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Arten und Abgrenzung elektronischer Willenserklärungen


Im Wesentlichen werden folgende Unterarten beim Einsatz elektronischer oder sonst technischer Einrichtungen bei der Willenserklärung unterschieden:

  • die elektronische Übermittlung einer Willenserklärung: hier ergibt sich keine Besonderheit gegenüber menschlichen Willenserklärungen, die über andere Wege als die verbale Erklärung übermittelt werden (z.B. per Brief oder Telefon), so dass die §§ 116 ff. BGB für die Feststellung der Wirksamkeit entscheidend sind; die Willenserklärung wird beim Menschen willentlich gebildet und willentlich an ein Übertragungsmedium entäußert, das dann nur noch für die Zustellung der Willenserklärung an den Adressaten eingesetzt wird;
Beispiel: Willenserklärung per E-Mail.

  • die automatisierte Willenserklärung: hier erstellt das IT-System automatisch aufgrund von menschlichen Voreinstellungen des Systems zum konkreten Inhalt der Willenserklärung die Erklärung und übermittelt sie dann an den Empfänger; diese Willenserklärung ist nur dann nach §§ 116 ff. BGB wirksam, wenn aufgrund der Voreinstellungen des Systems der menschliche Willen noch ausreichend in der Erklärung zum Ausdruck kommt;
Beispiele: Verwaltungsschreiben („Dieses Schreiben wird maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.“), Mieterhöhungsschreiben.

  • die Computererklärung: hier wird der Inhalt der Willenserklärung durch das intelligente IT-System selbst erstellt, d.h. die menschlichen Vorgaben für durch das System erstellte Willenserklärung sind nur allgemeiner Natur; der menschliche Wille kommt daher in den Computererklärungen nur noch in Ansätzen zum Ausdruck, so dass fraglich wird, ob die einzelne Willenserklärung noch vom Willen des hinter dem System stehenden Menschen getragen ist; nur dann kann eine Wirksamkeit nach §§ 116 ff. BGB bejaht werden.
Beispiel: M2M-Kommunikation.

In der juristischen Diskussion verwischen gelegentlich die Begrifflichkeiten und Abgrenzungen zwischen der automatisierten Willenserklärung und der Computererklärung. Dies liegt an einer noch nicht ausreichenden Dogmatik in diesem Rechtsbereich. Dabei ist die Abgrenzung zwischen beiden Arten der elektronischen Willenserklärung rechtlich erheblich.

Denn bei dem hier als automatisierter Willenserklärung bezeichneten Fall wird die Willenserklärung aufgrund einer vorherigen manuellen Dateneingabe automatisch erzeugt. Das automatisierte System kann damit keine andere Willenserklärung „abgeben“ als durch die menschliche Programmierung zugelassen. Damit eignet sich diese Art der elektronischen Willenserklärung nur für standardisierte Willenserklärungen, bei denen z.B. der Inhalt der Erklärung mit dem Namen des Empfängers automatisch verbunden wird. Rechtlich gibt es daher gegen diese Art der Willenserklärung kaum Bedenken, weil die automatisierten Arbeitsschritte bis zur fertigen Willenserklärung ausreichend menschlich gewollt und beherrscht sind.
Die Computererklärung dagegen zeichnet sich durch die eigene inhaltliche Gestaltung der Erklärung und die Auswahl des Adressaten durch das intelligente (und selbstlernende) IT-System aus. Hier sind alle Arten von Willenserklärungen denkbar. Mangels aktuellen menschlichen Bezugs der einzelnen so erzeugten Willenserklärung ist ihre Wirksamkeit umstritten:
  • die weit herrschende Meinung anerkennt auch diese Erklärung, weil das IT-System auch nur solche Willenserklärungen generieren kann, die sich im Rahmen der vorangegangenen menschlichen Programmierung halten; dieser menschliche Einfluss sei für die Wirksamkeit ausreichend;
  • die Mindermeinung hält solche Willenserklärungen für unwirksam, weil sich der menschliche Wille eben in der aktuellen Willenserklärungen nicht mehr widerspiegelt.

