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Unternehmenssanierung im Insolvenzverfahren – Vergleich des deutschen und koreanischen Insolvenzrechts



Durch Unternehmensinsolvenzen verlieren in Deutschland und Südkorea jährlich viele Menschen ihren Arbeitsplatz. Der Verlust der Einnahmequelle bedeutet in der Regel auch einen Verlust ihrer finanziellen Lebensgrundlage. Auch der Forderungsausfall, der aufgrund von Unternehmensinsolvenzen entsteht, ist enorm. Die Deckungsquote bei Unternehmensinsolvenzen ohne Sanierung ist in beiden Ländern durchschnittlich sehr niedrig. Durch Unternehmenssanierungen können nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die damit verbundenen Arbeitsplätze gerettet und erhalten werden. Im Folgenden wird ein kurzer Einblick in die Unternehmenssanierung im Insolvenzverfahren nach deutschem und koreanischem Insolvenzrecht gegeben.


Ziele des Insolvenzverfahrens
Deutschland: Gemäß Paragraph 1 der Insolvenzordnung (InsO) dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird.
Südkorea: Gemäß Artikel 1 des Sanierungs- und Insolvenzgesetzes (SIG) sollen Schuldner (sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen), die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, durch die Koordinierung der rechtlichen Beziehungen zwischen den Stakeholdern (Gläubiger, Anteilseigner und Aktionäre etc.) saniert werden. Eine Liquidation (Verkauf aller Vermögensgegenstände des Schuldners mit anschließender Verteilung an die Gläubiger) ist nur möglich, wenn die Sanierung keine Chance auf Erfolg hat.
Ergebnis: Bereits an der Formulierung der Ziele des Insolvenzverfahrens lässt sich die Tendenz zur Gläubigerfreundlichkeit im deutschen sowie die Tendenz zur Schuldnerfreundlichkeit im koreanischen Insolvenzrecht erkennen.


Anzahl der erfolgten Sanierungen im Vergleich zu den Liquidationen
Deutschland: In Deutschland wird nur ein geringer Teil der insolventen Unternehmen saniert. Dies wird an einer Statistik des Statistischen Bundesamtes deutlich, die zeigt, dass bei insgesamt 13.600 beendeten Unternehmensinsolvenzverfahren, die im Jahr 2009 eröffnet und bis zum 31.12.2013 beendet wurden, lediglich bei 628 Unternehmen eine Sanierung erfolgt ist. (Quelle: Statistisches Bundesamt, Insolvenzverfahren von Unternehmen nach Höhe der Forderungen und Sanierungserfolg)
Südkorea: Im Jahr 2013 wurden, wie in den Jahren davor, circa doppelt so viele Unternehmen saniert wie liquidiert. (Quelle: RIM Chiyong, KIM & CHANG)
Ergebnis: In Südkorea wird also im Vergleich zu Deutschland bei Unternehmensinsolvenzen prozentual ein weitaus höherer Anteil an Unternehmen saniert. Dies lässt vermuten, dass die gesetzlichen Regelungen des koreanischen Insolvenzrechts die Sanierung leichter ermöglichen und somit den Erhalt von Unternehmen stärker fördern als das deutsche Insolvenzrecht. Es kann auch sein, dass Südkorea bessere Systeme zur Insolvenzfrüherkennung hat.


