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Fallbeispiele zum Handelsregister


A. Sachverhalt zum Fall 1


A möchte nach langem BWL-Studium nun endlich Geld verdienen. Er beschließt, den kleinen Laden für Tiernahrung seiner Großmutter in Coesfeld zu übernehmen. Seine Großmutter ist ihm dafür dankbar, denn seit Jahren ist es ihr zuviel geworden, den Laden, den sie alleine führt, weiter zu betreiben. Da er nach den Erfahrungen seiner Großmutter mit einem Umsatz von ca. 4000,- pro Monat rechnet, schickt er seine Großmutter in den wohlverdienten Ruhestand und beschließt den Laden alleine zu betrieben. A meldet beim AG Coesfeld formgerecht an, sich als Kaufmann im Handelsregister eintragen zu lassen. Nach der Eintragung ins Handelsregister wird diese im Bundesanzeiger abgedruckt. Als A drei Wochen später eine Lieferung Hundefutter vom Großhändler G erhält, verstaut er diese, ohne sie zu kontrollieren, im Hinterraum des kleinen Ladens, welcher als Lager dient. Drei Tage später will A das neuerworbene Hundefutter in seinem Laden zum Verkauf anbieten, wobei er aber feststellt, dass der Inhalt sämtlicher Säcke verschimmelt ist. Es lässt sich nur mit einer aufwändigen chemischen Analyse feststellen, ob das Futter bereits bei der Lieferung verschimmelt war.
Sofort wendet er sich an G und verlangt Neulieferung des Futters. Zu Recht?

B. Lösung zu Fall 1

A könnte einen Anspruch aus §§ 433, 437 Nr. 1, 439 I BGB auf Neulieferung des Hundefutters haben.

1. Kaufvertrag
A und G haben einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über die Säcke Hundefutter geschlossen.

2. Sachmangel
Die Tatsache, dass das Futter verschimmelt ist, stellt einen Sachmangel (negative Abweichung der Ist- Beschaffenheit von der Soll- Beschaffenheit) iSd § 434 I 1 Nr. 2 BGB dar.

3. Bei Gefahrübergang
Dieser Sachmangel müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB) vorgelegen haben. Die Darlegungs- und Beweislast trifft denjenigen, für den der in Frage stehende Umstand günstig ist. Dies wäre A, denn A möchte Mängelrechte geltend machen. Allerdings könnte sich aus § 476 BGB eine Beweislastumkehr ergeben. Dies setzt das Vorliegen eines Verbrauchsgüterkaufes voraus. Dieser liegt gem. § 474 I BGB vor, wenn ein Verbraucher (§ 13 BGB) eine bewegliche Sache von einem Unternehmer (§ 14 BGB) kauft. Hier handeln sowohl G als auch A im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit, sodass kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt. Ferner ist § 478 III BGB nicht einschlägig, welcher die Anwendung des § 476 BGB auch für Käufe zwischen Unternehmern anordnet, sofern es sich um den sog. Unternehmerregress handelt.
A wäre also beweisbelastet.

4. Kein Ausschluss
Allerdings wäre der Anspruch des A ohnehin ausgeschlossen, wenn der Kauf ein beiderseitiges Handelsgeschäft darstellen würde und A seiner Untersuchungs- und Rügepflicht aus § 377 HGB nicht nachgekommen wäre.
Gem. § 377 I HGB hat der Käufer die Ware unverzüglich zu untersuchen und bei einem Mangel diesen dem Verkäufer sofort anzuzeigen. A hat die Säcke ohne stichpunktartige Prüfung in seinem „Lager“ verstaut und ist somit der Untersuchungspflicht nicht nachgekommen. Jedoch findet § 377 HGB nur beim beiderseitigen Handelsgeschäft (§ 343 HGB) Anwendung. Voraussetzung hierfür wäre es, dass sowohl G als auch A Kaufmänner sind und das vorliegende Geschäft zum Betrieb der jeweiligen Handelsgewerbe gehört (§ 343 HGB).

a. Kaufmannseigenschaft des G
G ist als Großhändler als Kaufmann zu qualifizieren. Er ist, ohne dass es auf eine Eintragung im Handelsregister ankäme Kaufmann im Sinne des § 1 I HGB. Der Verkauf von Futtermitteln stellt Teil seines Handelsgrundgeschäftes dar. Somit liegt seitens des G ein Handelsgeschäft vor.

b. Kaufmannseigenschaft des A
Zwar gehört der Erwerb von Futtermitteln zum Grundgeschäft des A, da er das Futter an den Endkunden weiterverkaufen will, jedoch ist fraglich, ob A überhaupt Kaufmann im Sinne des HGB ist.

aa) Ist-Kaufmann, § 1 II HGB
A könnte bereits gem. § 1 II HGB kraft Gesetzes Kaufmann sein. Etwas anderes gilt, wenn seine Tätigkeit lediglich eine solche eines Kleingewerbetreibenden ist. Dies ist gem. § 1 II HGB der Fall, wenn das gewerbliche Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
Zwar stellt die Tätigkeit als jetziger Ladeninhaber eine gewerbliche Tätigkeit nach der bekannten Definition dar (offen, planmäßig, erlaubt, Gewinnerzielungsabsicht, selbstständig, kein freier Beruf), welche A auch betreibt, jedoch ist vorliegend davon auszugehen, dass ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist. Zwar gibt es für die Einordnung von Gewerben als Kleingewerbe keine starren Umsatzgrenzen, jedoch indiziert ein so geringer Umsatz wie in diesem Fall, dass lediglich ein Kleingewerbe vorliegt.
A ist somit nicht schon kraft Gesetz Kaufmann.

