Sewol Ferry
Im April 2014 ist eine Fähre (mit Fracht, Fahrzeugen sowie Passagieren beladen) mit dem Namen Sewol, die auf dem Weg in den Süden von Südkorea war, nahe der Küste gesunken. Von den ca. 500 Passagieren sind über 300 gestorben. Die Passagiere konnten sich nicht selbst retten, da sie in den Räumen der mehrstöckigen Fähre eingeschlossen waren. Ihnen wurde befohlen sich nicht zu bewegen, um eine Massenpanik zu verhindern. Trotz der mehreren hundert Tauchern konnten nur die wenigsten von ihnen gerettet werden. Die Fähre kenterte aufgrund einer Richtungsänderung. Kapitän Lee Jeon-Seok befahl einer rangniedrigeren und noch jüngeren Offizierin eine Richtungsänderung vorzunehmen. Diese vollzug die Richtungsänderung jedoch aufgrund ihrer Unerfahrenheit zu schnell. Aufgrund von fehlender Ladungssicherung sowie Überladung der Fähre fing das Schiff zuerst an zu schaukeln, geriet in Schieflage und kenterte schließlich. Aufgrund der Unberechenbarkeit der ungesicherten Ladung war das Kentern nicht mehr zu verhindern. Den Passagieren wurde befohlen sich nicht zu bewegen. Kapitän Lee Jeon-Seok verließ als erster das Schiff. Nachdem er von der Küstenwache gerettet wurde, wurde ihm befohlen, wieder zu der Fähre zurückzukehren und die Passagiere zu retten bzw. den Offizieren Anweisungen zu geben. Diesem Befehl kam der Kapitän nicht nach.
Der Kapitän ist der Herr des Schiffes und geht mit dem Schiff unter.
Das ist die romantische Vorstellung eines Schiffskapitäns die viele von uns haben, aber entspricht das auch der rechtlichen Situation? Wie ist die rechtliche Lage in diesem Fall?
Im internationalen Recht gibt es eine derartige Verpflichtung des Kapitäns nicht.
Im nationalen Recht ist die grundsätzliche Regel (zumindest in den meisten Ländern), dass es per se nicht gegen das Recht verstößt, wenn der Kapitän das Schiff verlässt.
Südkorea ist jedoch eine der wenigen Ausnahmen. Nach koreanischem Recht verstößt der Kapitän gegen geltendes Recht, wenn er vor den Passagieren das Schiff verlässt:
Seafarer’s Act (Act No. 1169, Mar. 23, 2013), Article 10
Article 10 (Duty to Stay in Ship) A captain shall not leave his/her ship from the time cargoes are loaded and passangers start to go on board until the time all cargoes are unloaded from his/her ship and all passengers leave his/her ship: Provided, That except for cases where there is a special reason that he/she should not leave his/her ship, such as abnormal weather conditions, etc., this shall not apply where he/she has appointed a person who ist o perform his/her behalf from among officers. |
Der Kapitän muss alle notwendigen Maßnahmen ergreifen um das Leben der Passagiere zu retten:
Seafarer’s Act (Act No. 1169, Mar. 23, 2013), Article 11
Article 11 (Measures tob e Taken when Ship is in Danger) Where a ship is in critical danger, a captain shall take all the measures necessary to rescue human lives, the ship and cargoes. |
Im koreanischen Strafrecht gibt es grundsätzlich drei Arten des Totschlages/Mordes:
• Death by Negligence
• Death and Injury by Occupational or Gross Negligence
• Murder, Killing Ascendant
Article 267 (Death by Negligence) A person who causes the death of another by negligence shall be punished by imprisonment for not more than two years or by a fine not exceeding seven million won. |
Article 268 (Death and Injury by Occupational or Gross Negligence) A person who causes the death or Injury of another by occupational or gross negligence, shall be punished by imprisonment for not more than five years or by a fine not exceeding twenty million won. |
Article 250 (Murder, Killing Ascendant) (1) A person who kills another shall be punished by death, or imprisonment for life or for not less than five years. (2) A person who kills ones own or ones spuose’s lineal ascendant shall be punished by death, imprisonment for life or for not less seven years. |
Gerichtsverhandlung:
Kapitän Lee Jeon-Seok wurde von den Staatsanwälten des Totschlages beschuldigt.
Die erste Verhandlung hat in einem District Court (der erstinstanzlichen Gerichtsebene) stattgefunden. Hier hat das Gericht entschieden, dass Kapitän Lee Jeon-Seok nicht schuldig ist bezüglich Totschlag, er wurde nur der grob fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen und somit zu 36 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Die Staatsanwälte haben Rechtsmittel eingelegt.
Die zweite Verhandlung hat in einem High Court (der zweitinstanzlichen Gerichtsebene) stattgefunden. Die Staatsanwälte haben plädiert, dass Kapitän Lee Jeon-Seok der absichtlichen Fahrlässigkeit schuldig gesprochen werden sollte. Das Berufungsgericht hat dem zugestimmt und die Entscheidung der unteren Instanz aufgehoben. Kapitän Lee Jeon-Seok wurde schuldig gesprochen 304 Menschen getötet zu haben. Das Gericht hat sich für eine lebenslange Gefängnisstrafe entschieden. (Zur Info: lebenslange Gefängnisstrafe bedeutet in Südkorea, dass die Person wirklich bis zu ihrem Tod im Gefängnis untergebracht wird)