Verfahren zur Unternehmenssanierung
Deutschland: In Deutschland kann eine Unternehmenssanierung im Insolvenzplanverfahren nach Paragraph 217 ff. der InsO (mit möglicher anschließender Restschuldbefreiung gemäß Paragraph 227 InsO) durchgeführt werden. Im Insolvenzplanverfahren wird ein Insolvenzplan mit Planzielen (Eigensanierung, übertragende Sanierung oder Liquidation) erstellt. Seit der Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) am 01. März 2012 gibt es außerdem das Schutzschirmverfahren nach Paragraph 270b InsO (ein Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung). Durch das Schutzschirmverfahren wird das vorläufige Insolvenzverfahren modifiziert, mit dem Ziel, ein Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung durchzuführen.
Südkorea: In Südkorea kann eine Unternehmenssanierung in einem Sanierungsverfahren gemäß Artikel 34 ff. des SIG durchgeführt werden. Dieses Sanierungsverfahren ist dem Chapter 11-Verfahren (Reorganisationsverfahren) des Insolvenzrechts der Vereinigten Staaten nachgebildet. Im Sanierungsverfahren wird ein Sanierungsplan erstellt, wobei Gläubigerforderungen gekürzt werden können, um den Erfolg der Sanierung zu garantieren. Des Weiteren gibt es noch das Workout-Verfahren (auch Umschuldungsverfahren genannt) nach dem Fördergesetz zur Änderung der Unternehmensstruktur. Dies findet jedoch nur auf Verbindlichkeiten Anwendung, die gegenüber Finanzgesellschaften in Südkorea bestehen. Hierbei sollen die vereinbarten Zahlungsbedingungen außergerichtlich durch eine Umschuldungsvereinbarung neu geregelt werden.
Ergebnis: Es gibt also sowohl in Deutschland als auch in Südkorea spezielle Verfahren für Unternehmenssanierungen.


Vorteile der Unternehmenssanierung
Deutschland: Aus Schuldnersicht ist der große Vorteil, dass der Schuldner weitestgehend die Kontrolle über das Unternehmen beibehält und weiterhin Eigentümer bleibt. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht gemäß Paragraph 80 InsO geht also nicht auf den Insolvenzverwalter. Dies gilt jedoch nur bei der Eigenverwaltung und nicht z.B. bei der übertragenden Sanierung beziehungsweise beim Betriebsübergang. Auch die Gläubiger haben bei der Sanierung Vorteile, da sie z.B. größere Mitbestimmungsrechte haben, z.B. gemäß Paragraph 244 InsO. Diese Gewährung von größeren Mitbestimmungsrechten soll dem mit der Sanierung einhergehenden erhöhten Risiko gerecht werden. Des Weiteren sind bei Insolvenzplanverfahren häufig höhere Auszahlungsquoten zu beachten. Die Forderungen der Gläubiger werden also in der Regel schneller beglichen.
Südkorea: Gemäß Paragraph 74 des SIB hat der Schuldner beziehungsweise die Geschäftsleitung weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen, auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (außer wenn das Unternehmen aufgrund dieser Geschäftsleitung einen finanziellen Zusammenbruch wegen Missbrauch von Firmenbesitz oder Missmanagement erlitten hat). Durch den Sanierungsplan hat der Schuldner die Möglichkeit, die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren in Teilzahlungen zu begleichen und bewahrt so die Liquidität des Unternehmens. In seltenen Fällen besteht sogar die Möglichkeit, dass Verbindlichkeiten erlassen werden. Ein weiterer großer Vorteil der Unternehmenssanierung ist, dass Lohnforderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen mit der Erlaubnis des Gerichts gemäß Paragraph 217 SIG bevorzugt beglichen werden können, um Streitigkeiten mit Gewerkschaften und die Insolvenz von Lieferanten zu verhindern. Des Weiteren können Gläubiger nach Eröffnung des Verfahrens keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen individuell durchführen gemäß Artikel 58 SIG. Dies gibt dem Schuldner mehr Raum und erhöht die Erfolgschancen der Unternehmenssanierung.
Ergebnis: Die Unternehmenssanierung hat also in beiden Ländern viele Vorteile, sowohl für den Schuldner, wie auch für die Gläubiger und die gesamte nationale Wirtschaft.