bb) Kann-Kaufmann, § 2 HGB

Allerdings könnte A durch die Eintragung im Handelsregister und deren Bekanntmachung (§ 10 HGB) gem. § 2 HGB Kaufmann geworden sein.

aaa) Formgemäßer Antrag
Laut Sachverhalt wurde das Formerfordernis der elektronischen Einreichung in öffentlich beglaubigter Form, §§ 12 I HGB, 129 I BGB eingehalten. Der Antrag wurde auch gem. §§ 8 HGB, 125 FGG beim zuständigen Gericht, dem AG Coesfeld eingereicht.

bbb) Eintragung und Bekanntmachung
Das AG Coesfeld hat den A mit seinem Futterladen auch im Handelsregister eingetragen. Fraglich ist, ob diese Eintragung auch ordnungsgemäß nach § 10 HGB bekannt gemacht wurde.
Die Eintragung wurde vorliegend nur im Bundesanzeiger veröffentlicht, eine gem. § 10 I HGB erforderliche elektronische Bekanntmachung ist jedoch unterblieben. Somit fehlt es an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Eintragung. Somit ist A nicht gem. § 2 HGB zum Kaufmann geworden.

Mangels Kaufmannseigenschaft kann der Erwerb der Futtersäcke somit für A keinen Handelskauf im Sinne des § 343 HGB darstellen. Folglich findet § 377 HGB keine Anwendung; der Anspruch des A scheitert somit nicht an einer unterbliebenen Rüge des Sachmangels, er ist nicht ausgeschlossen.

5. Ergebnis
A hat einen Anspruch auf Neulieferung der Futtersäcke aus §§ 433, 437 Nr. 1, 439 I BGB.


C. Sachverhalt zum Fall 2


A, B und C gründen eine oHG. C widersetzt sich einer Eintragung ins Handelregister. Kann C zur Anmeldung gezwungen werden?

D. Lösung zu Fall 2

C könnte gem. § 14 HGB zur Anmeldung gezwungen werden.
Dazu müsste eine Pflicht des C zur Eintragung bestehen
--> § 29 HGB
C müsste Kaufmann sein.
Kaufmann ist gem. § 1 I HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt
--> bei oHG zweifelsfrei (+) (Merkformel: OPEGS-F)

Das Registergericht ist befugt, dem C Beugestrafen (Zwangsgeld) anzusetzen, um den C zur Anmeldung zu veranlassen. Es kann aber nicht die Sache von Amts wegen ins Handelsregister eintragen.
Ein Zwang des C gem. § 14 HGB ist somit nur bedingt möglich.

Allerdings gilt in Fällen, wo mehrere zur Anmeldung verpflichtet sind gem. § 16 I HGB, dass zur Eintragung die Anmeldung der übrigen genügt, sofern eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozessgerichts die Verpflichtung des Säumigen zur Mitwirkung bei der Anmeldung festgestellt hat.
--> A und B können eine einstweilige Verfügung gegen C bewirken, die sie bei der
Anmeldung beim Registergericht vorlegen


E. Sachverhalt zum Fall 3


Nachdem K die dem P erteilte, eingetragene und bekanntgemachte Prokura am 1.2. widerrufen hat, schließt P im Namen des K mit D am 1.4. einen Kaufvertrag. Als D Erfüllung verlangt, macht K geltend, P habe wegen des Widerrufs der Prokura keine Vertretungsmacht gehabt. D weißt darauf hin, dass er von dem Widerruf nichts gehört habe und dieser auch nicht in Handelsregister eingetragen sei.

F. Lösung zu Fall 3

D könnte einen Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrags vom 1.4. aus § 433 I BGB haben.

Dazu müsste ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen sein.
Ein KV besteht aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen, Angebot und Annahme, die durch Abgabe und Zugang wirksam geworden sind.

Problematisch ist hier, dass K nicht selber handelte.

K könnte jedoch wirksam von P gem. §§ 164 ff. BGB vertreten worden sein.
Eine wirksame Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB setzt die Abgabe einer eigenen Willenserklärung in fremden Namen mit Vertretungsmacht voraus.
P hat im Namen des K mit D einen Kaufvertrag ausgehandelt. Er hat folglich eine eigene Willenserklärung in fremden Namen abgegeben.

Fraglich ist, ob P hierzu auch befugt war.

Die Befugnis des P könnte sich aus der durch K erteilten Prokura gem. §§ 48 ff. HGB ergeben. Die von K erteilte Prokura hat er allerdings am 1.2., also vor Vertragsabschluss, wirksam gem. § 52 I HGB gegenüber P widerrufen, so dass diese erloschen ist.
Es könnte allerdings eine Rechtsscheinsvollmacht vorliegen. Der D darf gem. § 15 I HGB auf das „Schweigen“ des Handelsregisters vertrauen, bis eine einzutragende Tatsache eingetragen und bekannt gegeben wird. Das Erlöschen der Prokura ist gem. § 53 III HGB eintragungspflichtig und nicht erfolgt.
Es lag folglich eine Rechtsscheinsvollmacht vor, auf die der D sich gutgläubig verlassen hat. P hat K somit wirksam vertreten, so dass D Erfüllung aus dem Kaufvertrag vom 1.4. verlangen kann.




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