Materielle Anspruchsprüfung in der gesetzlichen Rentenversicherung
A. Enführung
Vorschriften für die gesetzliche Rentenversicherung sind im SGB VI zu finden. Mittelpunkt der gesetzlichen Rentenversicherung bildet die Vorsorge für die Gefahren im Alter sowie die Gefahr der Erwerbsunfähigkeit. Darüber hinaus umfasst die Vorsorge auch die Fälle der Hinterbliebenen eines toten Versicherten.
Bei diesen ist zu beachten, dass hierbei einige Personengruppen nicht erfasst werden. Dies betrifft im Einzelnen die Landwirte und die Künstler wie auch Publizisten. Für die erst genannte Personengruppe gilt das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte und für die zu letzt genannten beinhaltet das Gesetz über die Sozialversicherung für Künstler und Publizisten entsprechende Regelungen. Ebenso gehören zu den ausgeschlossenen Personengruppen auch Beamte, Richter und Soldaten.
Aus diesem Ausschluss ergibt sich, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung hauptsächlich Beschäftigte versichert sind. Demnach gilt diese auch als Regelaltersicherung für Beschäftigte. Diese wird durch eine zusätzliche Alterssicherung, in Art einer betrieblichen Alterssicherung durch eine private Alterssicherung ausgeweitet. Grund hierfür liegt darin, dass immer weniger Beschäftigte für mehr Rentner über einen längeren Zeitraum hinweg viele Rentner versorgen müssen. Ursache hierfür besteht unter anderem im demografischen Wandel.
B. Versicherter Personenkreis
Demnach ist im Folgenden die Frage zu klären, wer in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist. Diese Frage hat vor allem dann Bedeutung, wenn es darum geht, ob eine Beitragspflicht besteht oder nicht. Daneben ist diese aber auch deswegen von Bedeutung, weil mit der ersten Beitragszahlung das Versicherungsverhältnis begründet wird. Ein begründetes Versicherungsverhältnis bleibt bis zum Tod des Versicherten bestehen. Demnach ist zwar kein vorhandenes Sozialrechtsverhältnis erforderlich, doch müssen bei der Leistungserbringung spezielle Warte- bzw. Vorversicherungszeiten zu bejahen sein.
Beim den versicherten Personen kann hier wie folgt unterschieden werden:
- Pflichtversicherte
- Versicherungsfreiheit
- Freiwillige Versicherung
- Nachversicherung
1. Pflichtversicherte:
Die einzelnen Pflichtversicherten sind in den §§ 1 - 3 SGB VI enthalten. Im Einzelnen zählen zu diesen nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SG B VI die gegen Entgelt Beschäftigten und Auszubilden. Entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 1 -10 SGB VI haben sich auch einzelne selbstständige Personengruppen in der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu versichern. Abschließend enthält § 3 S. 1 Nr. 1 - 4 SGB VI weitere Pflichtversicherte aufgrund von nicht dauerhaften besonderen Aufwendungen. Zudem ist die Pflichtversicherung nicht von der Höhe des Einkommens abhängig.
2. Versicherungsfreiheit:
Personen, deren Altersabsicherung bereits abgesichert ist, sind gem. § 5 SGB VI nicht pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung. Ferner können sich die in § 6 SGB VI genannten Personen auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien lassen.
3. Freiwillige Versicherung:
Die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ist im § 7 SGB VI geregelt. Nach § 7 Abs. 1 SGB VI steht es jedem frei sich für Zeiten nach der Vollendung des 16. Lebensjahr zu versichern.
4. Nachversicherung:
Ergänzend zu den bereits dargestellten Fällen der versicherten Personen enthält § 8 SGB VI drei Fälle nach denen eine Person zum Kreis der Versicherten zählen kann.
Fälle der Nachversicherung | Personengruppe |
---|---|
§ 8 Abs. 1 S. 1 SGB VI | Nr. 1: Personen die nachversichert sind Nr. 2: aufgrund eines Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings, Rentenantwartschaften übertragen oder begründet sind |
§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VI | Nachversicherte gleichgestellte Personen |
§ 8 Abs. 2 SGB VI | Nr. 1 Beamte oder Richter Nr. 2: sonstige Beschäftigte von Körperschaften, .... des öffentlichen Rechts Nr. 3: satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaft Nr. 4: Lehrer oder Erzieher an privaten Schulen |
Für die in § 8 Abs. 2 SGB VI genannten Personen gilt grundsätzlich, dass diese entweder versicherungsfrei waren bzw. von der Versicherungspflicht befreit sind. Zudem müssen diese ohne einen Anspruch auf Versorgung oder Anwartschaft die Beschäftigung beendet haben. Gleiches gilt bei einem Verlust des Anspruchs. Schließlich dürfen keine Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung gem. § 184 Abs. 2 SGB VI vorliegen.