Antragsberechtigte Personen
Deutschland: Ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann bei Zahlungsunfähigkeit gemäß Paragraph 17 InsO, drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß Paragraph 18 InsO (hier kann jedoch nur der Schuldner selbst den Antrag stellen) und bei Überschuldung gemäß Paragraph 19 InsO gestellt werden. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner gemäß Paragraph 13 Absatz 1 InsO. Des Weiteren hat bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit außer den Gläubigern jedes Mitglied des Vertretungsorgans, bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien jeder persönlich haftende Gesellschafter, sowie jeder Abwickler ein Antragsrecht. Bei einer juristischen Person ist im Fall der Führungslosigkeit auch jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt.
Südkorea: Gemäß Artikel 34 Absatz 1 Nummer 1 des SIG ist nur der Schuldner antragsberechtigt, wenn es dem Schuldner unmöglich erscheint, die Verbindlichkeiten fristgemäß zu begleichen, ohne dass die Fortführung des Betriebs stark beeinträchtigt wird. Bei drohender Insolvenz ist für die Frage der Antragsberechtigung entscheidend, ob es sich bei dem Schuldner um eine Aktiengesellschaft (AG) / Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) handelt oder nicht. Handelt es sich um eine AG / GmbH, so ist gemäß Artikel 34 Absatz 2 Nummer 1 des SIG jeder Gläubiger, dessen Forderung mindestens zehn Prozent des Schuldnerkapitals oder jeder Anteilseigner / Aktionär, dessen Anteil mindestens zehn Prozent des Schuldnerkapitals beträgt, antragsberechtigt. Handelt es sich nicht um eine AG / GmbH, so ist gemäß Artikel 34 Absatz 2 Nummer 2 des SIG jeder Gläubiger, dessen Forderung mindestens 50 Millionen koreanische Won beträgt oder jeder Anteilseigner, dessen Anteil mindestens 10 Prozent der gesamten Kapitaleinlage beträgt, antragsberechtigt.
Ergebnis: In Deutschland sind daher mehr Parteien antragsberechtigt als in Südkorea, da in Südkorea für das Antragsrecht eine Mindesthöhe der Forderung oder des Anteils vorgeschrieben ist. In Deutschland gibt es eine derartige Mindesthöhe nicht (die Höhe der Forderungen/Anteile wirkt sich in Deutschland hauptsächlich bei den Mitbestimmungsrechten aus). Südkorea vertraut demnach der Eigeninitiative des Schuldners und der Verlauf der Jahre zeigt, dass der größte Anteil der Anträge in Südkorea direkt von den Schuldnern kommt (sogenannte Eigenanträge).


Ablauf der Unternehmenssanierung
Deutschland: Nach Aufstellung des Insolvenzplans gemäß Paragraph 218 InsO und der Vorprüfung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht gemäß Paragraph 231 InsO findet der Erörterungs- und Abstimmungstermin gemäß Paragraph 235 ff. InsO statt. Nachdem der Insolvenzplan durch das Insolvenzgericht gemäß Paragraph 248 ff. InsO bestätigt wurde, wird das Insolvenzverfahren gemäß Paragraph 258 ff. InsO aufgehoben und die Planerfüllung wird gemäß Paragraph 260 ff. InsO überwacht.
Südkorea: Nach Stellung des Insolvenzantrags beginnt das Verfahren der Unternehmenssanierung, wenn das Gericht und die Gläubiger davon überzeugt sind, dass die Fortführung des Unternehmens einen größeren Wert bietet als eine Liquidation. Ein Sanierungsplan gemäß Artikel 193 ff. SIG wird erstellt und dem Gericht sowie den Gläubigern vorgelegt. Soweit keine Einwendung gegen den Plan vorliegt, wird dieser verfolgt. Zu beinahe jedem Zeitpunkt des gesamten Verfahrens besteht die Möglichkeit zum Liquidationsverfahren (auch Konkursverfahren genannt) zu wechseln, wenn der Sanierungsplan keine Chance auf Erfolg zeigt.
Ergebnis: Das Insolvenzplanverfahren nach deutschem Insolvenzrecht enthält deutlich mehr Schritte als das Sanierungsverfahren nach koreanischem Insolvenzrecht. Außerdem wird im deutschen Insolvenzverfahren eine strengere Kontrolle und Überprüfung durchgeführt. Vor allem dieser erhöhte Aufwand im deutschen Insolvenzrecht, der die Gläubiger schützen soll, erschwert jedoch die mögliche Unternehmenssanierung.


