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Fallbeispiel: Das teurer gewordene Pop-Art-Gemälde

Probeklausur im WS 2014/2015


A. Sachverhalt
Händler H bietet dem Galeristen G in einem mit der Überschrift „freibleibend“ versehenen Brief ein Gemälde des angehenden Pop-Art Malers P für 10.000 EUR an. G erhält den Brief am 10. 12. 2014. G ruft einige seiner Stammkunden an und bietet das Gemälde unter anderem dem Sammler S für 15.000 EUR an. S bittet um eine Überlegungsfrist, woraufhin G ihm eine Bindung an sein Angebot bis zum 21. 12. 2014 zusichert.

S versucht, den G am 20. 12. 2014 telefonisch zu erreichen, dies gelingt aber nicht. Deshalb schreibt S dem G eine E-Mail, die durch falsch eingetragene Adresse des G nicht ankommt. S bemerkt dies am 21. 12. 2014 am Abend und schreibt noch mal an G, dass er das Bild für 15.000 EUR kaufen möchte. Diese E-Mail landet im Account des G aus unerklärlichen Gründen erst am 22. 12. 2014, wobei er an der Sendezeit der Nachricht erkennt, dass S sie rechtzeitig abgesendet hat, sie aber zu spät vom Mail-Server zugestellt wurde.

G liest die Nachricht des S am 23. 12. 2014 und meldet sich nun bei H. Er will das Bild wie vereinbart haben. H stellte in der Zwischenzeit allerdings fest, dass seine vorherige Preis­schätzung falsch war und meint, dass das Gemälde nun 16.000 EUR kostet. G ist damit nicht wirklich einverstanden, will aber mit S noch mal über den Preis verhandeln.

S ist nicht bereit, für das Gemälde mehr, als die aus seiner Sicht vereinbarten 15.000 EUR zu zahlen. G meint, S hätte das Angebot sowieso zu spät angenommen, deshalb dürfe er nicht meckern. Zugleich verlangt G aber von H, dass er ihm das Gemälde für 10.000 EUR überlässt.

Wie ist die Rechtslage?

B. Lösungsskizze
Bei der oben genannten Fragestellung sind alle denkbaren Ansprüche zu identifizieren und zu prüfen. Hier sind folgende denkbar:
  • S gegen G auf Lieferung des Gemäldes gem. § 433 Abs. 1 BGB,
  • G gegen S auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 15.000,- EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB,
  • S gegen G auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB, falls G das Gemälde nicht besorgen kann,
  • G gegen H auf Lieferung des Gemäldes gem. § 433 Abs. 1 BGB,
  • H gegen G auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 10.000,- oder 16.000,- EUR gem. § 433 Abs. 2 BGB.

Bei den Zahlungsansprüchen ist jeweils streitig, welcher Kaufpreis als vereinbart angesehen werden kann, was im Gutachten insbesondere im Inhalt des Vertrages zu berücksichtigen ist.

1. S gegen G auf Lieferung des Gemäldes gem. § 433 Abs. 1 BGB

Erworben - Vertragsschluss:

a. Angebot seitens G
Anruf G bei S und Abmachung, dass sich S bis 21.12. überlegt
(+)

b. Annahme durch S am 20.12.
Telefonat nicht erfolgreich, keine WE gegenüber G.
(-)

c. Annahme durch S mit erster E-Mail
E-Mail versendet (WE +) aber Versendung an eine falsche Adresse - mit Zugang ist nicht zu rechnen und auch nicht angekommen, gemerkt am 21.12. - Abgabe schon problematisch, auf jeden Fall kein Zugang
(-)

d. Annahme durch S mit zweiter E-Mail
E-Mail zwar verzögert, aber bei G angekommen. Auch Zugang (+) - am 22.12. im Account des G. G liest die Nachricht am 23.12.

e. Annahme rechtzeitig?
Eine Frist gem. § 148 BGB war gesetzt - 21.12. Zugang aber am 22.12. Versendung aber rechtzeitig. Gem. § 149 BGB auch für G erkennbar. Dennoch keine Rückmeldung - gilt als rechtzeitig.
Vorbehalte im Hinblick auf die Verbindlichkeit des Angebotes von G sind nicht ersichtlich!
(+)

f. Übereinstimmung
Angebot war "Gemälde für 15.000" und dieses wurde von S uneingeschränkt angenommen.
(+)

g. Zwischenergebnis: Vertrag abgeschlossen

h. Vertrag auch inhaltlich auf das Gemälde bezogen und wirksam
für Anspruch auf Gemälde spielt der Kaufpreis keine Rolle, sobald Übereinstimmung;
Irrtümer für ev. Anfechtung nicht zu erkennen.

