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Rechtsform für gemeinsame Projekte von Gemeinden an Landesgrenzen

Rechtsfragen grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland

A. Einleitung, Fragestellung
Die Zusammenarbeit von Gemeinden verschiedener Länder, wie sie insbesondere häufig in Grenzgebieten erforderlich ist, stößt auf zahlreiche juristische Probleme, in der Regel öffentlichrechtlicher Art (welche Rechtsordnung findet Anwendung? darf sich eine Gemeinde, die grundsätzlich nur für die Belange auf dem Gemeindegebiet zuständig ist, überhaupt über die Grenzen hinaus tätig werden?). Aber auch die Frage der - an sich relativ frei wählbaren - Rechtsform für konkrete Projekte (sofern sie einer Rechtsform bedürfen) ist alles andere als trivial. Auf der einen Seite ist nicht jede Rechtsform für die Betätigung einer Gemeinde in jedem Land zulässig. Zum anderen hängt mit der Frage der Rechtsform nicht nur das rein juristische Problem zusammen, sondern eine Reihe von strategischen Fragen. Die letztgenannten - strategischen - Fragen können wiederum nicht allein aus dem juristischen Blickwinkel betrachtet werden. Die Findung der optimalen organisatorischen Lösung für das jeweilige Projekt sollte jedoch dann leichter sein, wenn Klarheit über die juristischen Zusammenhänge der jeweils möglichen Rechtsformen herrscht. Zu diesem Zweck ist die nachstehende Analyse entstanden.

Beispielszenario:
Eine deutsche und eine polnische Gemeinde beabsichtigen, eine grenzüberschreitende Straßenbahnlinie zu errichten. Ein solches Projekt bedarf einer angemessenen Steuerung in jedem Stadium, d. h.:
  • bei der Planung und Konzeption,
  • während der Errichtung der notwendigen Infrastruktur,
  • beim Betrieb.
Die in einem solchen Fall notwendigen Erwägungen sowie Lösungen hinsichtlich der möglichen bzw. optimalen Rechtsform werden nachstehend behandelt. Die dabei anfallenden Rechtsfragen sind zu klären. Dabei wird jedoch auch der Bezug zu strategischen Erwägungen hergestellt und erläutert.

B. Notwendigkeit eines separaten Rechtssubjektes
Bei der Durchführung eines grenzüberschreitenden Vorhabens durch benachbarte Gemeinden in zwei verschiedenen Ländern stellt sich zunächst die Frage, inwiefern die beteiligten Gemeinden überhaupt eine gemeinsame Rechtsform für das Projekt benötigen. Dabei ist zu bemerken, dass die Durchführung von gemeinsamen Maßnahmen direkt durch die Gemeinden erfahrungsgemäß mit folgenden Problemen behaftet ist:
  • Koordination auch kleinster Anliegen ist sehr aufwendig,
  • die Entscheidungswege sind vergleichsweise lang,
  • in den Verwaltungen fehlt meist projektbezogene Fachkompetenz, die auch bei externer Beschaffung kaum dauerhaft gebunden werden kann,
  • die Verwaltung übernimmt in der Regel keinerlei finanzielle oder organisatorische Verantwortung für die späteren Stadien des Projektes, falls es im späteren Stadium zwingend durch einen Dritten betreut werden soll (Planung vs. späterer Betrieb),
  • Probleme des Vergaberechts sind bei grenzüberschreitenden Beschaffungsvorgängen praktisch unlösbar.

Die Gründung eines eigenständigen, von den beteiligten Gemeinden gemeinsam kontrollierten Rechtssubjekts ermöglicht dabei:
  • die Koordination des Projektes deutlich zu vereinfachen - sofern eine Festlegung der Entscheidungswege zu Beginn der Kooperation auf eine sinnvolle Weise erfolgt,
  • Fachkompetenz direkt im zuständigen Rechtssubjekt einzubinden, indem Experten angestellt oder auf sonstige Weise verpflichtet werden,
  • die Verantwortung für alle Projektphasen in einer Struktur zu bündeln, wodurch der Gesamterfolg vom Anfang an im Fokus der Verantwortlichen steht; die Verantwortung für das langfristige Ziel ist damit deutlich höher,
  • Vergabe erfolgt einfach nach dem Recht des Sitzstaates.