Fazit: Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass das Insolvenzrecht in beiden Ländern mehr Gemeinsamkeiten hat, als man denkt. Jedoch scheint das koreanische Insolvenzrecht weniger Prämissen vorzuschreiben und mehr Anreize für Sanierung zu schaffen, als es das deutsche Insolvenzrecht macht. Das oberste Ziel des Insolvenzrechts beider Länder muss es jedenfalls sein, ein relativ ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Schuldner- und Gläubigerrechten zu erreichen, die Möglichkeit der Sanierung für möglichst viele Unternehmen zu schaffen und intensiv die rechtsethische Frage zu klären, ob das Interesse eines Unternehmens (das seinen Beitrag zur nationalen Wirtschaftskraft leistet und Arbeitsplätze schafft) über das Interesse der Gläubiger (die durch Forderungsausfall ebenfalls finanziell gefährdet werden können) und Arbeitnehmer (deren Existenz durch den Wegfall des Arbeitsplatzes gefährdet werden können) gestellt werden sollte.


Tipps
Schuldner
Wenn die Insolvenz droht, gilt es vom Unternehmen sowohl in Deutschland als auch in Südkorea vor allem einen Grundsatz zu befolgen: Je früher das Unternehmen aktiv wird, desto größer sind die Sanierungschancen. Um sich nicht strafbar zu machen (z.B. wegen Insolvenzverschleppung), sollte die vertretungsbefugte Person des Unternehmens (z.B. der Geschäftsführer) seiner Anzeige- beziehungsweise Antragspflicht nachkommen.

Gläubiger
Die Gläubiger sollten in beiden Ländern innerhalb der gesetzten Frist ihre Forderungen zum Insolvenzverfahren (in Deutschland zur Insolvenztabelle) anmelden. Werden die Forderungen nicht angemeldet, so werden diese nicht im Insolvenzverfahren (beziehungsweise im Falle einer Unternehmenssanierung auch nicht im Insolvenz- oder Sanierungsplan) berücksichtigt. Eine Befriedigung ist somit ohne Anmeldung ausgeschlossen. Einige Gläubiger wollen, dass ihre Forderung so schnell wie möglich beglichen wird (wenn auch nur quotal) und lehnen daher meist einen Sanierungsplan ab, da dieser zu großen Verzögerungen der Befriedigung und in Südkorea zu teilweise großen Forderungsausfällen führen kann. Gläubiger sollten den Sanierungsplänen (zumindest wenn eine positive Fortführungsprognose erstellt werden kann) zustimmen, da ein saniertes Unternehmen einen weitaus höheren Mehrwert für alle Stakeholder bringt als ein zerschlagenes beziehungsweise liquidiertes Unternehmen. Im Laufe der Sanierung erhöht sich die Liquidität und die Gläubiger können (meist mit hohen Deckungsquoten) befriedigt werden.

Handelspartner Handel zwischen deutschen und koreanischen Unternehmen
Unternehmen stehen Instrumente zur Verfügung, mit denen sie sich vor der Insolvenz von Handelspartnern und somit ihre Forderungen schützen können. Eigentumsvorbehaltsklauseln bieten den großen Vorteil, dass durch dieses Mittel das Eigentum an der Handelsware erst dann an den Käufer übergeht, wenn der komplette Kaufpreis beglichen ist. Dadurch ist die Ware kein Teil der Insolvenzmasse und kann zurückverlangt werden (in Deutschland spricht man von einem Aussonderungsberechtigten Gläubiger). Da derartige Sicherungsrechte in Südkorea jedoch keinen hundertprozentigen Schutz vor Forderungsausfall bieten, ist die Abwicklung von Exportgeschäften per Akkreditiv (auch „Letter of Credit“ oder kurz „L/C“ genannt) anzuraten. Deutsche Unternehmen sollten vor allem bei wertmäßig großen Lieferungen auch an eine Exportkreditversicherung (auch „Hermes-Deckung“ genannt) denken.






© Christoph Bieramperl (2016)
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