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Fallübungen: öffentliches Recht - juristisches Handwerkszeug
Fallbeispiele zur Bearbeitung durch die Teilnehmer
Folgende Fälle werden durch die Teilnehmer in der Veranstaltung als Gruppenübung bearbeitet werden:
A. Fall 11: Neue Europäische Verfassung
Um die Handlungsfähigkeit der angewachsenen Europäischen Union zu sichern, vereinbaren die Mitgliedstaaten eine neue Europäische Verfassung.
Die neue Verfassung enthält einen Grundrechtskatalog, ähnlich wie das Grundgesetz. Im Katalog der Zuständigkeiten der Verfassung werden ausschließliche Kompetenzen der EU festgelegt sowie solche, bei denen das Subsidiaritätsprinzip fortgilt. Alle Rechtsetzungskompetenzen werden auf das Europäische Parlament übertragen, das in allgemeinen, freien, gleichen, geheimen und unmittelbaren, europaweiten Wahlen gewählt werden soll. Darüber hinaus ermächtigt die Verfassung das Europäische Parlament, die Verfassung mit 2/3 Mehrheit zu erweitern.
Zur Europäischen Verfassung wird im Bundestag und Bundesrat ein Zustimmungsgesetz verabschiedet. Die Regierung des Freistaates Thüringen hält das Gesetz für nichtig und stellt einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht auf Überprüfung des Gesetzes.
Frage: Ist das Gesetz wirksam?
- vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 22
- vgl. Aufbaustruktur
B. Fall 12: Kampf gegen Wirtschaftskriminalität in Thüringen
In Deutschland machen Fälle besonders dreister Wirtschaftskriminalität Schlagzeilen, in denen Unternehmen in Insolvenz getrieben werden, während sich die Hintermänner bereichern. Da in diesen Fällen viele Arbeitsplätze verloren gehen, wächst der politische Druck, gegen solche Fälle etwas zu unternehmen. Auf Bundesebene sorgt das Thema nur für Streit, so dass keine neuen, politisch geforderten Regelungen zustande kommen.
Die Landesregierung des Freistaates Thüringen verliert vor den Wahlen die Geduld und möchte "zeigen, dass ein einzelnes Bundesland durchaus in der Lage ist, gegen diese kriminelle Praxis etwas zu unternehmen". Sie veranlasst ein vom Landtag verabschiedetes Gesetz "über die Erweiterung der Rechte der Polizei bei der Prävention von Wirtschaftsstraftaten". In dem Gesetz wird der Landespolizei insbesondere erlaubt:
- Überwachung der Telekommunikation von Unternehmen und Personen in Leitungsorganen,
- Zugriff auf alle Unterlagen von Wirtschaftsunternehmen.
Das Gesetz soll insbesondere präventive, abschreckende Wirkung zeigen, jedoch sollen die von der Polizei auf diesem Wege erlangten Informationen auch der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt werden, so dass die Verfolgung von Straftaten erleichtert wird.
Frage: Ist das Gesetz verfassungsgemäß?
- vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Fall 11a, Rn. 109a und 163
- vgl. http://80.237.160.189/taris/?path=0-0-0-0-0-1-0-0&root=6
C. Fall 13: Bahntrasse
In der Nähe der Stadt X wird eine neue Bahntrasse südlich der bestehenden Strecke geplant, weil die dafür vorgesehenen Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Paris und Warschau definitiv nicht durch die historische Altstadt von X fahren können, auch wenn die Bahnanlagen in der Stadt ausgebaut worden wären. Das Großprojekt wird auch durch die Bundesregierung massiv unterstützt, weil darin sowohl für die Deutsche Bahn wie auch für viele andere deutsche Unternehmen eine Chance für Positionierung auf dem europäischen Markt für Verkehrsdienstleistungen gesehen wird. Um das Projekt durch zu lange Diskussionen nicht zu gefährden, wird ein Gesetz erlassen, kraft dessen:
- die Streckenplanung entsprechend festgelegt und als Plan mit Ausweisung aller betroffenen Grundstücke festgehalten wird,
- die für den Bau benötigten und in der Planung entsprechend ausgewiesenen Grundstücke werden enteignet und ihr Eigentum geht auf den Bund kraft Gesetzes über,
- die Enteignungsentschädigung wird nach Maßgabe der §§ 93 bis 103 des Baugesetzbuches gezahlt.