Sofern G in der Lage ist, das Gemälde zu besorgen, ist der Anspruch auch gegeben. Andernfalls § 275 BGB - Anspruchsverlust durch Unmöglichkeit. In diesem Falle: § 280 Abs. 1 BGB möglich!

2. G gegen S auf Zahlung von 15.000,- EUR
Mit gleicher Begründung Anspruch G gegen S möglich. Aber nur 15.000 EUR, keine andere Summe - diese war vereinbart! (Frage der Einigung und des Vertragsinhalts)

3. S gegen G auf Schadensersatz gem. § 280 BGB
Für den Fall, dass G nicht liefern kann oder will, ist ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB denkbar, in dessen Rahmen S sein Erfüllungsinteresse (Schadensersatz wegen Nichterfüllung) geltend machen kann. Der Sachverhalt stellt allerdings nicht klar, dass die Beschaffung des Gemäldes nicht möglich ist - G ist zunächst einmal (sofern möglich) zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet.

4. G gegen H auf Gemälde gem. § 433 Abs. 1 BGB
Anspruch erworben, wenn:

a. Vertragsschluss
Angebot seitens H - an sich gegeben, Problem Verbindlichkeit (entweder als mangelnder Rechtsbindungswille oder bei Annahmefähigkeit des Angebotes zu problematisieren).
G konnte das Angebot nicht annehmen. Seine WE gegenüber H ist erst das richtig Angebot ("ich nehme es für 10.000)!

Das Angebot von G wurde nicht angenommen - H sagt, Bild kostet 16.000 EUR = neues Angebot

Dieses ist wiederum von G im Ergebnis nicht angenommen worden.

b. Kein Vertrag zwischen H und G

Kein Anspruch!

5. H gegen G auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 II BGB
Mit gleicher Begründung wie oben, kein Anspruch auf Kaufpreiszahlung.


Musterlösung


C. G gegen H aus § 433 I BGB
G könnte einen Anspruch aus § 433 I BGB gegen H auf Übereignung und Übergabe des Gemäldes haben. Dafür müsste der Anspruch erworben, dürfte nicht verloren gegangen und müsste auch durchsetzbar sein.

Dazu müsste zunächst der Anspruch erworben sein. Voraussetzung hierfür ist der Vertragsschluss, richtiger Inhalt des Vertrages und dessen Wirksamkeit.

Der Vertrag müsste geschlossen worden sein. Der Vertragsschluss durch Angebot und Annahme setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, wobei die Annahme dann erfolgt, wann das Angebot bindend ist.

1. Angebot des H
In dem Brief des H, das G am 10. 12. gelesen hat, könnte ein Angebot i. S. d. § 145 BGB seitens H gegeben sein. Voraussetzung dafür ist, dass eine Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot abgegeben wurde und diese dem Vertragspartner (G) zugegangen ist.
Eine Willenserklärung könnte mit dem Brief des H vorliegen. Voraussetzung dafür ist, dass der innere und der äußere Tatbestand der Willenserklärung erfüllt sind. Zum Tatbestand der Willenserklärung gehört dabei in jedem Fall der Rechtsbindungswille. Es ist fraglich, inwiefern der Rechtsbindungswille in diesem Fall gegeben ist. Der Brief des H trägt die Überschrift "freibleibend". Dies bedeutet, dass sich der Erklärende mit dieser Erklärung noch nicht fest binden möchte. Damit liegt noch kein Rechtsbindungswille vor. Somit liegt mit dem Brief des H auch keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vor.
Damit ist in dem Brief des H kein Angebot zu sehen.

2. Angebot seitens G
Dass G sich am 23. 12. bei H meldet, könnte nun seinerseits ein Angebot zum Kaufvertrag gem. § 145 BGB über das Gemälde sein. Voraussetzung dafür ist, dass G eine Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot abgegeben hat und sie dem H zugegangen ist. G meldet sich am 23. 12. bei H und teilt ihm mit, dass er das "Angebot" (Gemälde für 10.000 EUR) akzeptiert. G bekundet damit seinen Willen, das Gemälde erwerben zu wollen, so dass eine Willenserklärung mit dem Inhalt Angebot vorliegt. Mit der Kommunikation zwischen G und H kommt der Wille des G bei H an, so dass sowohl Abgabe wie auch Zugang der Erklärung anzunehmen sind.
Ein Angebot seitens G liegt mit dem Kontakt am 23. 12. vor.