Dabei geht es nicht darum, das Dickicht kommunaler Unternehmen (falls vorhanden) zu erweitern. Jede bestehende Rechtsform kann zu diesem Zweck genutzt werden. Es ist allerdings von vornherein zu beachten, dass die Verfassung des zu gründenden Rechtssubjektes exakt dem entsprechen soll, wie die Beteiligten sich die Zusammenarbeit künftig vorstellen. Deshalb lautet die Empfehlung: möglichst frühzeitig sollte eine rechtlich selbständige Einheit gegründet werden, die für das Projekt zuständig, auf Projektbedürfnisse zugeschnitten und den Beteiligten gemeinsam unterstellt ist.


C. Vorauswahl
Für die Durchführung von kommunalen Projekten sowie zur Erfüllung kommunaler Aufgaben im Allgemeinen steht eine ganze Palette von Rechtsformen zur Verfügung. Dies gilt sowohl in Deutschland wie auch in den benachbarten Ländern gleichermaßen. Nicht alle dieser Rechtsformen kommen jedoch in Betracht, wenn eine Rechtsform für grenzüberschreitendes Projekt gesucht wird. Deshalb soll nachstehend zunächst kurz die Liste der insgesamt möglichen Lösungen präsentiert werden. Im darauf folgenden Abschnitt sollen dann die eher nicht geeigneten Rechtsformen identifiziert werden, damit anschließend die Liste der näher zu untersuchenden Lösungen ermittelt werden kann.

1. Allgemein verfügbare Rechtsformen
Eine vollständige Auflistung der theoretisch denkbaren Rechtsformen für gemeinsame, grenzüberschreitende Projekte.

2. Nicht geeignete Rechtsformen
Nicht alle Rechtsformen sind als Organisationsform für grenzüberschreitende Projekte geeignet. Die aus rechtlichen bzw. aus organisatorischen Gründen problematischen Gestaltungen sind:

a. Nationale öffentlich-rechtliche Rechtsformen
Öffentlich-rechtliche Rechtsformen - wie z. B. Anstalten öR (polnisch: zakład budżetowy), Zweckverbände, öffentlich-rechtliche Stiftungen (polnisch: fundacja) - sind eng mit der jeweiligen Rechtsordnung desjenigen Staates verbunden, auf dessen Gebiet sie tätig sind. Sie werden grundsätzlich zu öffentlich-rechtlichen Zwecken gegründet, weshalb sie auch engen Vorgaben des jeweils anwendbaren Verwaltungsrechts (insb. Finanzverfassung) unterstellt sind. Deshalb ist die Mitwirkung und Beteiligung einer ausländischen Kommune an einer solchen inländischen juristischen Person (oder solchen nicht rechtsfähigen Organisationsform) des öffentlichen Rechts bestenfalls mit zahlreichen rechtlichen Hürden verbunden (Finanzierung, Transfer von Mitteln ins und aus dem Ausland, Aufsicht etc.) - wenn sie überhaupt möglich sein sollte. Damit ist eine nationale öffentlich-rechtliche Rechtsform für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit grundsätzlich nicht zu empfehlen.

b. Grenzüberschreitender Örtlicher Zweckverband
In Deutschland ist im grenzüberschreitenden Kontext der Grenzüberschreitende Örtliche Zweckverband (insbesondere an der Grenze zu Frankreich oder Luxemburg) bekannt. Aus den hier genannten Gründen ist diese Rechtsform für polnische Gemeinden keine zulässige Lösung.

c. Aktiengesellschaft
Vgl. folgenden Artikel zu Kapitalgesellschaften allgemein.
Daraus folgt, dass eine Aktiengesellschaft keine Rechtsform der Wahl im Rahmen der Kommunalverfassungen in deutschen Ländern ist. Mehr dazu in KommunaleAG
Ähnlich zu bewerten wäre in diesem Zusammenhang die europäische Societas Europaea (SE), die eine Art Aktiengesellschaft des Europarechts ist. Weil gegenüber der SE das für die AG geltende Prinzip der Subsidiarität entsprechend anzunehmen ist, wäre dies auch keine Rechtsform der Wahl aus Sicht einer deutschen Kommune.

d. Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Eine GbR - die sowohl im deutschen wie auch im polnischen Recht bekannt ist - ist wegen der grundsätzlich geringen Eigenständigkeit der Organisationsform und wegen der in oben verlinkten Artikeln genannten Informationen nicht zu empfehlen.

