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Fall: Restauriertes Bild und Gerichtsvollzieher


A. Sachverhalt
Begabt (B) restauriert alte Bilder. Er kauft öfter auch Bilder, die er dann auf eigene Rechnung erneuert und danach weiterverkauft. Für das ihm neulich von Arm (A) angebotene, extrem seltene, dafür aber im sehr schlechten Zustand befindliche, über 300 Jahre alte Bild eines bekannten Barockkünstlers hat er keine ausreichenden Mittel. In dem Reich (R) findet er einen interessierten Käufer für das Bild, der das Bild auch für 5.000 EUR bei B restaurieren lässt. Die von A geforderten 50.000 EUR für das Bild gibt R dem B sogleich - neben den 5.000 EUR für die Restaurierungsarbeiten - auch und bittet, das Bild für R zu kaufen und zeitnah mit den entsprechenden Restaurierungsarbeiten zu beginnen.

Bevor das Bild durch B restauriert ist, kann B keine Rechnungen mehr bezahlen, weil er trotz bescheidener Einkünfte einen extensiven Lebensstil hat. Er hat mehrere hohe Rechnungen zu bezahlen, die bereits durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt werden sollen. Wegen der vielen Schulden denkt er gar an private Insolvenz. Als der Gerichtsvollzieher bei B das für R gekaufte Bild findet, meldet sich R sofort und verlangt Herausgabe des Bildes.

B. Frage
Welche Ansprüche hat R gegen B?



Musterlösung

Die Vollstreckung kann nur in Vermögensgegenstände erfolgen, die dem B gehören. Sollte R Eigentümer des Gemäldes sein und gegen B einen Anspruch auf Herausgabe haben, ist die Vollstreckung in das Gemälde nicht möglich.

R könnte gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sache gem. § 985 BGB haben. Voraussetzung dafür wäre, dass es sich beim betroffenen Gegenstand um eine Sache handelt, R Eigentümer der Sache, B ihr Besitzer ist und dass B kein Recht zum Besitz i. S. d. § 986 BGB gegenüber dem Eigentümer hat.

C. Sache
Das Bild ist eine Sache i. S. d. § 985 BGB.

D. Eigentümer
Es ist fraglich, ob R Eigentümer des Bildes ist. Da er ursprünglich kein Eigentümer war, ist zu prüfen, ob er infolge der laut Sachverhalt erfolgten Transaktionen und Handlungen Eigentümer des Bildes geworden ist.

1. Ursprüngliche Eigentumsverhältnisse
Ursprünglich war laut Sachverhalt der A Eigentümer des Bildes. Sollte an seiner Eigentümerstellung Zweifel bestehen, ist von seinem Eigentum gem. der gesetzlichen Vermutung gem. § 1006 BGB auszugehen.

2. Eigentumsübertragung A an R
Zu prüfen ist, ob durch die Transaktion zwischen A und B das Eigentum auf R übergegangen ist. R könnte das Eigentum von A gem. § 929 S. 1 BGB erlangt haben.

a. Einigung
A und R - vertreten durch B - könnten sich über Eigentumsübertragung geeinigt haben. Dafür müssten die Parteien einen dinglichen Vertrag (Angebot, Annahme und Konsens über Eigentumsübergang) geschlossen haben, bei dem B für R i. S. d. § 164 BGB aufgetreten ist.
Auch wenn B für R gehandelt hat und diesen an sich auch für die dingliche Transaktion (Eigentumsübertragung) rechtsgeschäftlich vertreten könnte, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor, dass B offenkundig im Namen des R gegenüber dem A aufgetreten ist. Damit handelte B nicht - bzw. zumindest nicht für andere sichtbar - im Namen eines anderen i. S. d. § 164 BGB, so dass eine Stellvertretung i. S. d. § 164 BGB ausgeschlossen ist (*).
(*) eine andere Leseart des Sachverhalts ist nicht abwegig, müsste aber genau begründet werden - eine Auseinandersetzung des Verfassers mit der Frage, ob "Handeln im fremden Namen" vorliegt oder nicht, ist dann zwingend erforderlich; dann wird problematisch, inwiefern der R durch die Übergabe der Sache an B Besitz erlangt hat, was so oder so betrachtet werden kann; überzeugend wäre die Lösung, dass B für R als Besitzmittler auftritt und deshalb R mittelbaren Besitz erwirbt - die Überlassung der Sache zur Erbringung einer Werkleistung erfüllt Kriterien des § 868 BGB; andere Lösung wäre, dass B Besitzdiener ist, was aber weniger überzeugt;
Demzufolge kommt eine dingliche Einigung zwischen A und R nicht in Betracht.

b. Zwischenergebnis
Eine Übertragung des Eigentums durch A auf R liegt nicht vor.