3. Annahme durch H und Konsens
H könnte das Angebot von G angenommen haben. Dies ist dann der Fall, wenn er eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme abgegeben hat und diese dem G zugegangen ist. Im Gespräch mit G äußert H, dass er das Gemälde nach wie vor verkaufen will, was eine grundsätzliche Annahme bedeutet.
Problematisch ist allerdings, dass H nicht mehr 10.000 EUR, sondern 16.000 EUR als Kaufpreis fordert. Die Übereinstimmung der Erklärungen von G und H ist nicht mehr gegeben. Vielmehr kann die Annahme des H nur als Annahme unter Änderungen verstanden werden, die gem. § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot gilt.

4. Annahme durch G
Durch das neue Angebot von H könnte der Vertrag zwischen G und H dennoch zustande kommen. Dies ist dann der Fall, wenn das neue Angebot von H (Kaufpreis 16.000 EUR) wiederum seitens G angenommen wurde, sofern das neue Angebot noch bindend war und beide Erklärungen übereinstimmen.
G ist nicht bereit, den Vertrag zu neuen Konditionen abzuschließen. Damit liegt kein Konsens vor.

5. Ergebnis zum Vertragsschluss
G und H haben keinen Vertrag geschlossen.

Damit hat G auch keinen Anspruch aus § 433 I BGB gegen H erworben.

D. Anspruch H gegen G aus § 433 II BGB
(auch nicht gegeben)


E. Anspruch S gegen G aus § 433 I BGB
S könnte gegen G einen Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB auf Eigentumsübertragung und Übergabe des Gemäldes haben. Voraussetzungen hierfür sind, dass S den Anspruch erworben, ihn nicht verloren hat und dieser durchsetzbar ist.

S könnte den Anspruch erworben haben. Voraussetzung dafür ist, dass ein Vertrag geschlossen wurde, der Vertrag den richtigen Inhalt hat und er auch wirksam ist.

Zwischen S und G könnte ein Vertrag geschlossen worden sein. Dies setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen - Angebot und Annahme - voraus, wobei die Annahme zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, in dem das Angebot noch bindend war (§ 146 BGB).

1. Angebot
Es könnte ein Angebot gem. § 145 BGB seitens G vorliegen. Angebot ist eine Willenserklärung, die inhaltlich auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist, die auch abgegeben wurde und dem Adressaten zugegangen ist. Im Telefonat hat G dem S vorgeschlagen, ihm das Gemälde für 15.000 EUR zu verkaufen. Das fernmündliche Anbieten eines Gemäldes ist eine Willenserklärung, die auf Abschluss eines Vertrages (hier: Kaufvertrag) abzielt. Mit der Wahrnehmung der Erklärung am Telefon ist sie auch zustande gekommen.
Demnach hat G dem S ein Angebot gemacht.

2. Annahme durch S
S könnte das Angebot des G gem. § 146 ff. BGB angenommen haben. Voraussetzung dafür ist, dass eine Willenserklärung abgegeben wurde, die inhaltlich auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet und dem Adressaten (hier: G) zugegangen ist.

a. Telefonat am 20. 12.
S hat versucht, den G am 20. 12. telefonisch zu erreichen, um ihm mitzuteilen, dass er das Gemälde für 15.000 EUR kaufen möchte. Das Telefonat kommt jedoch nicht zustande, weil G nicht erreichbar ist. Aufgrund dessen kommt es gar nicht zu einer Willenserklärung seitens S. Das versuchte Telefonat am 20. 12. ist keine Annahme.

b. Erste E-Mail am 20. 12.
S schreibt dem G am 20. 12. eine E-Mail, die allerdings falsch adressiert ist. Mit der Aussage in der Nachricht, dass S das Gemälde kaufen möchte, äußert er seinen Willen zum Abschluss eines Vertrages. Es ist also eine Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrages gerichtet ist. Problematisch ist allerdings, ob diese Erklärung auch abgegeben wurde. Eine Willenserklärung ist abgegeben, wenn sie so auf den Weg gebracht wurde, dass mit Zugang zu rechnen ist. S hat falsche Adresse eingegeben, so dass sie nicht beim Adressaten zugehen kann. Somit mangelt es hier an einer ordnungsgemäßen Abgabe der Erklärung und damit auch an einer Annahme seitens S.

c. Zweite E-Mail am 21. 12.
S bemerkt am 21. 12. den Fehler in der Adressierung und schreibt eine zweite E-Mail - diesmal an die richtige Adresse des G.
Wie bereits oben festgestellt, ist in der E-Mail eine Willenserklärung mit dem Inhalt Annahme enthalten. Mit der Versendung an die richtige Adresse ist die Erklärung auch abgegeben. Zugang?










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