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Internationales Privatrecht (IPR)
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Struktur der Kollisionsnormen
A. Tatbestand Jeder Sachverhalt ist unter bestimmte Kollisionsnormen zu subsumieren (zu qualifizieren). Die passende Kollisionsnorm führt zu dem anzuwendenden materiellen Recht. Auch eine Kollisionsnorm besteht wie eine Sachnorm aus Tatbestand und Rechtsfolge. I. Anknüpfungsgegenstand Der Anknüpfungsgegenstand umschreibt einen Systembegriff des Privatrechtssysteems und damit diejenige Materie, für welche die einschlägigen Sachnormen des anzuwendenden Rechts festgesteellt werden sollen. Beispiele sind der Vertrag, die Ehe, die Kindschaft oder die Rechtsnachfolge von Todes wegen. II. Anknüpfungspunkt (-moment,-subjekt,-zeitpunkt) Der Anknüpfungspunkt wird auch als Anknüpfungsmoment, Anknüpfungssubjekt oder Anknüpfungszeitpunkt bezeichnet und führt zu der (räumlich besten) Rechtsordnung, die den Bereich des Tatbestands regeln soll. Verschiedene Anknüpfungspunkte können alternativ, kumulativ oder subsidiär berufen sein. Bei der alternativen Anknüpfung wird durch den Anknüpfungspunkt auf mehrere Rechtsordnungen verwiesen. Der Rechtsanwender hat die Möglichkeit, zwischen diesen auszuwählen. Hierdurch wird das Günstigkeitsprinzip verwirklicht. Durch die kumulative Anknüpfung werden mehrere Rechtsordnungen für eine Rechtsfraage nebeneinander berufen. Oftmals wird neben einer zweiten Rechtsordnung zusätzlich an deutsches Recht angeknüpft. Die Inländer sollen hierdurch jedoch nicht begünstigt werden. Vielmehr können so rechtsvergleichend ungewöhnliche Ansprüche des ausländischen Rechts abgewehrt werden. Es gilt demnach der Grundsatz der Berücksichtigung des schwächeren Rechts. Von der kumulativen Anknüpfung zu unterscheiden ist die distributive Anknüpfung. Hier werden mehrere Rechtsordnungen nicht kumulativ zu der gleichen Rechtsfrage, sondern getrennt zu verschiedenen Rechtsfragen berufen. Die subsidiäre Anknüpfung wird erst berücksichtigt, wenn eine vorrangige Anknüpfung zu keinem Ergebnis führt. Im Regelfall findet sich der Anknüpfungspunkt im Tatbestand der Kollisionsnorm. Er führt eindeutig zur berufenen Rechtsordnung (lex causae). 1. Staatsangehörigkeit Die Staatsangehörigkeit ist im deutschen IPR ein häufiger Anknüpfungspunkt. Sie verweist auf das Heimatrecht einer Person und bildet das sog. Personalstatut. Die engste Verbindung zum Heimatrecht besteht nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers vor allem in den Bereichen, die die persönlichen Rechtsverhältnisse regeln, wie z.B. die Rechts- und Geschäftsfähigkeit einer natürlichen Person, Art. 7 EGBGB. Auch im Ehe- und Kindschaftsrecht wird häufig an die Staatsangehörigkeit einer Person angeknüpft. Argumente für dieses Staatsangehörigkeitsprinzip sind:
Zunehmend ist jedoch eine Abkehr vom Prinzip der Staatsangehörigkeit festzustellen. 2. Wohnsitz (domicile) Insbesondere in Staatsverträgen (z.B. Haager Testamentsübereinkommen) und in auf ihnen beruhenden Kollisionsnormen wird an den Wohnsitz angeknüpft. 3. Gewöhnlicher Aufenthalt (residence) Weiterer wichtiger Anknüpfungspunkt ist der Aufenthalt einer Person. Insbesondere in Staatsverträgen aber auch im Internationalen Zivilverfahrensrecht wird häufig an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft. Ein Aufenthalt ist der gewöhnliche, wenn der Betreffende