3. Eigentumsübertragung A auf B
A könnte das Eigentum auf B gem. § 929 S. 1 BGB übertragen haben, indem er gemäß Vereinbarung mit B ihm das Bild übergeben hat. Dafür ist Voraussetzung, dass sich A und B über Eigentumsübergang geeinigt haben, A dem B das Bild übergeben hat, die Einigung bei Übergabe fortbestand und A berechtigt war, über das Bild zu verfügen.

A handelte in Erfüllung des Kaufvertrages mit B (A wollte laut Sachverhalt das Bild für 50.000 EUR veräußern). Deshalb ist davon auszugehen, dass er sich mit B auch über Eigentumsübergang geeinigt hat. Da das Bild dem B auch übergeben wurde, liegt Übergabe i. S. d. § 929 S. 1 BGB vor. Da auch keine Anhaltspunkte gegen Fortbestand der Einigung zwischen A und B und ebenso keine gegen die Berechtigung des A bestehen, sind die Voraussetzungen für Eigentumserwerb gem. § 929 S. 1 BGB erfüllt.
B hat von A Eigentum am Bild in dem Augenblick erworben, in dem er Besitz am Bild erlangt hat.

4. Eigentumsübertragung B auf R
R könnte das Eigentum am Gemälde von B erworben haben. Eine Eigentumsübertragung von B auf R gem. § 929 BGB scheitert daran, dass R laut Sachverhalt bislang nie den Besitz am Bild erlangt hat. Damit liegt keine Übergabe i. S. der Vorschrift vor, so dass Eigentum hiernach nicht übergehen konnte.

R könnte allerdings gem. § 930 BGB das Eigentum erworben haben. Dafür ist erforderlich, dass sich B und R über die Eigentumsübergang geeinigt haben, zwischen B und R ein Rechtsverhältnis i. S. d. § 930 BGB begründet (R mittelbarer Besitzer, während B das Gemälde für ihn besitzt) wurde. Eine weitere Voraussetzung ist, dass sich R und B bei EIgentumserwerb weiterhin einig sind und dass B zur Verfügung berechtigt war.

a. Einigung
B und R könnten sich über Eigentumsübertragung i. S. d. § 930 BGB geeinigt haben.
Sie haben sich jedenfalls darüber geeinigt, dass B das Bild für R erwerben und es für und auf Rechnung des R restaurieren soll. Spätestens in dem Augenblick, in dem B die Arbeiten am Bild aufgenommen hat, sollten diese Arbeiten für den R erfolgen. Gemäß der Absicht der Parteien sollte das Eigentum am Bild letztlich bei R angelangen. R hat das Bild auch bezahlt.
Zum Zeitpunkt der oben beschriebenen, beabsichtigten Eigentumserlangung durch R haben R und B allerdings keine weiteren Vereinbarungen getroffen - ihre Einigung fand deutlich früher statt, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem B noch gar nicht verfügen dürfte, weil das Bild noch bei A war. Zu diesem Zeitpunkt hätte B über das Bild noch gar nicht verfügen dürfen und er war auch nicht im Besitz der Sache. Es stellt sich insofern die Fragen, inwiefern eine solche vorweggenommene (antizipierte) dingliche Einigung zulässig ist.
Für die Eigentumsübertragung ist allerdings auch eine vorweggenommene Einigung ausreichend. R und B konnten sich somit auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt darüber geeinigt haben, dass das Eigentum auf R im Wege des § 930 BGB übergeht, sofern alle übrigen Voraussetzungen des § 930 BGB erfüllt sind, d. h. insbesondere sobald B das Bild erworben hätte.
Damit kann im vorliegenden Fall eine (vorweggenommene) dingliche Einigung zwischen R und B angenommen werden.