Folge der Nachversicherung ist darin zu sehen, dass die Personen so gestellt werden, als wären diese für die Dauer ihres versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig.
C. Versicherungsfall
Gehört der Anspruchsteller zu dem oben genannten versicherten Personen, so ist im Weiteren zu prüfen, ob dieser einen Versicherungsfall i.S.d. gesetzlichen Rentenversicherung erlitten hat. Im Einzelnen werden folgende Sachverhalte von der gesetzlichen Rentenversicherung erfasst:
- drohende bzw. eingetretene Minderung der Erwerbstätigkeit, § 10 SGB VI, § 43 SGB VI, § 45 SGB VI, § 240 SGB VI
- Erreichen des Rentenalters, §§ 35, 36, 37.40 SGB VI
- Tod des Versicherten, §§ 46 ff. SGB VI
1. Drohende bzw. tatsächliche Minderung der Erwerbsfähigkeit
Dabei legt § 10 SGB VI die konkreten persönlichen Voraussetzungen fest, welche erfüllt sein müssen, damit eine Minderung der Erwerbstätigkeit bei der einzelnen Person bejaht werden kann. Ergänzend hierzu bestimmt § 43 SGB VI die Voraussetzungen für die Zahlung einer Rente im Fall der Erwerbsminderung. § 45 SGB VI enthält ei ne Sonderregelung für Bergleute.
2. Altersrente
Für den Versicherungsfall der Altersrente sind die §§ 35 - 40 SGB VI maßgeblich. Hierbei bestimmt § 35 SGB VI die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente. Demgegenüber enthält § 36 SGB VI eine Regelung für langjährige Versicherte und § 37 SGB VI enthält eine Vorschrift für schwerbehinderte Menschen und deren Altersrente. Abschließend enthält § 40 SGB VI auch für diesen Versicherungsfall eine eigene Regelung für Bergleute.
D. Leistungen
Hat der Versicherte einen Versicherungsfall innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung erlitten, so ist im Weiteren zu prüfen, welche Leistungen diesem zu zusprechen sind. Hierbei ist in Anlehnung an das Krankenversicherungsrecht wieder zwischen der Leistung dem Grunde nach wie auch der Leistung dem Umfang auch zu unterscheiden.
1. Leistungen dem Grunde nach
Damit der Versicherte Leistungen dem Grunde nach aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen kann, sind neben dem Eintritt des Versicherungsfalls die folgenden Kriterien nach § 34 SGB VI zu berücksichtigen:
- Erfüllung der Mindestversicherungszeit für die einzelne Leistung (Wartezeit)
- spezielle, versicherungsrechtliche Bedingungen liegen vor (insb. Antrag)
Als konkrete Beispiele für das Erfüllen der Wartezeit werden Voraussetzungen eines Anspruchs in § 50 SGB VI genannt. So bestimmt § 50 Abs. 1 SGB VIFälle, in denen die Wartezeit 5 Jahre beträgt. In den § 50 Abs. 2 bis 4 SGB VI sieht dieser demgegenüber für einzelne rentenversicherungsrelevanten Bereiche Wartezeiten von 20, 25, oder 35 Jahren vor.
Darüber hinaus gilt für alle Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, dass ihre Gewährung nur auf Antrag gem. § 19 S. 1 SGB IV], § 115 SGB VI erfolgen kann. Ergänzend zu diesem Grundsatz enthält § 115 Abs. 1 S. 2 wie auch die Absätze 2 - 4, sowie § 116 SGB VI Abweichungen als auch Ausnahmefälle.
2. Leistungen dem Umfang nach
Liegen neben dem Versicherungsfall die besonderen Leistungsvoraussetzungen seitens des Versicherten vor, so steht diesem ein Anspruch dem Grunde nach zu. Dieser kann inhaltlich wie folgt ausgestaltet sein:
- Altersrente, §§ 35 ff. SGB VI
- Renten wegen Todes, §§ 46 ff. SGB VI
- Renten wegen verminderter Erwerbstätigkeit, § 43 SGB VI
Darüber hinaus beinhaltet das Rentenversicherungsrecht auch Leistungen zur Teilhabe nach §§ 9 ff. SGB VI.
Mehr zum Rentenversicherungsrecht ist in Kokemoor, Sozialrecht, S. 129 - 144 zu finden.
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