Abbildung: Abgrenzung automatisierte Willenserklärung und Computererklärung

Die zunehmende Autonomie von IT-Systemen beim Abschluss von Verträgen führt zu Schwierigkeiten bei der Gleichstellung von maschineller Kommunikation mit menschlicher Kommunikation. Die Schwierigkeiten zeigen sich insbesondere bei der Auslegung von Erklärungen, für die §§ 133, 157 BGB den Maßstab bei menschlichen Erklärungen legen.

§ 133 BGB Auslegung von Willenserklärungen
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
§ 157 BGB Auslegung von Verträgen
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Anschaulich zeigt die Mr. Noch Unbekannt-Entscheidung des BGH von 2013 welche Folgen die Anwendung dieses Maßstabs auf maschinelle Erklärungen haben kann. Diese Entscheidung ist allerdings bisher die einzige, die sich mit inhaltlichen Fehlern der maschinellen Kommunikation befasst (andere Entscheidung betreffen technische Kommunikationsfehler durch Maschinen).

BGH, U.v. 16.10.2012, X ZR 37/12: Mr. Noch Unbekannt
(…) Der Kl. buchte am 7.9.2009 über das Internetportal der Bekl. Flüge von Dresden über Frankfurt/M. nach Larnaca und zurück für zwei Personen. In die Buchungsmaske gab er unter der Rubrik „Person 1” seinen Vor- und Zunamen ein. Unter der Rubrik „Person 2” trug er in die Felder für die Eingabe des Vor- und Zunamens jeweils „noch unbekannt” ein. Die Buchungsmaske der Bekl. enthielt folgenden Hinweis: „Bitte beachten Sie, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich ist und der Name mit dem Namen in Ihrem Ausweis übereinstimmen muss.”
Die Bekl. übermittelte dem Kl. am selben Tag eine Buchungsbestätigung und zog den Preis für zwei Hin- und Rückflüge i.H.v. insgesamt € 365,42 per Lastschrift vom Konto des Kl. ein. Als der Kl. der Bekl. telefonisch den Namen der zweiten mit ihm reisenden Person angeben wollte, teilte ihm die Bekl. mit, dass die Nachbenennung eine zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mögliche Namensänderung darstelle; der Kl. könne lediglich die Buchung stornieren und für die zweite Person neu buchen. Von dieser Möglichkeit machte der Kl. keinen Gebrauch. Er trat die Reise alleine an und verlangt wegen der zweiten Buchung Rückzahlung des Flugpreises sowie eine Ausgleichszahlung für Nichtbeförderung.
Aus den Gründen: (…)
a) Ein vertraglicher Anspruch scheidet aus, da entgegen der Auffassung der Revision zwischen den Parteien kein Beförderungsvertrag zu Stande gekommen ist, der dem Kl. ein nachträgliches Bestimmungsrecht hinsichtlich des Namens des zweiten Fluggasts eingeräumt hätte.
aa) Im Streitfall sollte der Beförderungsvertrag unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel abgeschlossen werden. Mit der über das Internet bereitgestellten Buchungsmaske für ihr Flugangebot bedient sich die Bekl. eines Tele- oder Mediendienstes, den potenzielle Kunden individuell elektronisch zum Zwecke einer Bestellung abrufen können und mit dem diese ihre Bestellung auch wiederum elektronisch an den Anbieter übermitteln können. Damit ist der Anwendungsbereich des § 312g BGB eröffnet. Diese Bestimmung regelt allerdings lediglich die Pflichten eines Unternehmers, der am elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Das Zustandekommen eines Vertrages auf elektronischem Weg richtet sich mangels einer besonderen Regelung nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB.
bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den über die Buchungsmaske der Bekl. buchbaren Flügen nicht um ein verbindliches Angebot gem. § 145 BGB handelt, sondern dass die Bekl. insoweit lediglich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert hat (…). Erst in dem Ausfüllen der Buchungsmaske durch den Kl. am 7.9.2009 ist ein Angebot zum Abschluss eines Vertrags über die Luftbeförderung des Kl. und einer weiteren Person von Dresden nach Larnaca und zurück zu sehen.