Der Obstbauer A nutzt eines der betroffenen Grundstücke für seine Obstplantage. Obwohl die Enteignung nur 25 % der Fläche betrifft, kann A künftig nur bis zu 60 % weniger ernten, weil die fruchtbarsten Bäume auf dem betroffenen Teil stehen. A ist deshalb empört und möchte gegen das Gesetz vorgehen.
Frage: Welche Rechte hat A?
D. Fall 14: Die geschützten Bäume
A ist Eigentümer eines Grundstücks im Außenbereich, das nicht bebaut ist. Auf dem Grundstück wachsen zwei alte Bäume, die A fällen möchte. Die Bäume sind allerdings gemäß § 16, 19 III ThürNatG in einer Verordnung als Naturdenkmale ausgewiesen. Der Antrag des A auf Zulassung der Beseitigung der Bäume wird abgewiesen. A hält diese Einschränkung seiner Eigentümerrechte für unzulässig und behauptet, er sei in seinen Grundrechten verletzt.
Frage: Hat er Recht?
E. Fall 15: Das Reiten im Walde
Im thüringischen Landkreis X hat A einen Reithof eingerichtet und wirbt um Gäste mit der Möglichkeit, in den ruhigen Wäldern in der Umgebung ungestört reiten zu dürfen. Wegen der immer häufiger gewordenen Beschwerden der Touristen, die durch Reiter auf Wanderwegen erschreckt werden, erlässt die zuständige Behörde auf der Grundlage des § 34 ThürNatG eine Anordnung, dass im Landkreis X das Reiten nur auf den dafür speziell gekennzeichneten Wegen erlaubt ist. Eine Reihe von Wegen wird auch entsprechend gekennzeichnet, einige Wanderwege werden damit vom Reiten ausgeschlossen.
A ist mit der Anordnung nicht einverstanden und behauptet, durch sie in seinen verfassungsrechtlich geschützten Freiheiten verletzt zu sein.
Frage: Ist A in seinen Grundrechten verletzt?
§ 34 ThürNatG
F. Fall 16: Anwaltszulassung
A möchte nach seinem 2. Staatsexamen als Rechtsanwalt arbeiten und beantragt Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, auch wenn er als ein "ausgewiesener Linker" von der Anwaltschaft an sich nicht viel hält. Er ist bereits häufiger für die Rechte einer Partei angetreten, die zweifelhaften Ruf genießt und von vielen als verfassungsfeindlich bezeichnet wird.
Die Zulassung wird dem A mit der Begründung verweigert, dass die Unterstützung einer linksradikalen Partei eines Rechtsanwalts unwürdig sei. A wehrt sich und meint, dass es doch nicht strafbar sei, die Auffassung anderer Menschen zu teilen.
; erhabe gemerkt, dass diese Menschen
- vgl. Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rn. 805, 870;
G. Fall 17: Unmenschliche Behandlung der Tiere
Saarheim - Hunde mit Schwindel. Freiheit von Wissenschaft und Kunst.
H. Fall 18: Plakette des Lehrers
A ist Hochschulprofessor und zugleich vehementer Gegner der Atomkraft. Deshalb trägt er - auch in den Vorlesungen - eine Plakette mit der Aufschrift "Atomkraft? Nein, danke!". Die Hochschule untersagt A das Tragen der Plakette unter Hinweis auf die beamtenrechtliche Vorschrift des Landes, die lautet:
"Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und ZUrückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben"
A ist mit der Untersagung nicht einverstanden und behauptet, dadurch in seinen Grundrechten verletzt zu sein.
Frage: Wurden hier die Grundrechte des A verletzt?
- vgl. Pieroth/Schlink Rn. 546 und 607.