Argumente für das Aufenthaltsprinzip, also die Anknüpfung persönlicher Rechtsverhältnisse an den Aufenthalt der Person sind:
Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist nicht erheblich. In der Regel, so die Begründung zum EGBGB, wird ein gewöhnlicher Aufenthalt nach sechsmonatiger Anwesenheit vermutet, was jedoch widerlegt werden kann. Bedeutung hat der gewöhnliche Aufenthalt vor allem im:
Minderjährige haben einen eigenen gewöhnlichen Aufenthalt, der nicht von den Eltern abgeleitet wird. Jedoch ist bzgl. des Aufenthaltwillens i.d.R. auf den gesetzlichen Vertreter abzustellen. 4. Handlungsort Die Anknüpfung an den Handlungsort ist in mehreren Erscheinungsformen denkbar. So wird bei Formfragen an den Vornahmeort des Geschäfts angeknüpft (vgl. Art. 11 Rom I-VO, Art. 11 Abs. 1 EGBGB). Bei der Vollmacht ist i.d.R. der Gebrauchsort entscheidend. 5. Erfolgsort Bei unerlaubten Handlngen wird im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO auf das Recht des Staates verwiesen, in dem der Erfolgsort liegt, also das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist. 6. Belegenheitsort Der Belegenheitsort (lex rei sitae) ist entscheidend bei beweglichen und unbeweglichen Sachen und daher die grundsätzliche Anknüpfung im Sachenrecht (vgl. Art. 43 EGBGB). 7. Gerichtsort Ist der Gerichtsort Anknüpfungspunkt, so wird stets auf die lex fori, also das Recht des Gerichtsstandortes verwiesen. 8. Parteiwille Teilweise legt das Gesetz den Parteiwillen als Anküpfungspunkt fest (vgl. Art. 14 Abs. 3, Art. 15 Abs. 2, Art. 27, Art. 42 EGBGB). Die Wahl des anzuwendenden Rechts ist dann den Parteien überlassen 9. Besonderheiten bei Mehrstaatern Wenn jemand nicht nur eine, sondern mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, sind nach der Kollisionsnorm bei einer Anknüpfung an das Personalstatut auch mehrere Rechtsordnungen berufen. Hingegen geht die Verweisung bei Staatenlosigkeit einer Person ins Leere. Für diese Fälle wurde Art. 5 EGBGB geschaffen. Art. 5 EGBGB gehört zu den unselbständigen Kollisionsnormen. Diese Vorschrift ist als eine Hilfsnorm in andere selbständige Normen anstelle der Staatsangehörigkeit hineinzulesen. Wird bei einem Mehrstaater an das Heimatrecht angeknüpft, soll bevorzugt das Recht des Heimatstaats Anwendung finden, mit dem die engste Verbundenheit besteht. Indiz hierfür kann der gewöhnliche Aufenthalt des Mehrstaaters sein. Die so beachtete Staatsangehörigkeit nennt man auch effektive Staatsangehörigkeit. Ist der Mehrstaater auch Deutscher, so verweist die Kollisionsnorm gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB stats auf deutsches Recht. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist bei einem Mehrstaater kraft Gesetzes die effektive. Dies eRegelung ist rechtspolitisch umstritten, da sie systemwidrig die Anwendung der deutschen Privatrechtsordnung bevorzugt. Die Exklusivnorm fördert hinkende Rechtsverhältnisse, begünstigt ein forum shopping, also die Wahl zwischen verschiedenen Gerichtsständen und führt zu mehr internationaler Disharmonie. Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB gilt deshalb nur für Verweisungen aufgrund autonomen deutschen IPR. Bei Staatsverträgen oder im Internationalen Zivilverfahrensrecht gelten die allgemeinen Regeln. Kann wegen der Staatenlosigkeit einer Person nicht an ihre Staatsangehörigkeit angeknüpft werden, so entscheidet gemäß Art. 5 Abs. 2 EGBGB der gewöhnliche Aufenthalt, subsidiär der tatsächliche Aufenthalt über die anzuwendende Rechtsordnung. |