b. Vereinbarung eines Besitzkonstituts
B und R könnten auch ein Besitzkonstitut, d. h. ein Besitzmittlungsverhältnis i. S. d. § 868 BGB vereinbaren. Dieses setzt voraus, dass zwischen R und B ein Rechtsverhältnis begründet wurde, kraft dessen R gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sache hat. Ferner müsste B den Fremdbesitzwillen haben.
R hat B damit beauftragt, das Bild "für R" zu kaufen. Anschließend sollte B das Bild für R auch restaurieren. Damit sollte im Anschluss an die Restaurierungsarbeiten das Bild zu R gelangen, sobald die Arbeiten des B beendet sind. Die Parteien haben somit vereinbart, dass am Ende der Restaurierungsarbeiten R von B Herausgabe des Bildes verlangen kann.
B hat das Bild für R erworben, weil er nur am Verdienst durch die Restaurierung interessiert war. Das Bild an sich konnte er gar nicht bezahlen. Da er von vornherein wusste, dass das Bild im Ergebnis zu R gelangen soll und er (B) es nur restaurieren soll, hat er den Besitz am Bild nicht für sich, sondern für den R ergriffen.
Damit wurde zwischen den Parteien ein Besitzkonstitut vereinbart.

c. Berechtigung
B könnte auch berechtigt gewesen sein, das Gemälde auf R zu übertragen. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass B Eigentümer der zu übereignenden Sache ist.
Zum Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen B und R war B kein Eigentümer des Bildes und damit auch nicht berechtigt, über das Bild zu verfügen. Es stellt sich allerdings die Frage, in welchem Zeitpunkt das Besitzkonstitut begründet wurde. Die Absicht der Parteien - insbesondere des B und R - das Eigentum im Ergebnis auf R zu übertragen, kann in diesem Fall in der Weise interpretiert werden, dass R das Eigentum nicht zwingend bei Übernahme des Bildes von A aber dann durchaus zum frühesten möglichen Zeitpunkt erwerben wollte. B war damit einverstanden.
B war erst mit Besitzergreifung berechtigt, dem R das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Damit war erst bei Besitzergreifung durch B ein Eigentumserwerb durch R möglich. Zu diesem Zeitpunkt hat B - zumindest für eine logische Sekunde - das Eigentum erworben, so dass die sofortige Weiterverfügung an R zulässig war.
Damit verfügte B als Berechtigter spätestens dann, als er das Gemälde in Empfang genommen hat.

d. Zwischenergebnis
Damit liegen die Voraussetzungen des § 930 BGB vor, B hat das Eigentum am Bild - sofort nach Erwerb seinerseits von A - auf R übertragen.

5. Ergebnis EIgentum
Da R das Eigentum nicht anderweitig verloren hat, ist er Eigentümer des Bildes.

E. Besitz und kein Recht zum Besitz
Für den Anspruch aus § 985 BGB ist ferner erforderlich, dass B Besitzer der Sache ist und kein Recht zum Besitz hat. Laut Sachverhalt ist B im Besitz der Sache.

Fraglich ist, ob B auch ein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB hat. Dieses könnte sich aus der Vereinbarung ergeben, kraft der B das Bild restaurieren soll. Demnach kann B das Gemälde für den Zeitraum der Restaurierung behalten. Solange dieses Verhältnis besteht, kann R Herausgabe des Bildes nicht verlangen.

F. Ergebnis
Allerdings ist zugleich festzustellen, dass das Bild nicht gepfändet werden darf, weil nicht B sondern R Eigentümer des Bildes ist.





G. Hinweise
In der Praxis kann in vergleichbaren Zusammenhängen das Aussonderungsrecht nach § 47 InsO relevant werden. Dann kommt es darauf an, ob das Eigentumsrecht die Aussonderung rechtfertigen würde.

Damit kommt es allein darauf an, ob R gegen B einen Anspruch auf Herausgabe der Sache gem. § 985 BGB hat.

Dafür müsste R Eigentümer sein.

1. Eigentumserwerb gem. § 929 S. 1?
Die Übergabe ist nicht erfolgt, entfällt. Vom A kein Erwerbstatbestand ersichtlich.

2. Eigentumserwerb gem. § 930 BGB?

Ursprünglich war A Eigentümer (siehe Sachverhalt).
A handelt mit dem Willen, an B zu übereignen. Hier § 929 S.1 möglich.

Als B aber Besitz erwirbt, ist bereits eine Vereinbarung B - R in Kraft, kraft der "B für R kaufen sollte" und nach Restaurierung an R weiterreichen soll. Ab dem Augenblick, in dem B Besitz ergreift, besitzt er für R (§ 868 BGB).
- Herausgabeanspruch begründet (+, Werkvertrag)
- Fremdbesitzerwille des B (+)
- Vereinbarung (Einigung) - etwas früher, antizipiert (+)

Rspr.: wenn B den Eigentumserwerb durch R verhindern will, muss er aktiv werden, deutlich machen, dass er doch nicht für den anderen besitzen will.

Eigentumsübergang auf R (+).



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