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Fallbeispiel 8 - Weihnachtsgeschenk


Widerruf von Willenserklärungen

A. Sachverhalt

Antonius (A) hat noch immer kein Weihnachtsgeschenk für seine Freundin Constanze (C). Da C ein großer Tierfreund ist, bestellt A beim Schmuckhändler (S) eine Kette mit einem Schildkröten-Anhänger zum Kaufpreis von 389 €. Das Fax sendet A um 11.00 Uhr morgens ab. Als A von Karola (K), der besten Freundin der C erfährt, dass auch sie der C diese Kette schenken möchte, schickt A um 15.00 Uhr ein weiteres Fax an S um seine Bestellung zu stornieren. Die Schreiben werden jeweils wenige Minuten nach dem Absenden durch das Faxgeräte bei S ausgedruckt. Aufgrund des Vorweihnachtstrubels ist S jedoch so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er erst gegen 16.00 Uhr beide Faxe aus der Ablage des Faxgerätes entnimmt. Da diese oben auf liegt, liest S zunächst die Stornierung und erst dann die Bestellung, die A bereits um 11.00 versandt hatte.
S ist überzeugt, dass die Stornierung unwirksam ist, da diese unzweifelhaft erst nach der Bestellung bei ihm eingegangen sei. Dies könne man der aufgedruckten Eingangszeit der Faxe eindeutig entnehmen. Er verlangt von A daher die Zahlung des Kaufpreises sowie die Abnahme der Kette.


B. Frage(n)

Zu Recht?


C. Lösung

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1. Grafische Skizze


2. Lösungsskizze


3. Formulierungsvorschlag

S könnte gegenüber A einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises und Abnahme der Kette gemäß § 433 II BGB haben.
Dies setzt voraus, dass er den Anspruch erworben und nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.

A. Anspruchserwerb
S könnte den Anspruch gegenüber A gemäß § 433 II BGB erworben haben.
Dies ist der Fall, wenn zwischen S und A ein Vertrag geschlossen wurde, der inhaltlich ein Kaufvertrag ist und dieser wirksam ist.


I. Vertragsschluss
S und A könnten einen Vertrag durch Angebot und Annahme geschlossen haben. Dies setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) voraus, wobei die Annahme zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, in der das Angebot noch bindend war (§ 146 BGB).


1. Angebot durch A
Das Fax des A könnte ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages darstellen. Dies ist der Fall, wenn hierdurch eine
Willenserklärung abgegeben wurde, die inhaltlich ein Angebot i.S.d. § 145 BGB darstellt und S diese ohne zwischenzeitlichen
Widerruf zugegangen ist.

a) Abgabe eines Angebots durch A
Mit Übersendung des Faxes mit allen Bestandteilen des beabsichtigten Vertrages an S hat A eine Willenserklärung
abgegeben, die inhaltlich einen Antrag im Sinne des § 145 BGB darstellt.

b) Zugang
Gemäß § 130 I 1 BGB wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung unter Abwesenden erst in dem Zeitpunkt
wirksam, in dem sie dem Adressaten zugeht. Zugegangen ist sie dann, wenn sie derart in den Herrschaftsbereich des
Empfängers gelangt, dass diesem unter gewöhnlichen Umständen die Kenntnisnahme möglich ist. Die Bestellung per
Fax um 11.00 Uhr ist laut Sachverhalt wenige Minuten nach dem Absenden bei S ausgedruckt worden. Die
Willenserklärung des A ist folglich wenige Minuten nach 11.00 Uhr in den Herrschaftsbereich des S gelangt. Der
Zugang ist vollendet, wenn mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Bei geschäftlichen Erklärungen, die während der
üblichen Geschäftszeiten eingehen, gilt die konkrete Eingangszeit als Zeitpunkt des Zugangs. Das Fax des A ist
wenige Minuten nach 11.00 Uhr morgens, also während der üblichen Geschäftszeit eingegangen. Eine Kenntnisnahme
war zu dieser Uhrzeit unter gewöhnlichen Umständen also möglich. Demnach ist das Angebot des A dem S folglich
zugegangen.

c) Widerruf
Zweifelhaft ist jedoch, ob A durch sein zweites Fax um 15.00 Uhr seine Willenserklärung widerrufen hat. Dies ist
gemäß § 130 I 2 BGB der Fall, wenn der Erklärende seine Willenserklärung widerruft und dieser Widerruf rechtzeitig
erfolgt.

aa) Widerruf der WE
Die Wortwahl „widerrufen“ ist nicht entscheidend, vielmehr genügt es, dass im vorliegenden
Fall durch Auslegung der Willenserklärung § 133 BGB des A ermittelt werden kann, dass er an seiner Erklärung, die
Kette zu bestellen, nicht mehr festhalten möchte. Die von A gewählte Wortwahl seine Bestellung „zu
stornieren“ steht dem § 130 I 2 BGB nicht entgegen.

bb) Rechtzeitigkeit
Fraglich ist jedoch, ob dieser Widerruf rechtzeitig eingegangen ist.
Laut Sachverhalt ging der Widerruf wenige Minuten nach 15.00 Uhr bei S ein. Wie zuvor dargestellt, ging die
Bestellung der Kette jedoch bereits wenige Minuten nach 11.00 - also deutlich vorher - bei S ein. Fraglich ist an dieser
Stelle, ob es Auswirkungen hat, dass S von der Willenserklärung des A, zum Zeitpunkt als er vom Widerruf
erfährt, noch keine Kenntnis erlangt hatte. S erlangt also demnach noch vor der Willenserklärung des A von dessen Widerruf
Kenntnis.
Aus dem Wortlaut des § 130 I 2 BGB folgt jedoch, dass der Widerruf vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Willenserklärung
zu erfolgen hat. Entscheidend ist folglich nur der eigentliche Zugang, nicht die tatsächliche
Kenntnisnahme der zugegangenen Erklärung. Die Reihenfolge der tatsächlichen Kenntnisnahme der
Willenserklärungen spielt für den Widerruf keine Rolle. Vielmehr liegt die Entscheidung, wann der Empfänger über
eine gemäß § 130 I 1 BGB zugegangenen Willenserklärung tatsächlich Kenntnis nimmt zu seiner persönlichen Sphäre
und ist für den Absender unerheblich. Der Widerruf ist demnach nicht rechtzeitig bei S eingegangen.
Die Willenserklärung ist folglich nicht vor oder gleichzeitig mit ihrem Zugang widerrufen worden.
(Hinweis: Hier wurde der h.M. gefolgt, eine andere Auffassung ist vertretbar)

d) Es liegt ein Angebot seitens A vor.


2. Annahme durch S
S hat das Angebot auf Abschluss des Vertrages angenommen.

3. Annahmefähigkeit
Das Angebot war zudem zum Zeitpunkt der Annahme noch annahmefähig.


4. Übereinstimmung
Das Angebot des A sowie die Annahme stimmen auch überein.


5. S und A haben folglich einen Vertrag geschlossen.


II. Inhalt
Dieser Vertrag stellt inhaltlich einen Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB dar.


III. Wirksamkeit
Es sind keine Wirksamkeitshindernisse ersichtlich.


IV. Zwischenergebnis
S hat den Anspruch gegen A gemäß § 433 II BGB erworben.

B. Anspruchsverlust
S hat den Anspruch nicht verloren.

C. Durchsetzbarkeit
Der Anspruch ist zudem durchsetzbar.

D. Ergebnis
S hat einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 389 € sowie auf Abnahme der Kette gemäß § 433 II BGB

4. Lösungskizze Abwandlung
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