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Fall: Die schlecht besuchte Gesellschafterversammlung


Sachverhalt

An der Gesellschaft G sind A mit 20 %, B mit 25 %, C mit 35 % und D mit 20 % beteiligt. Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer E und F geleitet, eine Vertretungsregelung ist im Gesellschaftsvertrag nicht enthalten.

Aktuell soll die jährliche Gesellschafterversammlung einberufen werden, wobei sich E und F auf einen Termin der Versammlung nicht einigen können. F beruft schließlich die Gesellschafter­versammlung gegen den Willen des E und ohne dessen Kenntnis für den 15. 4. ein. Er versendet eingeschriebene Briefe an alle Gesellschafter bereits am 20. 3.

Der Gesellschafter D teilt mit, dass er nicht kommen wird, weil keine wichtigen Tages­ordnungs­punkte und eher nur routinemäßige Beschlüsse (Jahresabschluss, Entlastung, Gewinn­ausschüttung) anstehen und seine Stimme sowieso nicht entscheidend sei.

C ist vom 22. 3 bis zum 18. 4. in Urlaub, weshalb er die Versammlung knapp verpasst. Die Einladung wird allerdings in seinem Namen durch Familienangehörige in Empfang genommen.

In der Versammlung erscheinen lediglich A und ein Vertreter des B – der von A gehasste X – der eine von B unterzeichnete Vollmacht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung am 15. 4. sowie zur Abstimmung in dieser mitbringt. A und X können sich schon mal darauf nicht einigen, wer den Vorsitz übernehmen soll. Nachdem sie ohne Vorsitzenden zur Abarbeitung der Tagesordnung übergehen, streiten sie darüber, ob Dividende durch G ausgezahlt werden sollte oder nicht. Bei der Abstimmung setzt sich X durch und verhindert die Gewinnausschüttung, weil er gegen diese stimmt.

A ist mit dem Ergebnis nicht einverstanden und möchte gegen die Beschlüsse rechtlich vorgehen. Er hält die ganze Sitzung für eine Farce und bemängelt, dass die Gesellschafter­versammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden sei – beide Geschäftsführer hätten die Einberufung vornehmen müssen. Im Übrigen sei in der Sitzung nicht einmal die Hälfte des Stammkapitals vertreten gewesen, weshalb die Beschlussfassung nicht korrekt gewesen sein könne. Auch die Abstimmung, in der sich eine fremde Person gegen einen „echten“ Gesellschafter durchsetzt, sei ebenfalls nicht normal.

A erhebt Klage gegen den in der Gesellschafterversammlung am 15. 4. gefassten Beschluss über die Gewinnausschüttung.

Frage

Wird A mit seiner Klage Erfolg haben?



Fallabwandlung

Wie im Grundfall, allerdings mit dem Unterschied, dass die Parteien A, B, C, und D bei Gründung der G außerhalb des Gesellschaftsvertrages eine zusätzliche „Vereinbarung der Gesellschafter der G über die Zusammenarbeit in der Gesellschaft G“ unterzeichnet haben. In dieser haben sie vereinbart, dass die Beschlussfassung in der Gesellschafter­ver­samm­lung nur dann erfolgen kann, wenn an der Sitzung mindestens 75 % der Anteile der Gesellschaft vertreten sind.

Wird A in diesem Fall Erfolg haben?




Lösungshinweise

Die Frage nach Erfolgsaussichten einer Klage führt zum prozessrechtlichen Prüfungsaufbau, in dem mindestens zwei Schritte zu prüfen sind. Demnach hat A mit seiner Klage dann Erfolg, wenn die Klage
  • zulässig und
  • begründet ist.

A. Zulässigkeit der Klage
Die Prüfung der Zulässigkeit der Klage bildet keinen Schwerpunkt unserer Lehrveranstaltung im Gesellschaftsrecht. Allgemeine Voraussetzungen einer Klage sollten dennoch kurz angesprochen werden. Es sind:
  • die Prozessfähigkeit der Gesellschaft,
  • richtige Prozessvertretung der Beteiligten (Kläger / Beklagte)
  • Zuständigkeit des Gerichts
  • etc.
Wichtiger sind einige spezielle Voraussetzungen der hier in Frage kommenden Klageart - der Anfechtungsklage gem. § 246 AktG analog. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu prüfen:
  • Statthaftigkeit der Anfechtungsklage (bei einer GmbH! - bei Vorliegen der Voraussetzungen der Analogie ist dies der Fall),
  • Rechtsschutzbedürfnis (problematisch aber gegeben auch bei denkbarem Fall der Nichtigkeit).
Die Klagefrist wird hingegen zu einer Voraussetzung der Begründetheit der Klage gerechnet!

B. Begründetheit
Durch die prozessrechtliche Fragestellung ist nicht nur die Wirksamkeit oder Rechtmäßigkeit der Beschlüsse relevant (also rein materiellrechtliche Fragen). Diese Fragen sind auch in den Kontext der prozessrechtlichen Vorgaben des AktG zu stellen, so dass auch
  • Anfechtungsbefugnis und
  • Anfechtungsfrist
zu prüfen sind und sicherzustellen ist, dass ein (womöglich formeller oder nicht gewichtiger) Fehler nicht durch den Kläger missbraucht wird.

Ungeachtet dessen sind im materiellrechtlichen Teil sind folgende Probleme / Fragen zu berücksichtigen:
  • inwiefern ist die Stimmabgabe in der GV durch einen Vertreter / aufgrund einer Vollmacht möglich (§ 47 Abs. 3 GmbHG)?
  • ist eine Mindestanzahl von anwesenden Stimmen erforderlich (§ 47 Abs. 1 GmbHG)?
  • wurde der Beschluss mit notwendiger Mehrheit gefasst?
  • muss die Sitzung durch einen Vorsitzenden geleitet werden?
  • wer darf die Gesellschafterversammlung einberufen? in welcher Form (§ 51 GmbHG)?
  • gelten für die Geschäftsführung in diesem Falle die Vertretungsregeln (gemeinschaftlich etc.)?
  • wurden alle Gesellschafter ordnungsgemäß eingeladen (hier problematisch: C)?


CategoryGesellschaftsrecht
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