D. Rechtsformen, die näher zu untersuchen sind
Denkbare, näher zu untersuchende Rechtsformen sind daher:
  1. die GmbH (sowohl nach polnischem wie auch nach deutschem Recht),
  1. die SPE (eventuell künftiger europäischer Ableger der nationalen GmbH),
  1. der öffentlichrechtliche EVTZ sowie - in bestimmten Konstellationen hilfsweise - auch
  1. die EWIV.

Detaillierte Analyse einzelner, in nähere Auswahl einbezogenen Rechtsformen

1. Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Hier sind allerdings drei Möglichkeiten denkbar:
    1. Zum einen kann eine eigene kommunale GmbH gegründet werden (gemeinsame GmbH beider Partnerstädte (dazu mehr in: KommunaleGmbH)).
    1. Denkbar ist auch, dass jede Gemeinde eine eigene kommunale GmbH gründet, die sich selbständig mit ihrem Teil selbständig beschäftigt. Um die Mißverständnisse und Ungereimtheiten in der Ausführung zu vermeiden, können die Arbeiten beider kommunalen GmbH´s durch ein Zwischensubjekt (etwa EVIW) koordiniert werden.
    1. Man kann auch einen Auftrag an eine externe GmbH vergeben. In diesem zweiten Fall geht es eigentlich in die Richtung, dass keine Rechtsform für die gemeinsame Betätigung gewählt wird. Diese Lösung löst aber zahlreiche Probleme insb. im Bereich des Vergaberechts (dazu s. GrenzueberschrVergabeDurchGemeinden), da ein Auftrag zur Ausführung des ÖPNV Projektes grundsätzlich nach Vergabeverfahren vergeben werden soll.

2. Europäische Privatgesellschaft (SPE)
Ein wesentlicher und zugleich unüberwindbarer Nachteil dieser Rechtsform besteht darin, dass sie immer noch nicht zur Verfügung steht. Die maßgebliche Rechtsverordnung der EU ist noch nicht beschlossen (sollte anfänglich zum 1.7.2010 in Kraft getreten sein). S. mehr in EuropaeischePrivatgesellschaft. Das projektierte Datum des Inkrafttretens ist nicht bekannt. Der letzte Informationsstand bezieht sich auf Dezember 2009 und betrifft insbesondere den Sitz der EPG und die Arbeitnehmerbeteiligung. Aus dem Grunde wurde im Europäischen Wettbewerbsfähigkeitsrat beschlossen, den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über ein Statut der Europäischen Privatgesellschaft weiter zu überarbeiten (Quelle: BeckOnline - EPG).

3. Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)
S. mehr in: EVTZ

4. Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung
S. mehr in: EWIV

E. Kriterien der Bewertung
Einzelne Kriterien wurden hier zusammengefasst und erläutert.

F. Eignung einzelner Rechtsformen
Der Vergleich der Kriterien mit den zur Verfügung stehenden Rechtsformen ergibt folgendes Ergebnis:

G. Einzelne Projektetappen - genauere Ausgestaltung
zu klären, was die einzelnen Etappen auch technisch bedeuten!!! Bemerkung von der Sitzung AK Recht am 16.11.2010 - auch Themen, was für Wirkungsbereiche beim Betrieb auftauchen, wie Eigentumsverhältnisse der Infrastruktur, Betrieb der Linie selbst (hier möglicherweise grenzüberschreitend einheitliche Regelung sinnvoll)

H. Zusammenfassung der Ergebnisse
Daraus ergibt sich folgendes Ergebnis:
Die EWIV ist zu befürworten, wenn das Projekt von den Partner wesentlich unabhängig ausgeführt werden soll (um z.B. die Verzögerungen auf einer Seite zu vermeiden).
Steht aber gemeinsamer Auftritt im Vordergrund (aus politischen und finanziellen Gründen) ist die Form einer kommunalen GmbH beider Partnerstädte zu empfehlen. Ob ein neues Rechtssubjekt errichtet wird oder ein bereits bestehendes genutzt wird, kann hier dahinstehen.
Der EVTZ ist zu empfehlen, wenn außer dem ÖPNV noch weitere gemeinsame Projekte geführt werden sollen, für die der EVTZ ein Dach schaffen kann. Sonst ist der Gründungsaufwand unverhältnismäßig im Vergleich zu den Aufgaben.




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