cc) Das Berufungsgericht meint zu Unrecht, dass die Bekl. das Angebot des Kl. auch hinsichtlich des für einen „noch unbekannt(en)” Passagier gebuchten Flugs angenommen hat. Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass durch die Annahme des Angebots des Kl. durch die Bekl. ein Beförderungsvertrag mit den vom Kl. eingegebenen Passagierdaten, d.h. mit der Namensangabe „noch unbekannt” zu Stande gekommen sei, ohne jedoch im Einzelnen festzustellen, wann und mit welcher Handlung die Bekl. das Angebot des Kl. angenommen haben soll. Insb. fehlt es an einer Feststellung, dass die Buchungsbestätigung der Bekl. v. 7.9.2009 mit einer Annahmeerklärung verbunden worden ist. (...)
dd) Die Buchungsbestätigung der Bekl. v. 7.9.2009 bzgl. eines zweiten, für einen „noch unbekannt(en)” Fluggast gebuchten Flugs kann nicht als Annahme gem. § 147 BGB ausgelegt werden, die zum Abschluss eines Beförderungsvertrags hinsichtlich des zweiten Fluggasts geführt hätte.
Die von dem Kl. und der Bekl. unter Einsatz deren Computersystems abgegebenen Erklärungen stimmen zwar nach ihrem äußeren Anschein überein. Der Kl. hat in die Namensfelder für den zweiten Fluggast zweimal die Worte „noch unbekannt” eingetragen und die Bekl. hat in der von ihr übersandten Buchungsbestätigung diese Angabe übernommen. Für die Auslegung dieser Erklärungen ist aber nicht auf die automatisierte Reaktion des Computersystems abzustellen, dessen sich die Bekl. für die Abwicklung des Buchungsvorgangs bediente. Nicht das Computersystem, sondern die Person (oder das Unternehmen), die es als Kommunikationsmittel nutzt, gibt die Erklärung ab oder ist Empfänger der abgegebenen Erklärung. Der Inhalt der Erklärung ist mithin nicht danach zu bestimmen, wie sie das automatisierte System voraussichtlich deuten und verarbeiten wird, sondern danach, wie sie der menschliche Adressat nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte verstehen darf. Allein ein solches Verständnis steht mit den §§ 133, 157 BGB und den hierzu entwickelten Auslegungsgrundsätzen in Einklang.
(1) Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (…) und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind aber auch der mit der Erklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (…). Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich ist, so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (st. Rspr., (…)).
(2) Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch, wenn bei der Abgabe und dem Empfang von Willenserklärungen elektronische Kommunikationsmittel genutzt werden. Dafür spricht die gesetzliche Regelung der Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr. § 312g Abs. 1 Nr. 3 BGB sieht für den Fall, dass ein Vertrag unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel geschlossen werden soll, vor, dass der Unternehmer den Zugang der Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen hat. Diese Bestätigung der Bestellung stellt in der Regel eine reine Wissens- und keine Willenserklärung dar (…). Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass der Unternehmer diese Wissenserklärung mit einer Willenserklärung, sei es mit der Annahme oder sei es mit der Ablehnung des Angebots, verbindet (…). Der Charakter der Erklärung ist entsprechend den allgemeinen Regeln in §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bestimmen (…). Eine automatisierte Erklärung kommt daher grds. auch als Annahme des Angebots in Betracht, wenn es sich nicht nur um die Bestätigung des Eingangs einer Bestellung i.S.v. § 312g Abs. 1 Nr. 3 BGB handelt, sondern mit ihr die vorbehaltlose Ausführung der Bestellung angekündigt wird (…). Ebenso kann auch im elektronischen Geschäftsverkehr die Annahme konkludent erklärt werden, so wenn die gewünschte Leistung bewirkt wird oder sonstige dem Antrag entsprechende Handlungen vorgenommen werden (…).
