlungsführung zu beraten - wie die Verhandlung strukturiert, geführt werden sollte, wann welche Phase einsetzen sollte, die verhandelnden Personen "zur Vernunft" rufen etc. Inhalte soll das Team verfolgen - der Coach ist ausschließlich dafür da, die Verhandlungsführung zu überwachen und Abweichungen von den "Regeln der Kunst" korrigieren.
Der Coach erhält komplette Unterlagen aus der Veranstaltung darüber, wie man sich zu verhalten hat!
4. Experten
a. Juristenteam
Zuständig für alle rechtlichen Fragen rund um die geplante Transaktion. Es wird nur dann tätig, wenn seine Dienste in Anspruch genommen werden. Das Team verfügt über folgendes Wissen:
- die Kartellbehörden sitzen nicht nur K selbst "im Nacken", sondern prüfen kritisch auch alle Vertragspartner von K, ob sich diese an unzulässigen Marktpraktiken nicht auch beteiligen;
- es ist ferner nicht auszuschließen, dass K in naher Zukunft auf einige Kunden zwangsweise verzichten muss - als Deal mit Kartelaufsichtsbehörden; verzichtet K auf B, muss B sich sowieso einen neuen Lieferanten suchen, wobei nur G in der Lage wäre, die benötigten Mengen kurzfristig zu liefern; liefert K weiter an B und verzichtet auf andere Kunden, verteuert sich sein Stückpreis, was die - ohnehin schon sehr hohen - Preise bei B weiter in die Höhe treiben wird;
- langfristige Verträge sind künftig mit K aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich; mit G hingegen - wegen der viel geringeren Marktanteile von G - problemlos zulässig;
- die Verträge mit K könnten angesichts des Quasi-Monopols und der laufenden Kartellverfahren zumindest zum Teil vorzeitig aufgelöst werden - entsprechende Klauseln sind in Verträgen mit K enthalten.
b. Technikerteam
B und G haben zwecks Analyse der Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gemeinsam auch ein technisches Expertenteam eingesetzt. Das Team berichtet gegenüber beiden Verhandlungspartnern gleichberechtigt über alle technische Fragen, die bei Verhandlung auftreten (sofern danach gefragt wird). Insbesondere folgende Umstände sind dem Team bekannt:
- der Einsatz der Prozessoren von G bei B ist möglich;
- die Umstellung der Produktion bei B würde 1-2 Monate ab Vertragsschluss in Anspruch nehmen;
- eine parallele Verwendung der Prozessoren von G und K in der Produktion bei B ist möglich, allerdings sollte die jährliche Stückzahl einer Sorte nicht unter 2 Mio. fallen, weil sich dann die Stückkosten für Geräte von B erhöhen;
- die integrierten Prozessoren (CPU mit Grafikchip) sind bei G noch nicht so weit entwickelt, dass sie sofort bei B eingesetzt werden könnten; innerhalb von 1-1,5 Jahren könnte G jedoch eine Einheit, wie von B benötigt, liefern;
- Tests haben ergeben, dass die bisher mit Prozessoren von K verglichenen Produkte von G jeweils ca. 5 % geringere Leistung aufweisen.
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