(3) Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Bekl. musste die Buchung des Kl. für einen zweiten Fluggast mit der Angabe in den Namensfeldern „noch unbekannt” zwar dahin verstehen, dass sich der Kl. das Recht vorbehalten wollte, die mitreisende Person nachträglich zu bestimmen. Aus der Sicht des Kl. war in dem automatisierten Verfahren die Eingabe der Wörter „noch unbekannt”, die nach allgemeinem Verständnis keinen Namen einer Person darstellen, akzeptiert worden. Darüber musste sich auch die Bekl., die nach unbestrittenem Vortrag wegen des damit verbundenen hohen Kostenaufwands keine Prüfungsroutine bzgl. der Namensangaben in ihrem Computersystem installiert hatte, im Klaren sein. Gleichwohl hat die Bekl. dieses Angebot des Kl. aber nicht angenommen und diesem durch die Absendung der Buchungsbestätigung nicht das Recht eingeräumt, die Person des zweiten Fluggasts nachträglich zu bestimmen. Denn die Bekl. hatte die nachträgliche Bestimmungsmöglichkeit durch den Hinweis in der Buchungsmaske ausdrücklich ausgeschlossen und damit deutlich gemacht, dass für sie die Benennung der Person des Reisenden, die zudem durch Vorlage eines Ausweises identifizierbar sein sollte, ein wesentlicher Punkt des Beförderungsvertrags war, über den bei Vertragsabschluss Klarheit bestehen sollte. Davon musste auch der Kl. bei Erhalt der Buchungsbestätigung bei objektiver Betrachtung ausgehen. Er hatte keinen Anlass für die Annahme, mit der entsprechend der von ihm offenbar nicht veränderten Voreinstellung auf einen männlichen Passagier „Mr. Noch unbekannt” lautenden Buchungsbestätigung nicht nur die automatisierte Reaktion des Buchungssystems, sondern die Erklärung der Bekl. zu erhalten, dass sie ihm das mit der zweckwidrigen Verwendung der Buchungsmaske nachgefragte Bestimmungsrecht tatsächlich einräumen wollte.
Nach alldem haben die Parteien mit den abgegebenen Erklärungen jedenfalls hinsichtlich des für „noch unbekannt” gebuchten Flugs keinen Beförderungsvertrag geschlossen, da sie sich nicht über die Person des oder der zweiten Reisenden und damit nicht über alle Punkte geeinigt hatten, über die nach Erklärung auch nur einer (Vertrags)Partei – hier der Bekl. – eine Vereinbarung getroffen werden sollte (§ 154 Abs. 1 Satz 1 BGB).
ee) Der Umstand, dass die Bekl. den Reisepreis für zwei Hin- und Rückflüge vom Konto des Kl. eingezogen hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Auch die Abbuchung des Reisepreises kann jedenfalls deshalb nicht als Annahmeerklärung der Bekl. gewertet werden, weil eine Willensübereinstimmung hinsichtlich des Inhalts des Beförderungsvertrags insoweit nicht erzielt worden ist. Weder durfte der Kl. nach den Angaben in der Buchungsmaske der Bekl. annehmen, dass ihm die Bekl. die nachträgliche Benennung eines Mitreisenden gestatten wollte, noch musste er die Abbuchung dahin verstehen, dass die Bekl. sich zur Beförderung eines Passagiers mit dem Namen „Noch unbekannt Noch unbekannt” verpflichten wollte. (…),
abgedruckt in BGHZ 195,126
Der Volltext kann auch beispielhaft hier [externer Link] nachgelesen werden.


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Autor: Prof. Dr. Ulf Müller
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